Die weltweit notwendig gewordenen Quarantäne- und «physical distancing»-Einschränkungen haben auch massive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Aktivität. Gemäss erster offizieller Schätzungen verschiedener nationaler Institute wird im laufenden Jahr die Wirtschaftsleistung für Länder wie die USA, Deutschland, Italien oder Spanien im Bereich von 3 % bis 8 % einbrechen. Diese Zahlen gelten für Basisszenarien, in welchen ab der zweiten Jahreshälfte eine zunehmend kräftige Erholung angenommen wird. Wir können an dieser Stelle nicht auf die Details und die Unsicherheiten bei diesen ersten Prognosen eingehen. Es ist aber klar, dass der zu erwartende globale wirtschaftliche Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellos ist. Die Frage, wie lange die aktuellen Beschränkungen die Wirtschaft bremsen werden, ist aktuell nur sehr schwer zu beantworten. Dies beeinflusst natürlich die Prognosen zur künftigen wirtschaftlichen Entwicklung sehr stark. Aktuell gehen die Basisszenarien meist davon aus, dass die wirtschaftliche Erholung in etwa zwei bis vier Monaten beginnen wird.
Hilfsprogramme stabilisieren die Finanzmärkte
Historisch beispiellos ist auch das Ausmass der weltweit beschlossenen wirtschaftlichen Hilfsprogramme. Die wichtigsten Zentralbanken haben weltweit ein Bündel an Massnahmen umgesetzt: Zinsen wurden gesenkt, Käufe von Staatsanleihen wurden erheblich ausgeweitet und die Liquiditätszufuhr in das Finanzsystem intensiviert. Aus Mitteln des Staatshaushalts (Steuermittel) wurden in vielen Ländern, insbesondere auch in der Schweiz, Garantien und Bürgschaften gewährt, damit rasch Kredite an Unternehmen vergeben werden können. Ausserdem werden Mittel für die Finanzierung von Kurzarbeit und Arbeitslosenversicherungen aufgestockt. In manchen Ländern, beispielsweise in den USA und in Italien, werden (bescheidene) pauschale staatliche Auszahlungen an private Haushalte vorgenommen. Wir schätzen, dass dieser weltweite fiskalische Impuls von mehreren Billionen USD einen Umfang von knapp 3 % der globalen Wirtschaftsleistung hat. Die Finanzmärkte und das globale Finanzsystem haben bisher trotz empfindlicher Kursverluste ohne Panik auf die Krisensituation reagiert. Dazu haben die rasch eingeleiteten Massnahmen von Regierungen und Zentralbanken wesentlich beigetragen. Die Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008/09 und der Eurokrise haben dabei wesentlich zur heutigen Verfügbarkeit vieler damals eingeführter Instrumente beigetragen. Die bisher beschlossenen Massnahmen könnten, trotz des massiven Ausmasses, nach wie vor zu klein sein, um ein deutliches Einbrechen der Weltwirtschaft und der globalen Nachfrage zu verhindern. Diese Krise prüft somit die Fähigkeit der globalen Staatengemeinschaft nicht nur gesundheitlich, sondern auch wirtschaftlich angemessen zu reagieren in bisher nicht gekanntem Ausmass. Die Reaktionen auf die wirtschaftlichen Folgen dieser Krise waren bisher vor allem durch Entscheide auf nationaler Ebene geprägt. In einer zweiten Phase könnte der Ruf nach stärkerer internationaler Kooperation in Anbetracht des Ausmasses der Probleme stärker werden und auch mehr Gehör finden. Eine alleinige Stützung der Binnenwirtschaft von wirtschaftlich starken Ländern reicht möglicherweise nicht aus, wenn die Nachfrage global insgesamt zu stark einbricht. Die Diskussionen in der EU zur Einführung von Eurobonds scheinen eine Kompromisslösung zu erlauben, in welcher Gelder für Lohnfortzahlungen gemeinschaftlich finanziert werden.
Normalisierungsstrategie noch ungewiss
Eine Normalisierungsstrategie für europäische Länder muss eine Vielzahl von flankierenden Massnahmen vorsehen, bevor eine deutliche Lockerung des «lockdown» verantwortet werden kann. Solche flankierenden Massnahmen müssten einerseits den Schutz der besonders exponierten Risikogruppen gewährleisten, andererseits alle verfügbaren Mittel konsequent einsetzen, um die Infektionsausbreitung auch in einem teilweise normalisierten Alltag signifikant zu reduzieren. Breiter verfügbare Tests, eine technologisch unterstützte Möglichkeit zur Rückverfolgung von Infektionsketten, der Einsatz von Schutzmasken im öffentlichen Verkehr, die Beibehaltung von Home-Office-Arbeit wo immer sinnvoll sind nur wenige Beispiele der möglichen Massnahmen, die in einer Normalisierungsstrategie sorgfältig geprüft werden müssen. Der Beginn der Umsetzung einer solchen Strategie ist in Europa aber kaum vor Ende April denkbar.
Dr. Sandro Merino
Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management
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