Immobilie als Erbvorbezug: Wenn Kinder zu Lebzeiten die Liegenschaft erhalten

Wer mit dem Gedanken spielt, die eigene Liegenschaft an seine Nachkommen noch zu Lebzeiten zu übertragen, ist gut beraten, das Wissen und den Rat von Expertinnen und Experten einzuholen. Bigna Gadola, Leiterin der Erbschaftsberatung bei der BKB weiss, dass die Veräusserung der Liegenschaft nicht zuletzt eine emotionale Angelegenheit ist.
Am 01.03.2023 in Rund ums Geld von Jessica Schön
Es ist in der Schweiz durchaus üblich, dass Eltern ihren Kindern zu Lebzeiten einen Teil ihres Vermögens übertragen. Sinnvoll ist ein solcher Erbvorbezug dann, wenn man bestimmte Teile seines Vermögens nicht mehr benötigt und diese dazu nutzen will, den Nachkommen finanziell unter die Arme zu greifen.

Gerade wenn die Nachwuchsplanung bei den eigenen Kindern in den Fokus rückt, kann die Frage nach der Übertragung von Liegenschaften Thema werden. Klar, dass beispielsweise bei mehreren Nachkommen aufgrund unterschiedlicher Lebensentwürfe und Interessen Konfliktpotential besteht. 

Erbvorbezug: Eine besondere Art der Schenkung

Als Schenkung gilt jede Zuwendung unter Lebenden, durch welche die beschenkte Person aus dem Vermögen eines anderen ohne Gegenleistung bereichert wird. «Der Erbvorbezug ist im Grunde genommen nichts anderes als eine Schenkung an jemanden, der oder die sowieso einmal erben wird», erklärt Bigna Gadola, Leiterin der Erbschaftsberatung bei der Basler Kantonalbank. Die Zuwendung wird also an einen Erbanwärter in Anrechnung an dessen Erbteil vollzogen.

Es ist gemeinhin umstritten, welche Leistungen der Eltern an ihre Kinder als Erbvorbezug gehandelt werden und wo dementsprechend Ausgleichspflichten geltend gemacht werden können. «Tatsächlich sind unsere Kundinnen und Kunden diesbezüglich immer wieder verunsichert. So gilt die finanzielle Unterstützung, die beispielsweise ausbildungsbedingt anfällt, nicht als Erbvorbezug; die Vermietung der eigenen Liegenschaft an die Nachkommen zu einem günstigeren Mietzins jedoch schon.» Eine schriftlich festgehaltene Regelung kann Problemen in späteren Erbszenarien vorbeugen.

«Wichtig ist», so Bigna Gadola, «dass die Pflichtteile der Erben nicht verletzt werden". Diese Pflichtteile sieht das schweizerische Erbrecht für Ehegatten und Nachkommen vor. Bei mehreren Nachkommen besteht bei der Verschenkung der Liegenschaft an eines der Kinder eine Ausgleichspflicht gegenüber den Geschwistern, da das Gesetz grundsätzlich davon ausgeht, dass Nachkommen gleichbehandelt werden sollen. Wege, um Ausgleichsmöglichkeiten oder andere Einigungen zu erzielen, gibt es viele. Diese müssten aber an die jeweilige Familienkonstellation, dem Verhältnis der Familienmitglieder untereinander sowie an die Vermögensverhältnisse angepasst werden. «Darüber hinaus gibt es auch steuerliche Aspekte, die es bei der Verschenkung von Liegenschaften zu beachten gibt», fügt Bigna Gadola hinzu.

Übertragung von Liegenschaften: mehrere Varianten möglich

Bei einer Schenkung wird in den meisten Kantonen eine Schenkungssteuer fällig. Diese bemisst sich nach dem Verwandtschaftsgrad von der schenkenden zur begünstigten Person und ist durch Letztere zu verrichten. Damit möchten die Kantone verhindern, dass die Erbschaftssteuer umgangen wird.

