Welt im Wandel - mit Nachhaltigkeit zum Erfolg

Ein aussergewöhnlicher Wohlstandsanstieg in den vergangenen 200 Jahren hat unsere Umwelt massivsten Gefahren ausgesetzt. Die Menschheit hat es selbst in der Hand, dass sie ihren Zenit nicht überschreitet.
Am 02.01.2023 in N° 2/2022 von Brigitta Lehr

Breiter Anstieg des Wohlstands erst seit der industriellen Revolution

Über viele Jahrhunderte haben sich die Lebensbedingungen der Menschheit nicht wesentlich geändert – die Masse der Weltbevölkerung fristete ein karges Dasein, in dem gerade das Lebensnotwendigste erwirtschaftet werden konnte. Der Lebensstandard eines Bauern im alten Ägypten vor 3000 Jahren unterschied sich nicht wesentlich von demjenigen in einem Mayareich vor 1500 Jahren oder in Europa vor 500 Jahren. Der englische Ökonom Thomas Malthus formulierte 1798 in seinem «Essay on the Principle of Population» die Theorie, dass die Menschheit in einer Armutsfalle gefangen sei: Wo immer durch technologischen Fortschritt Überschüsse erzielt werden konnten, war die Verbesserung der Lebensbedingungen nur von begrenzter Dauer. Steigende Geburten- und sinkende Sterberaten führten zu einem Bevölkerungsanstieg, der die Nahrungsüberschüsse schwinden liess und den Lebensstandard ans Existenzminimum zurückführte.

Die Analysen von Malthus kamen jedoch just am Wendepunkt der Geschichte. Die industrielle Revolution brachte eine Entwicklung ins Rollen, die immer grösseren Teilen der Weltbevölkerung einen kontinuierlich und rasant steigenden Wohlstand bescherte. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf ist der zuvor stagnierende materielle Wohlstand des durchschnittlichen Erdenbürgers in den vergangenen 200 Jahren um mehr als das Zwölffache gestiegen (siehe Abb. 5A), und er lebt mehr als doppelt so lange wie seine Vorfahren (siehe Abb. 5B). Wesentliche Treiber des Fortschritts waren sinkende Geburtenraten und Investitionen in Bildung (siehe Abb. 5C) – weniger Kinder pro Familie, für die aber mehr Sorge getragen wurde. Die daraus resultierende explosive Innovationskraft erfasste nicht nur industrielle Technologien, sondern über Wissenschaft und Kultur sämtliche Lebensbereiche: Radio, Fernsehen, Autos, Flugzeuge, Antibiotika, PCs, Internet, Gentechnik sind Beispiele innovativer Meilensteine. Ist diese Entwicklung fortsetzbar oder handelt es sich um eine vorübergehende Anomalie der Geschichte?

Verbesserung der Lebensbedingungen seit der industriellen Revolution

Abb. 5A: Globales BIP pro Kopf

Quelle: BKB basierend auf «Our World in Data», Maddison,
Bloomberg / World Bank. BIP pro Kopf in 2011 int. USD, log. Skala

 

Abb. 5B: Globale Lebenserwartung

Quelle: «Our World in Data»

 

Abb. 5C: Globale Alphabetisierungsrate

Quelle: «Our World in Data»

 

Wohlstand auf Kosten der Umwelt

Ab den 1960er Jahren rückten die ökologischen Schattenseiten des exponentiellen Wachstums stärker in den Fokus. Die vom Club of Rome in Auftrag gegebene und im Jahr 1972 publizierte Studie «Die Grenzen des Wachstums» erzielte beträchtliche Aufmerksamkeit. Die Forscher kamen anhand der Modellierung von Bevölkerungswachstum, Nahrungsmittelanbau, Industrieproduktion, Umweltverschmutzung und Rohstoffverbrauch zu dem Schluss, dass bei einer unveränderten Fortsetzung der menschlichen Lebens- und Wirtschaftsweise ein Kollaps in absehbarer Zeit unvermeidlich sei. Bislang ist diese Katastrophe dank unserer Anpassungsfähigkeit ausgeblieben, die sich beispielsweise in den Energiesparmassnahmen zur Bewältigung der Ölpreiskrisen der 1970er Jahre, der Verringerung des Ozonlochs durch das FCKW-Verbot oder in den Erfolgen diverser Umweltschutzanstrengungen gezeigt hat. So ist das Rheinschwimmen in Basel auch ein langfristiges Ergebnis der Inbetriebnahme der Basler Kläranlage im Jahr 1982.

