Mit Nachhaltigkeit am Puls der Zeit

Die Eindämmung der rasch fortschreitenden globalen Klimaerwärmung steht heute in einem Konflikt mit dem erwarteten Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum in Asien und Afrika. Die Ablösung fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien erfolgt nicht rasch genug, um das Klima im kommenden Jahrzehnt zu stabilisieren. Mutige Staaten und Unternehmen, die mit neuen Ideen, Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen den Aufbruch in eine nachhaltigere Zukunft wagen, dürften im kommenden Jahrzehnt am Puls der Zeit sein.  
Am 10.01.2020 in N° 1/2020 von Dr. Sandro Merino, Chief Investment Officer, und Dr. Christian Müller, Anlagestratege

Schon heute ist die Entschleunigung des Klimawandels eines der Hauptthemen im politischen Diskurs vieler Länder. Der breit abgestützte wissenschaftliche Konsens, der auch durch den Weltklimarat IPCC formuliert wird, sagt klar: Die Erderwärmung und der dadurch ausgelöste Klimawandel ist eine empirisch belegte Tatsache. Die einzige wissenschaftlich haltbare Erklärung dafür ist der durch den Menschen verursachte Ausstoss von Treibhausgasen, insbesondere von CO2 und Methan. Eine ungebremste weitere Nutzung von Erdöl, Gas und Kohle als Hauptenergieträger führt innerhalb einiger Jahrzehnte unweigerlich in eine globale Katastrophe. Das bedeutet zwar kaum das Ende unserer Zivilisation oder gar jenes der Menschheit, jedoch sind die Kosten einer ungebremsten klimatischen Veränderung aller Voraussicht nach gigantisch und bedrohen den Wohlstand und die Lebensgrundlagen künftiger Generationen.


Bild: Der Hitzesommer  2018 hat im Hardwald in Birsfelden eindeutige Spuren hinterlassen. Der lange fehlende Regen im ersten Quartal 2019 verschärfte die Situation zusätzlich. Jeder fünfte Baum ist gravierend geschädigt oder tot. Die globale Erwärmung zeigt bereits deutliche Spuren in unseren Wäldern. (Foto: Sabina Roth, Bürgergemeinde der Stadt Basel)


Nachhaltigkeit könnte damit das prägende Thema im neuen Jahrzehnt werden. Wie Ökologie und soziale Gerechtigkeit besser mit wirtschaftlichem Wachstum in Einklang gebracht werden können, interessiert auch Anlegerinnen und Anleger immer mehr. Im vergangenen Jahrzehnt haben verschiedene Katastrophen und Ereignisse den Fokus von Investoren immer wieder auf die Risiken gelenkt, die entstehen, wenn Nachhaltigkeitsaspekte zu wenig Beachtung finden. Entsprechend ist nachhaltiges Anlegen ein Thema, das auch die Vermögensverwaltungsindustrie herausfordert. Dies schafft Chancen für jene, die die Zeichen der Zeit erkennen und konsequent glaubwürdige und durchdachte Angebote entwickeln.

Die Lösung zur Eindämmung der Klimakrise ist einerseits banal einfach, andererseits bedingt sie einen radikalen Umbau der globalen Energieversorgung: Der globale Ausstoss an Treibhausgasen gemessen in sogenannten «Gigatonnen an CO2-Äquivalent» muss von aktuell ca. 40 Gigatonnen pro Jahr (Gt/J) in wenigen Jahrzehnten auf null reduziert werden. Dabei kann dies auch dadurch erfolgen, dass aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern in die Erdatmosphäre gelangtes CO2 dieser durch Abscheidung und Speicherung wieder entzogen wird. Noch ist dies ein aufwändiger und energetisch teurer Prozess und aus heutiger Sicht keine echte Alternative zur Reduktion des CO2-Ausstosses. Die globale Energieversorgung muss dekarbonisiert werden, sie muss vollständig auf erneuerbare Energien wie Solar, Wind, Wasserkraft oder allenfalls auf CO2-freie Energiequellen wie die Kernenergie umgestellt werden. Diese epochale Veränderung in der globalen Energieversorgung dürfte das kommende Jahrzehnt prägen.

Abb.1: Prognose des jährlichen CO2-Ausstosses (Stilisierte CO2-Emissionspfade: Jährliche Emissionen) 

Quelle: BKB, The Global Carbon Budget 2018, IPCC, UNFCCC (2016), OECD-Wachstumsprognosen, Weltbank CO2-Intensität



Für eine realistische Schätzung der zu erwartenden Fortschritte bei der Verringerung des globalen CO2-Ausstosses können die freiwilligen auf nationaler Ebene zugesagten Reduktionsziele aus dem Pariser Abkommen von 2015 aggregiert werden. Dies führt zu einem ernüchternden Ergebnis: In den nächsten zehn Jahren wird der steigende globale Gesamtverbrauch an fossilen Brennstoffen den CO2-Austoss von heute ca. 40 (Gt/J) erheblich ansteigen lassen. Grund ist das anhaltende globale Wirtschaftswachstum, insbesondere in China, Indien und Afrika. Dies hat zur Folge, dass trotz sinkendem CO2-Äquivalent pro Einheit des globalen Bruttosozialproduktes, d.h. trotz sinkender CO2-Intensität der Wirtschaft, der globale CO2-Ausstoss weiter ansteigt (Abb. 1). Die globale Wirtschaftsleistung wächst also schneller, als die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien voranschreitet. Es bleibt somit ein Rennen gegen die Zeit, das mit einem deutlichen Rückstand beginnt.

