Von der Rückkehr der Inflation und den Auswirkungen auf Märkte und Zinsen

Nachdem die Inflation in den Industrienationen über lange Jahre ihren Schrecken verloren hatte, ist die Geldentwertung wieder zurück. Und für viele Menschen stellt sie eine grosse Sorge dar. Dabei ist eine leicht positive Teuerung von vielen Nationalbanken erwünscht und ein Inflationsziel von 2 % wird als sinnvoll erachtet. Dieses Ziel wurde im Jahr 2022 deutlich verfehlt und die Teuerungsrate erreichte in der Eurozone im September gar den zweistelligen Bereich. Wie es weitergeht und warum uns die Phase mit hohen Teuerungsraten noch einige Zeit begleiten wird.
Am 02.01.2023 in N° 2/2022 von Claudio Paonessa und Maurizio Gagliano, Portfoliomanager

Inflation oder Totgeglaubte leben länger

Seit 2021 erlebt die Inflation in den Industrienationen ihre Auferstehung. Dies nach einer langen Phase niedriger Preissteigerungsraten. Die Ursachen liegen unter anderem

  • in der Corona-Pandemie und den daraus folgenden Lieferengpässen bei einer gleichzeitig sehr expansiven Geld- und Fiskalpolitik,
  • im Krieg Russlands gegen die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise sowie
  • in den geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China.

Die Folge sind teilweise zweistellige Teuerungsraten. In der Eurozone sowie in den USA lagen die Preissteigerungen im zweiten Quartal 2022 im Jahresvergleich bei über 8 % (siehe Abb. 7).

Abb. 7: Langfristige Entwicklung der Konsumentenpreise

Quelle: BKB, Bloomberg

In den baltischen Staaten kletterte die Teuerungsrate auf über 20 %. Dabei war eine höhere Inflation von den wichtigsten Zentralbanken wie der US-Notenbank und der Europäischen Zentralbank grundsätzlich gewollt: Ihre selbst gesteckten Inflationsziele zur Wahrung der Preisstabilität belaufen sich aber lediglich auf rund 2 %. Bekundeten die Zentralbanken im vergangenen Jahrzehnt teilweise grosse Mühe, diese Preisziele zu erreichen und eine Deflation zu vermeiden, so präsentiert sich die Entwicklung im Jahr 2022 komplett anders. Weder die Notenbanken noch die grossen Prognoseinstitute hatten mit einem derartigen Anstieg der Teuerungsrate gerechnet. Zur Einordnung dieser Zahlen hilft ein Beispiel im Zeitverlauf: Bei einer anhaltenden Geldentwertung von 10 % p .a. ist ein Sparvermögen nach sieben Jahren nur noch die Hälfte wert. Bei einer Inflation von 20 % bräuchte es weniger als vier Jahre bis zur Halbierung der Kaufkraft.

Heutige Situation nur bedingt mit der Vergangenheit vergleichbar

Vergleicht man die heutige Teuerung mit dem Inflationsanstieg der 1970er Jahre, so gibt es mit dem Anstieg des Ölpreises zwar eine Gemeinsamkeit, andere Elemente wie der Arbeitsmarkt oder die Geldpolitik lassen sich allerdings nicht vergleichen. Damals versuchte die US-Notenbank, mit einer Niedrigzinspolitik das US-Haushaltsdefizit, das durch die Kosten des Vietnam-Kriegs und umfassende Sozialreformen angestiegen war, zu finanzieren und die in der Rezession steckende Wirtschaft zu stimulieren. Die dadurch ausgelöste hohe Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen führte zu steigenden Löhnen und Verbraucherpreisen. Erst eine massive Erhöhung der Leitzinsen konnte diese Dynamik brechen. Der Glaubwürdigkeit der starken Geldpolitik war es sodann zu verdanken, dass sich auch die langfristigen Inflationserwartungen der Konsumenten beeinflussen liessen. Dieses Vorgehen läutete eine neue Ära der Geldpolitik ein und führte seither in den Industrienationen zu vergleichsweise stabilen Preisen.

Ursachen sind in der Realwirtschaft zu finden

Die gegenwärtige Inflation ist hingegen weitgehend realwirtschaftlich bedingt. Viele Bereiche der Weltwirtschaft weisen infolge der Pandemie und des Krieges in der Ukraine grosse Ungleichgewichte zwischen dem bestehenden Angebot und der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen auf. So wurde infolge der Corona-Pandemie ein wesentlicher Teil der weltweiten Güterproduktion stark zurückgefahren oder durch staatliche Massnahmen (Stichwort: Lockdowns) beeinträchtigt. Gleichzeitig führte der erzwungene Konsumverzicht teilweise zu einer Verdoppelung der Sparquote der privaten Haushalte. Überraschend war, wie schnell die Haushalte den Konsumverzicht beispielsweise in den Bereichen Tourismus und Unterhaltung mit einer enormen Nachfrage nach Konsumgütern kompensieren wollten. Der grossen Nachfrage stand jedoch ein begrenztes Angebot gegenüber, da zu diesem Zeitpunkt die globalen Lieferketten durch die Hafen- und Fabrikschliessungen in Asien unter Druck gerieten. Und auch die Blockade des Suezkanals durch das Frachtschiff «Ever Given» trug nicht zu einer Entspannung der Situation bei.

