Die US-Notenbank strafft ihre Geldpolitik im Kampf mit der rekordhohen Inflation: Am 4. Mai hob sie die USD-Leitzinsen von 0.5% auf 1% an. Die Reaktion der Märkte war aussergewöhnlich. Aktuelles zu Börsen und Märkten erfahren Sie jetzt von Anlagechef Dr. Sandro Merino.
Zinsschritt der US-Notenbank mit Folgen
Am Mittwoch, 4. Mai, hat die US-Notenbank Fed die Leitzinsen für den USD von 0,5 % auf 1 % angehoben. Die Folgen für den Aktienmarkt waren recht spektakulär. Zunächst feierten die Märkte den Zinsentscheid am Mittwoch mit einem unerwarteten Kurssprung bei US-Aktien von fast 3 % (S&P 500 Index). Am darauffolgenden Donnerstag brach der US-Aktienmarkt wieder um über 4 % ein. Experten zerbrechen sich nun den Kopf, um Erklärungen für dieses manisch-depressive Verhalten der US-Aktienbörsen zu finden. Wie immer finden sich im Nachhinein sehr plausibel tönende Erklärungen. Erwartet war dieses wilde Auf und Ab allerdings nicht – auch von uns nicht.
Die US-Notenbank hat ihre geldpolitische Ausrichtung deutlich gestrafft, um die rekordhohe Inflation in den Griff zu bekommen. Die Zuckungen am Aktienmarkt zeigen, dass im Markt doch Zweifel bleiben, ob die beabsichtigte Anhebung der USD-Leitzinsen auf gut 3 % die Inflation erfolgreich eindämmen werden. Ausserdem wäre wenig gewonnen, falls die Inflationskontrolle nur zum Preis einer US-Rezession gelingen würde. Die Dramatik an den Aktienmärkten drückt also, wie das häufig der Fall ist, die Unsicherheit über das Gelingen der geldpolitischen Massnahmen aus. Die längerfristigen Inflationserwartungen sind derzeit, trotz gegenwärtig hoher Inflation, noch auf tiefem Niveau verankert (etwa 2,5 %). Sollte sich dieser Anker jedoch losreissen, was durch deutlich steigende langfristige Zinsen angezeigt würde, dann wäre die US-Notenbank wohl in Rücklage und müsste die Zinsen kräftiger anheben. Hält dieser Anker aber und fallen die langfristigen Zinsen sogar wieder, dann würde dies als Signal einer bevorstehenden US-Rezession gedeutet. Man erkennt also die heikle Aufgabe der US-Notenbank. Bremst sie das Schiff zu wenig, dann reisst sich der Anker los. Bremst sie zu stark, dann löst sie eine Rezession in der US-Wirtschaft aus. Die Aktienmärkte beobachten dieses Manöver vom Deck aus und sind mal sehr besorgt, mal plötzlich wieder bester Laune. Der erfahrene Investor weiss aber, dass man in solchen Phasen dennoch Ruhe bewahren sollte. Trotz Krieg in Europa, hoher Inflation und der Gefahr des Scheiterns von Chinas radikaler Pandemie-Strategie bleiben viele Signale weiter positiv. Die rekordtiefe Arbeitslosigkeit in den USA und in Europa, die robuste Konjunktur und die robusten Unternehmensgewinne deuten nicht auf eine unmittelbar bevorstehende US-Rezession hin.
EU Öl-Embargo gegen Russland
Der russische Angriffskrieg geht mit unverminderter Intensität weiter und es ist absehbar, dass der russische Feiertag am 9. Mai, am «Tag des Sieges», wenig Chancen für einen Waffenstillstand oder gar für ein Ende des Krieges bieten wird. Nebst den bereits geltenden umfangreichen Sanktionen gegen Russland erarbeitet die EU auch ein komplettes Öl-Embargo. Allerdings werden längere Übergangsfristen gelten, insbesondere für Ungarn und die Slowakei. Das Überraschungsmoment gegen Russland ist gering und es bleibt genug Zeit, um sein Öl, allenfalls zu einem tieferen Preis, an andere Länder zu verkaufen. Die mittelfristige Perspektive für die russische Wirtschaft ist aber ausgesprochen düster. Viele Experten erwarten, dass die russische Wirtschaftsleistung bis Ende 2023 um etwa ein Achtel kleiner sein wird als noch vor dem Krieg.