Es ist zu erwarten, dass die anhaltende Verlagerung des wirtschaftlichen Schwerpunktes nach Indien und China (Abb. 2) und die stark ansteigende Bevölkerung in Afrika im kommenden Jahrzehnt in Europa zur Einsicht führen dürften, dass das globale Problem durch regionale Massnahmen im Westen nur wenig gemildert werden kann. Nur ein dezidierter Wandel zu einem nachhaltigen Wirtschaftsmodell in Asien und Afrika kann die Erderwärmung stoppen. Der Westen kann viel dazu beitragen, dass techno­logisches Wissen und neue Modelle im Umgang mit Ressourcen rasch eingeführt und möglichst weit verbreitet werden.

 

Abbidung 2: Wachstumsbeiträge am globalen BIP bis 2040 (in USD 1000 Mia. kaufkraftparitätenbereinigt, Basis 2010); Quelle: BKB, OECD


Allerdings fehlt ein wichtiger Player: Die USA sind aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten und verfolgen auf nationaler Ebene keine verbindlichen CO2-Reduktionsziele mehr. Es ist klar, dass die starke Stimme der USA in der Weltgemeinschaft schmerzlich fehlt und der Austritt einen herben Rückschlag bei der Eindämmung der Erderwärmung bedeutet. Das Ausscheren der USA aus dem Pariser Klimaabkommen schafft aber Raum für Unternehmen in Europa – inklusive der Schweiz – um Lösungen und Produkte anzubieten, die die Chance haben den Zeitgeist zu treffen und damit global Verbreitung und Erfolg zu finden.

Zwar erwarten wir im kommenden Jahrzehnt ein steigendes Problembewusstsein, aber unter dem Strich wird sich die Erderwärmung durch weiter ansteigende Treibhausgas-Emissionen wohl fortsetzen. Die Auswirkungen und Wetterphänomene werden dabei voraussichtlich noch dramatischer spürbar. Dies könnte die Wende stärken, die aber wohl erst im übernächsten Jahrzehnt, sozusagen mit dem Rücken an der Wand, konsequent und mit konkreten Ergebnissen umgesetzt wird. Wir leben heute zwar noch im Gestern, das Rennen gegen die Zeit kann aber noch gewonnen werden.

Pariser Klimaabkommen

2015 haben 197 Staaten dem Pariser Klimaabkommen zugestimmt, durch national definierte Massnahmen die Erderwärmung auf 2°C über dem vorindustriellen Niveau zu beschränken. In den Folgejahren begann die Ratifizierung in den jeweiligen Staaten.

Die USA erklärten jedoch 2017, aus dem Klimaabkommen wieder aussteigen zu wollen. Das Abkommen haben aktuell 187 Staaten ratifiziert. Diese stehen auch ohne die USA noch für mehr als 85 % des globalen Ausstosses von Treibhausgasen. Ob die jeweiligen nationalen Massnahmen auch Wirkung zeigen, wird sich im kommenden Jahrzehnt weisen. Es zeichnet sich bereits ab, dass die bisher in Aussicht gestellten Massnahmen nicht ausreichend sind (Abb. 1).

Nachhaltigkeitsprobleme und die Auswirkungen auf den Aktienkurs - Einige Beispiele

BP

BP

Nach der Explosion der von BP betriebenen Offshore-Öl-Bohrplattform «Deepwater Horizon» flossen über Monate insgesamt rund 800 Millionen Liter Rohöl in den Golf von Mexiko mit nachhaltiger Schädigung der Meeresflora und -fauna. Der Börsenkurs halbierte sich.

Volkswagen

Volkswagen

Um strenge Abgasnormentests in den USA einzuhalten, rüstete Volkswagen seine Dieselfahrzeuge mit einer illegalen Abschalteinrichtung aus. Nach zahlreichen Klagen auf Schadensersatz brach der VW-Aktienkurs 2015 von März bis September um mehr als 60 % ein und liegt aktuell 40% unter dem damaligen Höchststand.

BHP

BHP

Ein Joint Venture mit Vale war 2015 für den Dammbruch von Bento Rodrigues in Brasilien verantwortlich, durch den eine giftige Schlammlawine 680 km Flusslauf zer­störte. Konfrontiert mit Forderungen für Schadensersatz sowie Strafzahlungen brach der Börsenkurs um etwa die Hälfte ein, hat inzwischen aber einen neuen Höchststand erreicht.


Tepco

Tepco

Das japanische Energieunternehmen hat eine lange Historie der Vertuschung von Unfällen beim Betrieb seiner Kraftwerke. Der Höhepunkt war 2011 die Kernschmelze mehrerer Reaktoren in seinem Atomkraftwerk Fukushima, durch das ein erheblicher Teil der japanischen Hauptinsel sowie das angrenzende Meer massiv nuklear verseucht wurden. Um die Insolvenz abzuwenden, wurde das Unternehmen halb verstaatlicht, der Börsenkurs reduzierte sich auf etwa ein Zehntel und liegt auch heute 50 % tiefer als vor der Katastrophe.

In der Folge beschlossen einige Staaten in Europa den Ausstieg aus der Atomenergie, dies jedoch mit unterschiedlichem Zeithorizont: Deutschland bis 2022, Belgien bis 2025, die Schweiz bis 2050. In anderen Staaten Europas ist eine gegenteilige Entwicklung sichtbar. Weltweit erfährt die Atomenergie seit etwa zehn Jahren wieder einen Aufschwung.

 

Facebook

Facebook

Entgegen der vertraglichen Zusicherung gegenüber den Facebook-Kunden verkaufte die Firma in grossen Stil Daten an das Unternehmen Cambridge Analytica. Seit der Aufdeckung des Skandals im Jahr 2018 überrascht Facebook unter seinem CEO Mark Zuckerberg bis heute mit neuen Vertuschungen. Der Börsenkurs von Facebook brach zeitweise um 35 % ein.

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Rechtliche Informationen

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