Sauber gemacht - mit Finanzinstrumenten CO2 aus der Atmosphäre entfernen

Eins stellt Hannes Junginger gleich zu Beginn klar: «Ich bin kein Träumer, aber ich träume von einer gesunden Erde.» Und lacht. Vor rund einem Jahr leitete er noch das Risk Management bei der BKB. Nun ist er Mitbegründer und CEO des Öko-Start-Up-Unternehmens Carbonfuture. Der Finanzprofi entwickelt Finanzinstrumente für Pflanzenkohle. Doch: Was heisst das?
Am 12.10.2021 in Von Basel. Für Basel.

Bislang bedeutete CO2-Kompensation, dass CO2-Emissionen mit Investitionen in Klimaprojekte ausgeglichen werden. Emissionen also vermieden werden. Carbonfuture geht einen anderen Weg: «Als Investor sorgen Sie direkt dafür, dass das CO2 aus der Atmosphäre entfernt wird.» Der Ertrag: die Reduzierung der Erderwärmung. «Jedes Zehntel Grad hilft», so der Finanzexperte.

Carbonfuture zertifiziert und finanziert Kohlenstoffsenken, die der Atmosphäre  CO2 entziehen und dauerhaft speichern. Und wie kommt’s, dass sich ein Mathematiker mit dieser Materie beschäftigt? «Umweltschutz war mir immer wichtig», sagt der 44-Jährige. Ein Grund, wieso der Finanzmathematiker auch viele Jahre bei der BKB tätig war: «Die BKB ist mit ihren nachhaltigen Zielen auf einem sehr guten Weg.»

 Zurück in die Erde statt in die Atmosphäre.
Hannes Junginger

Die Idee, sich mit Pflanzenkohle, der Basis für Kohlenstoffsenken zu beschäftigen, kommt ihm auf einem Bike-Ausflug mit seinem Nachbarn, einem Physiker, und späterem Gründungsmitglied von Carbonfuture. Die beiden unterhalten sich über Pflanzenkohle. Junginger ist begeistert. Der Gedanke, dass dieser Rohstoff mit der geeigneten Finanzierung viele Chancen bietet, lässt ihn nicht mehr los.

«Jetzt kann ich mutig werden!»

Rund zwei Jahre später ist das Unternehmen «fit for the market». Die Nachfrage steigt. Was weniger wird, sind die Stunden Schlaf des vielbeschäftigten CEO. Kann der Traum auch zu einem Albtraum werden? Schleicht sich ab und an auch Zukunftsangst ein? Junginger schüttelt den Kopf: «Schlaflose Nächte gibt es, aber letztendlich bin ich ein zuversichtlicher Mensch.» Dranbleiben, Fehlent-scheidungen aushalten und daraus lernen sowie eine gute Business-Case-Analyse seien eine gute Basis, Träume zu verwirklichen. Für Junginger war das Projekt zuerst ein Hobby neben dem Job bei der BKB. Experten aus Informatik, Wissenschaft und Hannes Junginger als Finanzmensch feilen über Monate hinweg an der Idee. Als das Konzept des Gründerteams im September 2019 auf der Pflanzenkohlekonferenz in Finnland begeistert aufgenommen wird, sei er plötzlich da gewesen, erzählt Hannes Junginger. Der goldene Moment, als klar wird: Das Projekt hat Flügel bekommen. «Da wusste ich: Jetzt kannst du mutig werden!»

Pflanzenkohle – der Super-Rohstoff 

«In erster Linie müssen wir umdenken, die Treibhausgase umkehren», sagt Junginger. Das Motto: «Zurück in die Erde statt in die Atmosphäre ». Möglich macht das eben die  Pflanzenkohle. Sie entsteht durch die Karbonisierung von Biomasse wie unbehandeltem Holz, Heckenoder Grünschnitt. Und sie ist ein echter Öko-Super-Rohstoff. Denn mit Pflanzenkohle versetzte Böden speichern und binden immense Mengen an CO2. Der Effekt: Der Kohlenstoff entweicht nicht mehr in die Atmosphäre. CO2 wird langfristig  reduziert und die Erderwärmung abgebremst. Eine Kohlenstoffsenke entsteht. «Die Bedeutung von Böden im CO2-Kreislauf ist viel wichtiger, als bisher angenommen», sagt Junginger. «Kohlenstoffsenken speichern mehr Kohlenstoff als Atmosphäre und Vegetation zusammen.»

Was sind Kohlenstoffsenken?

Ökosysteme, die grosse Mengen an Kohlenstoff binden, werden als Kohlenstoffsenken (auch Kohlenstoffdioxid- oder CO2-Senken) bezeichnet. Wälder, humusreiche Böden und fossile Kohlenstoffreservoire gelten als natürliche Kohlenstoffsenken. Wird Pflanzenkohle in Böden eingearbeitet, indem sie zum Beispiel mit Kompost vermischt wird, entstehen dadurch auch Kohlenstoffsenken, die CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und der Erderwärmung entgegenwirken. Da Pflanzenkohle zudem wassergelöste Nährstoffe bindet, kommt es im Stall und auf dem Feld zu viel weniger Lachgasund Methanemissionen.

Erderwärmung

Heute ist es auf der Erde im Schnitt 1,1 Grad wärmer als 1850. Wenn das so weitergeht, wird es bis Ende dieses Jahrhunderts laut Weltklimarat noch mal 2–3 Grad heisser. Die Folgen sind jetzt schon dramatisch: Polkappen schmelzen, der Meeresspiegel steigt und Unwetter und Dürren mehren sich. Antreiber dieser Entwicklung ist die Zunahme von CO2 in der Atmosphäre, welche die Abstrahlung der Wärme von der Erde ins Weltall bremst. Das Ziel ist es, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Hierzu muss aber mindestens so viel CO₂ gebunden und sicher gelagert werden, wie die Menschheit noch emittieren wird.

Mit Carbonfuture Credits reduzieren Investoren CO2

Carbonfuture zertifiziert und finanziert Kohlenstoffsenken, die der Atmosphäre CO2 entziehen und es dauerhaft speichern. Ein bei Carbonfuture gekauftes Climate Credit gleicht die Emission von 1 Tonne CO2 aus. Vergütet werden die Credits über eine Trading-Plattform für Biokohleproduzenten und Käufer von Pflanzenkohle wie Landwirte, die sie zum Beispiel als Kompost für die Felder oder als Tierfutterzusatz verwenden. Zudem können Anteile an Projekten, die Kohlenstoffsenken fördern, online gekauft werden. Der Nutzen für Investoren, die Anteile kaufen, ist kein klassischer Profit.

Text: Irena Ristic
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