Erste Pandemie-Welle ebbt in Europa ab – keine Entwarnung von Finanzmärkten

Trotz Rückgang der ersten Pandemie-Welle in Europa bleiben die Finanzmärkte kritisch. Auf dem Kontinent haben nun die Ausweitung der Tests und die Rückverfolgung der Infektionsketten oberste Priorität - «track and trace» anstatt «Lockdown». In der Schweiz wurden drei Prozent der Bevölkerung getestet. Von Herdenimmunität sind wir noch weit entfernt. Das Update von Chief Investment Officer Dr. Sandro Merino.
Am 04.05.2020 in CIO-Kommentar von Dr. Sandro Merino
Nach den Verlusten am US-Aktienmarkt am letzten Freitagabend eröffnen heute auch die europäischen Aktienmärkte signifikant tiefer. Die epidemiologische Situation in vielen Ländern Europas hat sich in den letzten Wochen wesentlich verbessert. Das Briefing des BAG zu den Fallzahlen und Testzahlen in der Schweiz per gestern 8:00 Uhr finden Sie hier.

Wohin geht es in Europa?

Die Situation in Europa kann nicht mehr mit der weiterhin sehr kritischen Situation in den USA verglichen werden, dennoch bleibt die weitere Entwicklung der Pandemie auch für Europa sehr ungewiss. Naiver Optimismus ist entsprechend fehl am Platz und auch für die Wirtschaft äusserst riskant. Die Finanzmärkte scheinen heute darauf hinzuweisen. Die Finanzmärkte sehen in der Möglichkeit einer zweiten pandemischen Welle und in der oft lückenhaften realen Auszahlung von eigentlich versprochenen Finanzhilfen aktuell die grössten Risiken.

"Track and Trace" statt "Lockdown"

Was die Epidemie betrifft, steht in Europa im Mai die Ausweitung der Tests und die systematische Rückverfolgung der Infektionsketten ganz oben auf der Agenda. Nach "Lockdown" wird "Track and Trace" zum zentralen Begriff. Die vieldiskutierten Apps für die individuelle Schätzung des Infektionsrisikos werden in einigen europäischen Ländern schon bald eingeführt. Der Stuhl des britischen Gesundheitsministers Matt Hancock wackelte schon heftig, weil es ihm nicht rasch gelungen war, die Anzahl täglich durchgeführter Tests in Richtung von 100'000 Tests pro Tag zu bringen. Am Freitag konnte Hancock aber verkünden, dass das Ziel sogar deutlich übertroffen wurde. Mittels 50 landesweiter "drive-through" Test-Zentren und dank mobiler Einheiten für "home-testing" gewinnt auch im Vereinigten Königreich dieser Aspekt der Bekämpfung der Pandemie an Fahrt.

Die Frage nach einer sinnvollen Strategie was die Anzahl Tests betrifft, um das "Track and Trace" überhaupt zu ermöglichen, ist aber komplex. Entsprechend werden viele Vergleiche über die Testaktivität in verschiedenen Ländern gemacht, die nicht zulässig sind.

Schweiz: Bisher 3% der Bevölkerung getestet

Gemäss BAG wurden in der Schweiz aufgrund von 280'220 insgesamt durchgeführten Tests etwa 13% davon mit positivem Befund ermittelt. Da Personen mehrmals getestet wurden, ergeben sich aus diesen 13% positiver Testergebnisse nicht direkt die ca. 29'900 bestätigten Infektionsfälle bei Personen. Nimmt man für die Bevölkerung der Schweiz die Zahl von etwa 8.6 Millionen an, dann wurden also etwa 3% der Bevölkerung bisher mindestens einmal getestet. Daraus zu schliessen, dass eine zufällige Stichprobe in den Schweiz ebenfalls zu 13% Fällen führen würde, ist aber nicht zulässig und eher unwahrscheinlich, da die durchgeführten Tests häufig für besonders exponierte Personen, beispielsweise in Spitälern durchgeführt wurden. Die bisherige "Stichprobe" war also alles andere als zufällig.