Von einer gemischten Schenkung spricht man, wenn die schenkende Partei den Erwerbspreis der Liegenschaft unter ihrem eigentlichen Wert an die begünstigte Person verkauft. Geschenkt wird in diesem Fall also die dadurch entstandene Differenz. Ferner liegt eine gemischte Schenkung auch dann vor, wenn die begünstigte Person der schenkenden ein Wohn- oder Nutzungsrecht einräumt. Insgesamt ermöglicht eine gemischte Schenkung eine Senkung des Wertes des veräusserten Vermögensgegenstandes, was sich wiederum günstig auf die Minderung des Steueranfalls auswirken kann.

Nutzniessungsrecht

Nutzniessungsrecht

Beim Nutzniessungsrecht erhält der Berechtigte die Möglichkeit, eine Liegenschaft selbst zu bewohnen, oder diese zu vermieten und dabei die Mieteinkünfte zu behalten. Zeitgleich hat der Nutzniesser für die Hypothekarzinsen, anfallenden Steuern, Abgaben und Versicherungsprämien aufzukommen. Ausserordentliche Kosten müssen nach wie vor von den Eigentümern erbracht werden.

Wohnrecht

Wohnrecht

Beim Wohnrecht darf die berechtigte Person eine Liegenschaft bewohnen. Wie bei einem Mietverhältnis trägt sie die Kosten des gewöhnlichen Unterhaltes, sowie die Neben- und Verbrauchskosten. Vermieten darf die berechtigte Person die Liegenschaft hingegen nicht. Wenn der Wohnrechtsnehmer auszieht, erlischt das Wohnrecht.

Psychologische Faktoren berücksichtigen

Auch das eigene Wohlergehen sollte man bei der Überlegung, die Liegenschaft zu verschenken, nicht aus den Augen verlieren: «Tatsächlich sind es meistens die Eltern, die mit dem Wunsch in die Beratung kommen, die Liegenschaft zu Lebzeiten an ihre Kinder zu übertragen.» Oftmals spielen emotionale Komponenten eine massgebliche Rolle.

«Ich rate ihnen diesbezüglich immer, erst einmal inne zu halten und an die eigenen Bedürfnisse zu denken: sind sie tatsächlich bereit, ein solch hohes Mass an Flexibilität aufzugeben? Selbst, wenn sie ein Wohn- oder Nutzniessungsrecht in der veräusserten Liegenschaft wahrnehmen – die Entscheidungsmacht haben sie sich durch eine Schenkung der Immobilie an die Kinder verspielt.»

Von der Idee, eine Schenkung vorzunehmen, um dem Verkauf der Liegenschaft im pflegebedürftigen Zustand zu entgehen, rät die Nachlassexpertin ab: «Die Annahme, dass die Liegenschaft mittels einer vorangegangenen Schenkung bei einem Pflegeheim-Eintritt automatisch in der Familie bleiben kann und damit vor dem Vermögensverzehr geschützt ist, ist nach wie vor gängig, aber irreführend. Das Vermögen verfällt durch diese Schenkung nicht etwa, sondern wird – beispielsweise bei der Berechnung vom Anspruch auf Ergänzungsleistungen – dazugerechnet. Eine Verjährungsfrist gibt es bei Schenkungen nicht.»

Gemeinsam zur bestmöglichsten Lösung

Auch die besten Familien sind, wenn es um das Thema Liegenschaften oder Vermögen geht, nicht vor Unstimmigkeiten gefreit. «Wir raten unseren Kundinnen und Kunden zur offenen Kommunikation mit den eigenen Kindern und Partnern», sagt Bigna Gadola.

Schliesslich bedarf die Übertragung der Liegenschaften an die Nachkommen einer Reihe grundsätzlicher Überlegungen. «Dabei spielen nicht nur erb- oder steuerrechtliche, sondern auch psychologische Faktoren eine Rolle». Das Team der Erbschaftsberatung weiss dank jahrelanger Expertise auf dem Gebiet der Nachlassplanung, was Menschen bewegt und dass individuelle Konstellationen und Situationen individuelle Lösungen fordern. «Bei dieser Lösungsfindung unterstützen wir Sie gern.»

Jessica Schön

Fachspezialistin Erbschaften

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