Seit dem Weckruf des Club of Rome vor 50 Jahren hat sich das Wachstum weiter fortgesetzt: Die globale Wirtschaftsleistung hat sich seither auf USD 100 000 Milliarden (real) fast verfünffacht und die Weltbevölkerung auf 7,8 Milliarden Menschen mehr als verdoppelt. Parallel dazu haben sich die – bereits damals adressierten – CO₂-Emissionen pro Jahr auf knapp 40 Milliarden Tonnen verdoppelt, der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre ist um 25 % gestiegen, und der dadurch verursachte Klimawandel hat die höchste Dringlichkeitsstufe erreicht. Wieder sind wir in der Situation, dass bei einem Weiter-so apokalyptische Zustände drohen. Müssen wir uns von unserem auf «immer mehr, immer besser» ausgerichteten Lebensstil verabschieden?

BIP – ein Wohlstandsindikator mit Mängeln

Schon lange werden die Unzulänglichkeiten des BIP als Wohlstandsindikator kritisiert:

  • Beispielsweise werden nur Markttransaktionen und diese ungeachtet ihres sozialen Nutzens berücksichtigt (unentgeltliche Hausarbeit nicht, Reparatur nach Autounfall jedoch schon).
  • Es werden nur Zahlungsströme eingerechnet, aber keine Bestandsdaten. So bleibt die Ausbeutung von Rohstoffen und Umweltschäden unbeachtet.

Abb. 6: Globale Energieintensität, gemessen an der Primärenergie und dem BIP, deutlich gesunken

Quelle: International Energy Agency, SDG 7: «Data and Projections»

Alternative Konzepte und Indikatoren wie etwa der Genuine Progress Indicator oder der OECD Better Life Index stellen die bisherige Entwicklung mitunter weniger positiv dar als das BIP. Sie sind aber aufgrund verschiedener Interpretationsansätze nicht rein objektiv und konnten das BIP als Wohlstandsindikator nicht verdrängen.

Ungeachtet dessen zeichnet sich eine langfristige Abflachung des weltweiten Wirtschaftswachstums (BIP) ab. Mit zunehmender Entwicklung der Volkswirtschaften steigt der Anteil des Dienstleistungssektors, in dem Produktivitätsgewinne schwieriger zu erzielen sind als im Industrie- oder Agrarsektor. So werden auch die zuletzt noch höheren Wachstumsraten in den Schwellenländern mittel- und langfristig sinken, wie man am Beispiel von China recht gut erkennen kann.

Unsere Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum

Dabei ist unsere Gesellschaft in starkem Masse von einer wachsenden Wirtschaft abhängig. Verteilungsziele lassen sich bei immer mehr verfügbaren Gütern und Dienstleistungen leichter umsetzen. Die Umverteilung eines immer grösseren Kuchens ist einfacher und mit weniger Konflikten zu bewerkstelligen als die eines stagnierendenoder schrumpfenden Kuchens. Dies betrifft sowohl den sozialen Ausgleich innerhalb einer Gesellschaft als auch generationenübergreifend den Abbau der Lasten, die beispielsweise aus einer historisch hohen Staatsverschuldung resultieren.

Auch unser Altersvorsorgesystem basiert auf Wachstum: Für das Umlageverfahren sind ein Bevölkerungs- und ein gleichzeitiges Wirtschaftswachstum ideal. Auch kapitaldeckungsbasierte Varianten sind auf Wachstum angewiesen, da positive Aktienrenditen auf den Erwartungen künftiger Gewinnsteigerungen basieren. Eine wachstumsfreie Zukunft würde unsere Gesellschaft vor grosse Probleme und unser politisches System infrage stellen.

Weitere Wohlstandssteigerung ist möglich

Es ist ermutigend, dass in den alten Industrieländern innerhalb der letzten drei Jahrzehnte eine Entkopplung des Wirtschaftswachstums von einem weiteren Anstieg des CO₂-Ausstosses eingesetzt hat. Dies gilt selbst dann, wenn man die Produktionsverlagerungen ins Ausland berücksichtigt. Allgemein ist die Energieintensität der Wirtschaft global gesunken (siehe Abb. 6), und fossile Treibstoffe konnten zum Teil mit kohlenstoffdioxidarmer Energie ersetzt werden. Ein Lichtblick ist, dass die Preise für die Gewinnung erneuerbarer Energien entlang der technologischen Lernkurven über die Jahre massiv – und unter die Kosten konventioneller Energien – gesunken sind und so den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützen. Während am meist hohen Flächenbedarf der grünen Energieformen wenig zu ändern ist, dürfte das Problem der schwankenden Verfügbarkeit durch Speichertechnologien gelöst werden. Trotz anfänglich hoher Kosten sollten auch hier Lernkurveneffekte und der technische Fortschritt ihre Nutzung langfristig erschwinglich machen.