Die Folge der gestörten Lieferketten waren unter anderem höhere Preise im Technologiebereich, beispielsweise bei der Herstellung von Mikrochips für Computer und Autos. Diese Problematik der Lieferketten entspannte sich mit einer – zum Teil deutlichen – Verzögerung wieder etwas und das Angebot konnte durch die Wiedereröffnung der Häfen in Asien erneut hochgefahren werden. Zusätzlich sorgte der Krieg in der Ukraine für erhöhte Schwankungen bei den Energie- und Nahrungsmittelpreisen. Ein Teil der ukrainischen Weizenfelder wurde durch den Krieg vernichtet, bereits eingelagertes Getreide wurde über Monate nicht exportiert. Der Anteil der Ukraine an den weltweiten Weizenexporten ist beachtlich: Rund 18 Millionen Tonnen entsprechen 9,1 %.

Inflationsbekämpfung – ein steiniger Weg

Die für Notenbanken zentrale Frage ist, wie die Preisstabilität in der aktuellen realwirtschaftlichen Verfassung trotzdem gewahrt werden kann. Eine Lohn-Preis-Spirale – in der die Arbeitskräfte aufgrund erhöhter Güterpreise deutlich höhere Löhne fordern und dies die Unternehmen wiederum dazu zwingt, die Preise für Güter und Dienstleistungen zu erhöhen – ist zumindest aktuell nicht in Sicht. Aber ohne ausreichende Lohnanpassungen müssen grosse Teile der Bevölkerung hohe Kaufkraftverluste bewältigen. Höhere Preise und konjunkturelle Risiken drücken die Stimmung der Konsumentinnen und Konsumenten: Als Folge davon sind die entsprechenden Stimmungsindikatoren im Jahr 2022 regelrecht eingebrochen. Durch eine Einschränkung der privaten Nachfrage steigt die Gefahr einer Rezession. Die Wahrung der Preisstabilität ist die zentrale Aufgabe der Notenbanken, sie müssen sich den hohen Teuerungsraten annehmen. Ein schnelles Handeln der Notenbanken mit aggressiven Zinserhöhungen birgt jedoch das Risiko, dass eine bereits angeschlagene Wirtschaft weiter geschwächt wird und sich die latent vorhandene Gefahr einer Rezession am Ende manifestiert. Doch steigende Kosten würden Unternehmen zwingen, Löhne einzusparen oder sogar Mitarbeitende zu entlassen. Alternativ könnte der Staat versuchen, die Kaufkraftverluste durch eine zielgerichtete Fiskal- und/oder Sozialpolitik zumindest partiell auszugleichen. Denkbar wäre die gezielte temporäre Unterstützung von vulnerablen Bevölkerungsgruppen und Unternehmen. 

Erhöhte Inflationsraten auch 2023

In naher Zukunft ist an der Inflationsfront wenig Besserung in Sicht. Die meisten Ökonominnen und Ökonomen rechnen damit, dass die Teuerung in der Eurozone zwar 2023 sinken, aber dennoch auf einem verhältnismässig hohen Niveau verharren wird. Die Konsensprognose rechnet für die Eurozone für das Jahr 2023 mit einer durchschnittlichen Preissteigerungsrate von 5,5 %, für die Schweiz dagegen von nur 2 % (Stand: Ende Oktober 2022). Steigen dagegen in den kommenden Monaten die Energiepreise, beispielsweise aufgrund eines kalten Winters, könnte sich die Lage weiter zuspitzen. Optimistischer stimmt, dass im Laufe des Jahres 2023 sogenannte Basiseffekte für eine gewisse Entschärfung der Inflationsproblematik sorgen sollten. Der Basiseffekt vergleicht die aktuellen Preise mit den Preisen von vor einem Jahr. Als 2020 die Corona-Krise ausbrach und Lockdowns ie Bewegungsfreiheit der Menschen einschränkten, fielen die Preise von betroffenen Dienstleistungen und Gütern zum Teil rasant. Benzin wurde in den USA um 20 % und in der Schweiz um rund 12 % billiger. Fahrzeuge und Flugtickets etc. wurden plötzlich mit substanziellen Rabatten angeboten, dies als Reaktion auf den Einbruch der Nachfrage. Als sich die Nachfrage 2022 deutlich erholte, erholten sich auch die Preise. Da Letztere von einem aussergewöhnlich niedrigen Niveau starteten, fiel dieser Anstieg sprunghaft aus (positiver Basiseffekt). Entsprechend wurde die Inflation befeuert. Die Nachfrage erholte sich in der Folge so stark, dass es zu Lieferengpässen kam, was die Preise erneut steigen liess. Das zwischenzeitliche Hoch vieler Rohstoffpreise (auch von Rohöl) scheint mittlerweile hinter uns zu liegen. Tiefere Notierungen sollten im zweiten Halbjahr 2023 entsprechend zu einem Rückgang der Teuerungsraten beitragen (negativer Basiseffekt).