Rede Putins am «Tag des Sieges»
Auch der heutige russische Feiertag, der «Tag des Sieges», hat wie erwartet keine Chance für einen Waffenstillstand oder gar für ein Ende des Krieges geboten. In seiner heutigen Rede auf dem roten Platz hat Vladimir Putin direkte parallelen zwischen den enormen Opfern, die das russische Volk und die rote Armee im zweiten Weltkrieg erbracht haben und dem Konflikt in der Ukraine gezogen. Putin verteidigt den Überfall auf die Ukraine mit der steigenden faschistischen Bedrohung gegen Russland, die in seiner Darstellung in der Ukraine entstanden war.
Auch der Nato weist Putin erneut die Schuld am Krieg in der Ukraine zu und betont, dass er im Vorfeld des Konfliktes Vorschläge zur friedlichen Lösung der Differenzen vorgelegt habe. In einer Schweigeminute wurde der Gefallenen und Verwundeten in der "Operation" gegen die Ukraine gedacht. Dieses implizite Eingeständnis, dass es in der Ukraine Verluste gegeben hat, deutet darauf hin, dass die hohe Zahl gefallener russischer Soldaten für Putin innenpolitisch zu einem Problem werden könnte.
Putins Rede enthielt insgesamt keine wesentlichen neuen Elemente. Die Ankündigung einer umfangreicheren Mobilmachung in Russland oder gar eine Kriegserklärung blieb aus. Vielmehr beschwört Putin mit viel Pathos das russische Volk, ihn bei der Verteidigung Russlands gegen die Faschisten in der Ukraine zu unterstützen. Es ist auch aufgefallen und war unerwartet, dass Putin keine Beispiele für militärische Erfolge seines aktuellen Feldzuges erwähnt hat. Dies wohl auch deswegen, weil es keine symbolisch verwertbaren Beispiele solcher militärischer Erfolge gibt. Im Gegenteil, offenbar ist es der ukrainischen Armee in den letzten Tagen vorerst gelungen, den russischen Angriff auf die zweitgrösste ukrainische Stadt Charkiw zurückzuschlagen. Trotz viel Pathos muss es Putin mehr und mehr klar werden, dass seine Militäroperation bisher ein katastrophaler Misserfolg war.
Dass heute der patriotische und aufopferungsreiche Sieg der roten Armee im zweiten Weltkrieg mit einer gescheiterten Militäroperation in der Ukraine direkt in Verbindung gebracht wurde, könnte sich als Fehler herausstellen. Das Andenken an den zweiten Weltkrieg ist derart tief im historischen Bewusstsein Russlands verankert, dass dessen propagandistische Vermengung mit einem eklatant gescheiterten und brutalen Angriffskrieg auf einen Nachbarn kaum nachhaltig miteinander vereinbar sein wird. Falls das russische Volk feststellen wird, dass Putin das Andenken an den zweiten Weltkrieg mit seiner Darstellung belastet, dann könnte er in Ungnade fallen. Putins leichtfertiges und opportunistisches Spiel mit den tiefen Verletzungen der russischen Seele ist zweischneidig.
Anlagestrategie in volatilem Marktumfeld
Sowohl der Zinsanstieg als auch die Kursverluste bei Aktien haben in den ersten vier Monaten für moderate Verluste in all unseren Anlagestrategien gesorgt. Über alle unsere Anlagelösungen bewegen sich die Verluste 2022 per 30. April im Bereich von 5 % bis 6 % und zwar unabhängig von der gewählten Strategie: Einkommen, Ausgewogen oder Wachstum. Der Grund dafür, dass alle Strategien in den ersten vier Monate ähnliche Ergebnisse erzielt haben, ist, dass entweder die Kursverluste bei Obligationen ausschlaggebend waren, oder aber, dass die höhere Aktiengewichtung insgesamt zu sehr ähnlichen Ergebnissen geführt hat. Wir konnten durch verschiedene präventive Massnahmen die Verluste zumindest dämpfen: Wahl kürzerer Laufzeiten bei Anleihen, Verkauf sämtlicher Obligationen aus Schwellenländern (insbesondere russische Anleihen) noch vor Kriegsausbruch. Dort, wo die gewählte Anlagestrategie die zuliess, wurden ausserdem alternative Anlagen in moderater Gewichtung beigemischt (Gold und liquide Futures-Strategien). Die Verluste liegen derzeit bei allen Strategien weiterhin im Rahmen der zu erwartenden Schwankungsbreiten. Für weitere Informationen, insbesondere für einen Vergleich mit den Renditen, welche Konkurrenzprodukte in diesem Jahr erzielt haben, stehen Ihnen unsere Kundenberaterinnen und Kundenberater gerne zur Verfügung.
Dr. Sandro Merino
Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management
Erfahren Sie aus erster Hand die Einschätzungen unseres Chief Investment Officers, Dr. Sandro Merino, und überprüfen Sie Ihre Anlagestrategie mit Ihrer Kundenberaterin oder Ihrem Kundenberater.