Positiv stimmen auch wissenschaftliche Analysen, die das Verhältnis von CO₂-Emissionen zum BIP-pro-Kopf-Wachstum und zum Bevölkerungswachstum untersuchen. Sie kommen zum Ergebnis, dass das Bevölkerungswachstum deutlich stärker für steigende CO₂-Emissionen verantwortlich ist als der Wohlstandszuwachs. Die Forscher plädieren dafür, Bevölkerungspolitik stärker beim Klimaschutz zu berücksichtigen. Bevölkerungspolitische Massnahmen dürften gerade in Ländern auf höhere Akzeptanz stossen, die ihre Entwicklungschancen durch hohe Kosten zur Bekämpfung des Klimawandels gefährdet sehen.

Fotos: 2020 lebten knapp 7,8 Milliarden Menschen auf unserem Planeten, 2050 sollen es laut Prognosen der UNO bereits 9,7 Milliarden sein. Das Bevölkerungswachstum und der CO₂ Ausstoss pro Kopf spielen eine wichtige Rolle im Klimawandel.

Wie weiter?

Der Ausblick lässt viele Entwicklungen offen. Ein Investitionsschub in erneuerbare Energien würde die Wirtschaftsleistung erhöhen und könnte langfristig über niedrigere Energiekosten zu mehr Wohlstand führen. Sollte es hingegen nicht gelingen, den Klimawandel einzudämmen, würde die Beseitigung der Schäden das BIP wohl ebenfalls erhöhen. Diese Erhaltungsinvestitionen wären aber nicht wohlstandssteigernd, das verfügbare Einkommen und der private Konsum müssten sinken.

Für Anlegerinnen und Anleger sind diese Prozesse nicht nur mit Chancen, sondern auch mit Risiken verbunden. Welche Technologien werden sich durchsetzen?Wie entwickeln sich Wettbewerb und Profitabilität? Es gleicht einem Lotteriespiel, von vornherein die künftigen Gewinner auszuwählen. Wir empfehlen darum unbedingt einen diversifizierten Investitionsansatz, bei dem langfristige Trends wie technologischer Fortschritt, Demografie und Nachhaltigkeit nicht fehlen dürfen.

Finanzanalystin

Finanzanalystin

Brigitta Lehr

Senior Economist

Rechtliche Informationen

Rechtliche Informationen

Allgemein
Die BKB hat in Übereinstimmung mit den geltenden gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Regelungen (bzw. den Richtlinien der Schweizerischen Bankiervereinigung zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse) interne organisatorische und regulative Vorkehrungen getroffen, um Interessenkonflikte bei der Erstellung und Weitergabe von Finanzanalysen zu vermeiden oder angemessen zu behandeln. In diesem Rahmen trifft die BKB insbesondere die geeigneten Massnahmen, um die Unabhängigkeit und die Objektivität der Mitarbeiter, die an der Erstellung von Finanzanalysen beteiligt sind oder deren bestimmungsgemässe Aufgaben oder wirtschaftliche Interessen mit den Interessen der voraussichtlichen Empfänger der Finanzanalyse in Konflikt treten können, sicherzustellen. 

Verbot bestimmter Mitarbeitergeschäfte
Die BKB stellt sicher, dass ihre Finanzanalysten sowie die an der Erstellung der Finanzanalyse beteiligten Mitarbeiter keine Geschäfte mit Finanzinstrumenten, auf die sich die Finanzanalysen beziehen, oder damit verbundenen Finanzinstrumenten tätigen, bevor die Empfänger der Finanzanalysen oder Anlageempfehlungen ausreichend Gelegenheit zu einer Reaktion hatten. 

Hinweis auf Bewertungsgrundlagen und -methoden –Sensitivität der Bewertungsparameter 
Die Analysen des Investment Research der BKB im sekundären Research beruhen auf allgemein anerkannten qualitativen und quantitativen Bewertungsgrundlagen und Bewertungsmethoden. Zur Unternehmens- und Aktienbewertung werden Methoden wie zum Beispiel Discounted-Cashflow-Analyse, KGV-Analyse sowie Peer-Group-Analyse angewandt. Die jeweiligen Erwartungen über die zukünftige Wertentwicklung eines Finanzinstrumentes sind Ergebnis einer Momentaufnahme und können sich jederzeit ändern. Die Einschätzung der zugrunde liegenden Parameter wird mit grösster Sorgfalt vorgenommen. Dennoch beschreibt das Ergebnis der Analyse immer nur eine aus einer Vielzahl möglicher zukünftiger Entwicklungen. Es ist die Entwicklung, der das Investment Research der BKB zum Zeitpunkt der Analyse die grösste Eintrittswahrscheinlichkeit beimisst.