Zusätzlich versuchen die wichtigsten Zentralbanken, die Inflation mit Zinssteigerungen einzudämmen. Die US-Notenbank, die EZB und auch die SNB haben ihre Leitzinsen bereits 2022 erhöht und es werden auch für 2023 weitere Zinserhöhungen erwartet. Die Zinserhöhungen kamen – im Nachhinein betrachtet – zu spät. Im historischen Vergleich wurde jedoch relativ schnell gehandelt. Die Zentralbanken haben also aus der Vergangenheit gelernt. Trotzdem erscheint es schwierig, der hohen Preisdynamik allein durch eine Erhöhung der Leitzinsen entgegenzuwirken. Schliesslich sind die markanten Preissteigerungsraten realwirtschaftlich bedingt, worauf Notenbanken respektive deren restriktivere Geldpolitik nur einen bedingten Einfluss haben.

Obligationenrenditen mittelfristig auf den aktuellen Niveaus erwartet

Wir gehen dennoch davon aus, dass sich die Renditen von zehnjährigen Staatsanleihen mittelfristig auf einem ähnlichen Niveau wie heute bewegen werden (siehe Abb. 8). Der Grund dafür ist einerseits der erwartete Basiseffekt bei den Energie- und Rohstoffpreisen, andererseits der anhaltende Anlagenotstand. Bei einem höheren Renditeniveau steigt die relative Attraktivität von Obligationen gegenüber Aktien. Obligationen werden aufgrund ihrer positiven Rendite bereits wieder etwas stärker gewichtet, was einem deutlich höheren Renditeniveau entgegenwirkt. 

Abb. 8: Langfristige Entwicklung der Renditen von zehnjährigen Staatsanleihen

Quelle: BKB, Bloomberg

Portfoliomanager

Kontakt

Portfoliomanager

Claudio Paonessa und Maurizio Gagliano, Portfoliomanager

Rechtliche Informationen

Rechtliche Informationen

Allgemein
Die BKB hat in Übereinstimmung mit den geltenden gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Regelungen (bzw. den Richtlinien der Schweizerischen Bankiervereinigung zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse) interne organisatorische und regulative Vorkehrungen getroffen, um Interessenkonflikte bei der Erstellung und Weitergabe von Finanzanalysen zu vermeiden oder angemessen zu behandeln. In diesem Rahmen trifft die BKB insbesondere die geeigneten Massnahmen, um die Unabhängigkeit und die Objektivität der Mitarbeiter, die an der Erstellung von Finanzanalysen beteiligt sind oder deren bestimmungsgemässe Aufgaben oder wirtschaftliche Interessen mit den Interessen der voraussichtlichen Empfänger der Finanzanalyse in Konflikt treten können, sicherzustellen. 

Verbot bestimmter Mitarbeitergeschäfte
Die BKB stellt sicher, dass ihre Finanzanalysten sowie die an der Erstellung der Finanzanalyse beteiligten Mitarbeiter keine Geschäfte mit Finanzinstrumenten, auf die sich die Finanzanalysen beziehen, oder damit verbundenen Finanzinstrumenten tätigen, bevor die Empfänger der Finanzanalysen oder Anlageempfehlungen ausreichend Gelegenheit zu einer Reaktion hatten. 

Hinweis auf Bewertungsgrundlagen und -methoden –Sensitivität der Bewertungsparameter 
Die Analysen des Investment Research der BKB im sekundären Research beruhen auf allgemein anerkannten qualitativen und quantitativen Bewertungsgrundlagen und Bewertungsmethoden. Zur Unternehmens- und Aktienbewertung werden Methoden wie zum Beispiel Discounted-Cashflow-Analyse, KGV-Analyse sowie Peer-Group-Analyse angewandt. Die jeweiligen Erwartungen über die zukünftige Wertentwicklung eines Finanzinstrumentes sind Ergebnis einer Momentaufnahme und können sich jederzeit ändern. Die Einschätzung der zugrunde liegenden Parameter wird mit grösster Sorgfalt vorgenommen. Dennoch beschreibt das Ergebnis der Analyse immer nur eine aus einer Vielzahl möglicher zukünftiger Entwicklungen. Es ist die Entwicklung, der das Investment Research der BKB zum Zeitpunkt der Analyse die grösste Eintrittswahrscheinlichkeit beimisst.

