Drohende Zahlungsunfähigkeit: Zankapfel US-Schuldendach

Heutige Marktentwicklung

Den USA droht die Zahlungsunfähigkeit, die Verhandlungen über eine Anhebung der Schuldenobergrenze stocken. Anlagechef Sandro Merino blickt auf den Streit in der grössten Volkswirtschaft der Welt und die nächsten Schritte von Fed und EZB.

Am 22.05.2023 in CIO-Kommentar von Dr. Sandro Merino, Leiter Asset Management

Zankapfel US-Schuldendach

Es ist eine Besonderheit der US-Demokratie, dass das Parlament ausdrücklich über die Erhöhung eines Schuldendachs abstimmen muss. Es reicht also nicht, dass Staatsausgaben, die im Staatshaushalt vorgesehen sind, bloss parlamentarisch in einer Haushaltsdebatte abgesegnet sind: Es muss zusätzlich eine absolut gesetzte Schuldengrenze formell erhöht werden. Die Einführung dieser pauschalen Schuldengrenze geht auf das Jahr 1917 zurück. Davor musste das Parlament einzeln über jede neue Kreditaufnahme entscheiden. Seit den 1960er Jahren wurde diese Schuldengrenze bereits über 70 Mal erhöht.

Falls beide Parlamentskammern (Senat und Repräsentantenhaus) zur Regierungspartei zugehörige Mehrheiten vertreten, dann ist die Erhöhung des Schuldendachs eine reine Formalität. Wenn aber die Opposition mindestens eine der Kammern kontrolliert, dann kann die Erhöhung des Schuldendachst leicht zu einer politischen Machtprobe werden. Die Opposition kann ihre Zusage zur Erhöhung des Schuldendachs mit Forderungen zur Gestaltung von Ausgaben verknüpfen. Ungeliebte Regierungsprogramme können so von der Opposition durch Einflussnahme auf ihre Finanzierung gestoppt werden. Dabei wird oft hoch gepokert um in der Öffentlichkeit politischen Zuspruch zu gewinnen. Dies weil die Zahlungsfähigkeit der US-Regierung auf dem Spiel steht, falls das Schuldendach tatsächlich nicht erhöht werden sollte.
Der Extremfall einer US-Zahlungsunfähigkeit kam seit der Einführung des Schuldendachs in 1917 aber nie vor. Sehr hohe Wellen warf dieses politische Machtspiel letztmals 2011 unter der Präsidentschaft von Barack Obama. Der Streit um das Schuldendach führte im Sommer 2011 für die USA sogar erstmals zum Verlust ihres Standard & Poor's AAA Kreditratings. Die Probleme in der Eurozone verstärkten damals die negative Wahrnehmung der Staatsverschuldung zusätzlich und führten zu einem deutlichen Einbruch der globalen Aktienmärkte im August 2011.

Die Republikaner besitzen gegenwärtig eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, während die Demokraten im Senat eine knappe Mehrheit behaupten konnten. Die vom republikanischen Vertreter Schumer geführten jüngsten Gespräche mit US-Präsident Joe Biden deuten auf die Findung eines Kompromisses hin. Diese Woche könnten die Finanzmärkte durch die Weiterentwicklung dieser innenpolitischen Eskalation geprägt sein. Aktuell liegt die Schuldengrenze bei etwa 31'400 Milliarden oder 31.4 Billionen USD. Die Staatsverschuldung in Form von US-Schuldpapieren die national und international in öffentlichem Eigentum sind, beträgt etwa 24.6 Billionen USD. Unter das Schuldendach müssen aber auch Verpflichtungen des US-Schatzamtes an Sozialversicherungen und andere staatliche Institutionen einen Platz finden. Dies stellt eine zusätzliche US-Staatsverschuldung von fast 7 Billionen USD dar. In Relation zur Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandprodukt) beträgt die gesamte US-Staatsverschuldung per Ende 2022 rund 120%. Den bisherigen Höhepunkt erreichte die Verschuldung im Sommer 2020 mit über 134%.

Die hohe Inflation hat die nominale Wirtschaftsleistung seit 2020 erheblich ansteigen lassen, währenddessen die nominale Schuldensumme durch die Inflation unverändert blieb. Dieser Rückgang der Staatsverschuldungsquote um satte 14% in nur 2 Jahren wäre als nationales Sparprogramm politisch wohl komplett chancenlos gewesen. Die Inflation macht Austeritätspolitik dennoch möglich. Das dem berühmten Ökonomen Milton Friedman zugeschriebene Zitat "Inflation is taxation without legislation (Inflation ist Besteuerung ohne Gesetzgebung)" ist derzeit wohl zutreffend. Die kräftige Zunahme der US-Staatsverschuldung seit der Bankenkrise 2008/2009 findet mit der gegenwärtig starken Inflation also doch eine Gegenkraft.

US-Notenbank legt eine Pause ein – EZB weiter unter Druck

Mitte Juni wird die US-Notenbank bei ihrem planmässigen Zinsentscheid wohl eine Pause einlegen und die Zinsen vorerst bei 5.25% unverändert lassen. Nicht so die Europäische Zentralbank (EZB), die sich nach wie vor mit ausserordentlich starker Inflation von 7% konfrontiert sieht. Entsprechend wir erwartet, dass die EZB am 15. Juni den Leitzins (Refinanzierungssatz) erneut um 0.25% auf nunmehr 4% erhöhen wird. Schliesslich wird erwartet, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) am 22. Juni den Leitzins aktuell 1.5% auf 1.75% erhöhen wird.

Anlagestrategie: Aktien bleiben übergewichtet

In unserer Anlagestrategie halten wir an unsere taktische Übergewichtung von Aktien fest. In Zusammenhang mit der Erhöhung des US-Schuldendachst auftretende Schwankungen an den Aktienmärkten sind aber möglich. Die bisherige historische Erfahrung deutet darauf hin, dass diese innenpolitischen Hahnenkämpfe eher eine kurzlebige Auswirkung auf die Börsen haben.

Heutige Marktentwicklung

Der SMI-Index zeigt sich am heutigen Montag wenig verändert. Auch der deutsche DAX-Index bewegt sich seitwärts. Für die US-Aktienbörsen signalisieren die Futures für heute ebenfalls wenig Kursbewegungen.  (Stand 12:00 Uhr, 22.5.2023, Basel Zeit)

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