Hinweis auf Empfehlung
Die in den Empfehlungen des Investment Research der BKB enthaltenen Prognosen, Werturteile oder Kursziele stellen, soweit nicht anders angegeben, die Meinung des Verfassers dar. Die verwendeten Kursdaten beziehen sich auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung, soweit nicht anders angegeben. 

Hinweis auf Zuverlässigkeit von Informationen und Veröffentlichung
Diese Veröffentlichung ist lediglich eine unverbindliche Stellungnahme zu den Marktverhältnissen und den angesprochenen Anlageinstrumenten zum Zeitpunkt der Herausgabe. Alle Angaben stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen, welche die BKB für zuverlässig hält, ohne aber alle diese Informationen selbst verifiziert zu haben. Eine Gewähr für deren Richtigkeit oder Vollständigkeit wird insofern seitens der BKB sowie der mit ihr verbundenen Unternehmen nicht übernommen. Die Veröffentlichung dient lediglich einer allgemeinen Information und stellt weder eine Anlageberatung noch ein Angebot oder eine Aufforderung zum Erwerb oder zur Veräusserung von Finanzinstrumenten dar. Sie ersetzt keinesfalls die persönliche Beratung durch unsere Kundenberater vor einem allfälligen Anlage- oder anderen Entscheid. Haftungsansprüche aus der Nutzung der dargebotenen Informationen sind ausgeschlossen, insbesondere für Verluste einschliesslich Folgeschäden, die sich aus der Verwendung dieser Veröffentlichung beziehungsweise ihres Inhalts ergeben. Eine Vervielfältigung oder Verwendung von Grafiken und Texten in anderen elektronischen Medien ist ohne ausdrückliche Zustimmung der BKB nicht gestattet. Eine inhaltliche Verwertung ist nur mit Quellenangabe zulässig, wobei um vorherige Übersendung eines Belegexemplars gebeten wird. 

MSCI ESG Research – Hinweis und Disclaimer
Zu den Emittenten, die in den Materialien von MSCI ESG Research LLC erwähnt werden oder darin enthalten sind, können MSCI Inc., Kundinnen und Kunden von MSCI oder Lieferantinnen und Lieferanten von MSCI gehören, und sie können auch Research oder andere Produkte oder Dienstleistungen von MSCI ESG Research erwerben. Die Materialien von MSCI ESG Research, einschliesslich der Materialien, die in MSCI-ESG-Indizes oder anderen Produkten verwendet werden, wurden weder bei der United States Securities and Exchange Commission noch bei einer anderen Aufsichtsbehörde eingereicht, noch von dieser genehmigt. MSCI ESG Research LLC, ihre verbundenen Unternehmen und Informationsanbieterinnen und -anbieter geben keine Garantien in Bezug auf solche ESG-Materialien. Die hierin enthaltenen ESG-Materialien werden unter Lizenz verwendet und dürfen ohne die ausdrückliche schriftliche Zustimmung von MSCI ESG Research LLC nicht weiterverwendet, verteilt oder verbreitet werden.Aufsicht

Die Basler Kantonalbank unterliegt der Aufsicht durch die Eidg. Finanzmarktaufsicht (FINMA), Laupenstrasse 27, 3003 Bern.

Basler Kantonalbank, Postfach, 4002 Basel
Telefon 061 266 33 33, welcome@bkb.ch

Diese Angaben dienen ausschliesslich Werbezwecken. Die Basler Kantonalbank (BKB) übernimmt keine Gewähr für deren Richtigkeit, Aktualität und Vollständigkeit. Sie stellen weder ein Angebot oder eine Empfehlung dar, noch sind sie als Aufforderung zur Offertstellung zu verstehen. Bevor Sie Entscheidungen treffen, sollten Sie eine professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Die jederzeitige Änderung der Angebote bzw. Leistungen der BKB sowie die Anpassung von Preisen bleiben vorbehalten. Einzelne Produkte oder Dienstleistungen können rechtlichen Restriktionen unterworfen sein und sind daher u.U. nicht für alle Kunden bzw. Interessenten verfügbar. Die Verwendung von Inhalten dieser Broschüre durch Dritte, insbesondere in eigenen Publikationen, ist ohne vorgängige schriftliche Zustimmung der BKB nicht gestattet.