Hinweis auf Empfehlung
Die in den Empfehlungen des Investment Research der BKB enthaltenen Prognosen, Werturteile oder Kursziele stellen, soweit nicht anders angegeben, die Meinung des Verfassers dar. Die verwendeten Kursdaten beziehen sich auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung, soweit nicht anders angegeben. 

Hinweis auf Zuverlässigkeit von Informationen und Veröffentlichung
Diese Veröffentlichung ist lediglich eine unverbindliche Stellungnahme zu den Marktverhältnissen und den angesprochenen Anlageinstrumenten zum Zeitpunkt der Herausgabe. Alle Angaben stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen, welche die BKB für zuverlässig hält, ohne aber alle diese Informationen selbst verifiziert zu haben. Eine Gewähr für deren Richtigkeit oder Vollständigkeit wird insofern seitens der BKB sowie der mit ihr verbundenen Unternehmen nicht übernommen. Die Veröffentlichung dient lediglich einer allgemeinen Information und stellt weder eine Anlageberatung noch ein Angebot oder eine Aufforderung zum Erwerb oder zur Veräusserung von Finanzinstrumenten dar. Sie ersetzt keinesfalls die persönliche Beratung durch unsere Kundenberater vor einem allfälligen Anlage- oder anderen Entscheid. Haftungsansprüche aus der Nutzung der dargebotenen Informationen sind ausgeschlossen, insbesondere für Verluste einschliesslich Folgeschäden, die sich aus der Verwendung dieser Veröffentlichung beziehungsweise ihres Inhalts ergeben. Eine Vervielfältigung oder Verwendung von Grafiken und Texten in anderen elektronischen Medien ist ohne ausdrückliche Zustimmung der BKB nicht gestattet. Eine inhaltliche Verwertung ist nur mit Quellenangabe zulässig, wobei um vorherige Übersendung eines Belegexemplars gebeten wird. 

MSCI ESG Research – Hinweis und Disclaimer
Zu den Emittenten, die in den Materialien von MSCI ESG Research LLC erwähnt werden oder darin enthalten sind, können MSCI Inc., Kundinnen und Kunden von MSCI oder Lieferantinnen und Lieferanten von MSCI gehören, und sie können auch Research oder andere Produkte oder Dienstleistungen von MSCI ESG Research erwerben. Die Materialien von MSCI ESG Research, einschliesslich der Materialien, die in MSCI-ESG-Indizes oder anderen Produkten verwendet werden, wurden weder bei der United States Securities and Exchange Commission noch bei einer anderen Aufsichtsbehörde eingereicht, noch von dieser genehmigt. MSCI ESG Research LLC, ihre verbundenen Unternehmen und Informationsanbieterinnen und -anbieter geben keine Garantien in Bezug auf solche ESG-Materialien. Die hierin enthaltenen ESG-Materialien werden unter Lizenz verwendet und dürfen ohne die ausdrückliche schriftliche Zustimmung von MSCI ESG Research LLC nicht weiterverwendet, verteilt oder verbreitet werden.Aufsicht

Die Basler Kantonalbank unterliegt der Aufsicht durch die Eidg. Finanzmarktaufsicht (FINMA), Laupenstrasse 27, 3003 Bern.

Basler Kantonalbank, Postfach, 4002 Basel
Telefon 061 266 33 33, welcome@bkb.ch

Diese Angaben dienen ausschliesslich Werbezwecken. Die Basler Kantonalbank (BKB) übernimmt keine Gewähr für deren Richtigkeit, Aktualität und Vollständigkeit. Sie stellen weder ein Angebot oder eine Empfehlung dar, noch sind sie als Aufforderung zur Offertstellung zu verstehen. Bevor Sie Entscheidungen treffen, sollten Sie eine professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Die jederzeitige Änderung der Angebote bzw. Leistungen der BKB sowie die Anpassung von Preisen bleiben vorbehalten. Einzelne Produkte oder Dienstleistungen können rechtlichen Restriktionen unterworfen sein und sind daher u.U. nicht für alle Kunden bzw. Interessenten verfügbar. Die Verwendung von Inhalten dieser Broschüre durch Dritte, insbesondere in eigenen Publikationen, ist ohne vorgängige schriftliche Zustimmung der BKB nicht gestattet.