Heute beginnt in der Schweiz auch die Kreditauszahlung im Rahmen des "Nationalen Förderprogramm KMU". Ich bin sehr stolz darauf, dass auch unser Konzern an diesem ausserordentlich schnell und effizient umgesetzten Programm teilnimmt. Es ist ein wichtiges und ermutigendes Beispiel dafür, dass wir uns der aktuellen Krise durch nachdenken und handeln wirksam entgegenstemmen können.
Auswege aus dem ökonomischen Stillstand
Ich möchte die heutige relative Ruhe an den Finanzmärkten nutzen, um einen Standpunkt zur Frage zu entwickeln, mit welcher Grundhaltung der Weg aus dem aktuellen ökonomischen Stillstand ("Lock-Down") beschritten werden könnte. Nach der weltweiten Ankündigung massiver Hilfspakete und der damit verbundenen notwendigen Neuverschuldung mehren sich in den letzten Tagen die Stimmen aus Presse und Politik, die sich fragen und oft bezweifeln, wie lange man die ökonomischen Kosten des "Lock-Down" tragen kann, ohne eine spätere rasche Erholung der Wirtschaft aufs Spiel setzen zu müssen.Es wird dabei mancherorts ein Dilemma skizziert, und zwar zwischen dem Schutz des Lebens, besonders jenes von exponierten Teilen der Bevölkerung, und den ökonomischen Kosten der Stilllegung von weiten Teilen der Wirtschaft.
Das Konzept der Herdenimmunität
Dabei wird oft das Konzept der Herdenimmunität aus der mathematischen Biologie verwendet. In den häufig verwendeten, einfachen Versionen dieses Modells, wird die Bevölkerung wie eine Schafherde modelliert. Es wird angenommen, dass die Individuen im Lichte der erkannten Bedrohung durch die Seuche unfähig sind, ihr Verhalten zu ändern. Dies mag für eine Schafherde gelten, trifft aber für Menschen offensichtlich nicht zu. Diese Familie von Modellen enthält einen zentralen Parameter, die sogenannte Basisreproduktionszahl, genannt R0 (R-Null). Dieser Parameter R0 hat bei der Corona-Pandemie einen geschätzten Wert von ungefähr drei.Unter den oben beschriebenen und für Menschen wenig zutreffenden Annahmen, kann die Ausbreitung der Seuche erst gestoppt werden, wenn ein genügend grosser Anteil der Schafherde geimpft oder durch eine überlebte Ansteckung immun geworden ist. Im Standardmodell ist dieser Anteil 1-1/R0, d.h. beim Corona Virus 100 % - 1/3 = 66.6 %. Diese, die Pandemie stoppende, kritische Durchseuchungsrate der Bevölkerung wurde sogar von Angela Merkel an einer Pressekonferenz, ohne weitere Qualifizierung, genannt.
Herdenimmunität: Bis zu 28'500 Opfer in der Schweiz
Man muss wirklich kein Mathematikgenie sein, um auszurechnen, dass selbst bei einer tief angenommenen Mortalität von 0.5 % ohne Impfstoff, ohne neue Medikamenteund ohne drastische und lang anhaltende Verhaltensänderung in etwa zwölf Monaten ein Anteil von 0.5 % von zwei Dritteln der Bevölkerung dem Coronavirus zum Opfer fallen würde. Dies vor allem in den bekannten Risikogruppen. In der Schweiz wären dies 28'500 Menschen, in den USA 1.1 Millionen Menschen. Dies ergibt sich aus dieser modellbasierten, aber wenig realistischen Überlegung, denn der Mensch kann sein Verhalten ändern.
Manche Regierungen verwenden das Konzept der Herdenimmunität als Ausrede, um bei einer vorgehaltenen, aber eigentlich auf Menschen nicht anwendbaren wissenschaftlichen Erkenntnis, keine stringenteren Schutzmassnahmen anwenden zu müssen.
Opfer für das Allgemeinwohl: Zynische Rechnung
Andere Stimmen verwenden das Konzept der Herdenimmunität in der Argumentation auch folgendermassen: Da man die wirtschaftlichen Kosten eines "lock-down" nicht länger als sechs bis neun Monate finanzieren könne und weil kein Impfstoff über diesen Zeitraum zu erwarten sei, müsse dieses menschliche Opfer erbracht werden, um grösseres Übel für die Mehrheit der Überlebenden zu vermeiden.Natürlich ist dies reiner Wahnsinn und ausserdem sehr zynisch. Im Gegensatz zum Schaf zeichnet sich der Mensch dadurch aus, dass er sich intelligent und flexibel an neue Situationen anpassen kann.
Alternativen zum radikalen Lock-Down
Die Frage, die sich stellt, ist: Welche intelligenten Alternativen zu einem radikalen "Lock Down" können umgesetzt werden, die zu einer ausreichenden Veränderung in der sozialen Interaktion führen? Dabei könnte die Technologie einen Beitrag zu einer Rückverfolgung von Infektionsketten beitragen. Aber auch der stärkere Schutz von Risikogruppen könnte helfen. Über viele weitere Aspekte wird jetzt nachgedacht.Ich denke, dass wir auch in der Schweiz bald intensiv darüber nachdenken werden, wie wir in einer nächsten Phase der Krise differenzierter mit dem Coronavirus umgehen können. Dabei bin ich überzeugt, dass sich ein Dilemma zwischen einem ökonomischen Opfer und einem menschlichen Opfer nicht stellt, wenn wir alle Möglichkeiten intelligent nutzen. In einer informierten und offenen Gesellschaft ist kein Platz für ein falsches "Herdenmodell", welches nur entschuldigt, dass man nicht entschlossen und kreativ genug mit dem Problem umgehen kann oder will.
Vertrauen in die Schweiz, Sorgen um die USA
Ich habe durchaus Vertrauen, dass das Schweizer BAG diesen Fragen gewachsen ist. Ich bin aber besorgt, dass in den USA und anderen Ländern derzeit ein solches artifizielles Dilemma mit potenziell katastrophalen Folgen gerade heraufbeschworen wird. Tragisch ist die Situation in Ländern, die gar nicht die Ressourcen haben, angemessen reagieren zu können.
Entwicklung an den Aktienmärkten
Am heutigen Mittwoch eröffnen die weltweiten Aktienmärkte negativ. Die europäischen Aktienmärkte liegen aktuell etwa 2 % im Minus. Der Schweizer SMI Index ist aktuell ebenfalls ca. 1 % im Minus. Auch für die US-Aktienmärkte wird heute eine moderat negative Eröffnung erwartet. US-Aktien verlieren seit Jahresanfang je nach Index (Dow Jones / Standard & Poors 500) aktuell etwa 24 bis 26 %, europäische Aktien etwa 27 %, Schweizer Aktien etwa 16 % und chinesische Aktien (CSI 300 Index) etwa 9 % (alle Zahlen per 26.3.020 ca. 12.30 Uhr, Verluste in CHF bewertet).
Angst ist kein guter Ratgeber
Wir raten an Aktienpositionen festzuhalten. Wir werden Sie dabei weiter laufend informieren. Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Dr. Sandro Merino
Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management
Erfahren Sie aus erster Hand die Einschätzungen unseres Chief Investment Officers, Dr. Sandro Merino, und überprüfen Sie Ihre Anlagestrategie mit Ihrer Kundenberaterin oder Ihrem Kundenberater.
Rechtliche Informationen
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