Neue Einsichten werden spezifischere Antikörpertests bringen, so wie jener, der auch von Roche in dieser Woche weltweit vorgestellt wird. Daraus kann ermittelt werden, wie viele Menschen bereits mit dem Coronavirus in Kontakt gekommen sind. Es wäre es aber eine grosse Überraschung, falls das Coronavirus unbemerkt schon weit verbreitet worden wäre, mit vielen Infizierten, die Asymptomatisch geblieben sind. Auch die Frage, wie häufig und wie lange die Immunität durch das Vorhandensein von Antikörpern angenommen werden kann, ist derzeit noch offen.

Keine Herdenimmunität in Sicht

Mit der guten Nachricht einer Herdenimmunität darf somit aus unserer Sicht kaum gerechnet werden. Dafür müssten Grössenordnung 60% der Bevölkerung eine anhaltende Immunität entwickelt haben. Die bereits angestossene öffentliche Diskussion über Immunitätspässe könnte an der tatsächlichen Lage also komplett vorbeizielen. Die nächsten Wochen werden aber auf jeden Fall mehr gesicherte Informationen zur tatsächlichen Ausbreitung des Virus bringen.

Somit scheint das Geschehen an den Aktienmärkten sowohl die schwierige Situation in den USA als auch die Frage, welche Auswirkungen die Lockerungen haben werden, kritisch zu beurteilen.

Entwicklung an den Aktienmärkten

Am heutigen Montag eröffnen die weltweiten Aktienmärkte mit deutlichen Verlusten. Die europäischen Aktienmärkte sind etwa 3.75% im Minus. Der Schweizer SMI-Index ist aktuell ebenfalls etwa 2.25% im Minus. Für die US-Aktienmärkte wird heute nach den Verlusten vom Freitag nochmals eine negative Eröffnung von ca. 1% erwartet. US-Aktien verlieren seit Jahresanfang je nach Index (Dow Jones / Standard % Poors 500) aktuell etwa 13% bis 17%, europäische Aktien etwa 25%, Schweizer Aktien etwa 11% und chinesische Aktien (CSI 300 Index) etwa 5 % (alle Zahlen per 4.5.2020 ca. 12:00, Basel Zeit, Markbewegungen seit Jahresanfang in CHF bewertet).

Obwohl wir die Einschätzung teilen, dass wir uns für die Anlagestrategie in einer sehr ungewissen und risikoreichen Phase befinden, stützt der Ausblick auf weiterhin extrem tiefe Zinsen und sehr tiefe Inflation mittelfristig den Ausblick für Aktien. Wir verharren somit bei unserer taktisch neutralen Gewichtung von Aktien bei der strategischen Quote der jeweiligen Anlagestrategie.

Angst ist kein guter Ratgeber

Wir wiederholen an dieser Stelle, dass Angst in diesem Umfeld kein guter Ratgeber ist. Wir haben uns sehr früh mit den Folgen einer Pandemie beschäftigt und können einen entsprechenden Notfallplan jetzt einsetzen. So wurden in den vergangenen Wochen zahlreiche mobile Arbeitsplätze vorbereitet. Alle unserer wichtigen Funktionen in der Vermögensverwaltung sind (mindestens) doppelt besetzt; die Kollegen arbeiten an verschiedenen Bürostandorten oder von zu Hause aus. In den Büros gelten besondere Hygienevorschriften. Geschäftsreisen wurden streng reglementiert, Präsenztermine sind durch Video- und Telefonkonferenzen ersetzt. All das sichert einen reibungslosen Arbeitsablauf – und begrenzt mögliche Infektionsrisiken für die Kolleginnen und Kollegen sowie deren Familien.

Wir raten an Aktienpositionen festzuhalten. Wir werden Sie dabei weiter laufend informieren. Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Dr. Sandro Merino

Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management

Erfahren Sie aus erster Hand die Einschätzungen unseres Chief Investment Officers, Dr. Sandro Merino, und überprüfen Sie Ihre Anlagestrategie mit Ihrer Kundenberaterin oder Ihrem Kundenberater.

Rechtliche Informationen

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