Investment Letter 08/23

- Wo bleibt der geldpolitische Konjunkturschock?
- Preisstabilität in der Schweiz schon erreicht?
- Anlagestrategie: Aktienübergewicht beibehalten

Der Zustand der US-Wirtschaft überrascht positiv. Gelingt es der US-Fed, die Preisstabilität wiederherzustellen und die Leitzinsen zu senken, bevor sie zu einer Belastung werden? Chief Investment Officer Sandro Merino beleuchtet dieses und weitere Wirtschaftsthemen in der August-Ausgabe des Investment Letters.
Am 11.08.2023 in Investment Letter von Dr. Sandro Merino

Wo bleibt der geldpolitische Konjunkturschock?

Die US-Notenbank hat am 26. Juli die Zinsen vermutlich ein, vorerst, letztes Mal um ein Viertelprozent erhöht. Der Leitzins für den USD liegt nun bei stattlichen 5,5 %. Dies bei einer Inflation, die für den Monat Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat bei «nur» noch 3,2 % liegt. Trotz dieser rasanten Kadenz von Zinserhöhungen bleibt die US-Wirtschaft entgegen vieler düsterer Prognosen erstaunlich vital. Die jüngsten Konjunkturdaten sind nicht berauschend gut und die Wachstumserwartungen sind gering, dennoch verharrt die US-Arbeitslosenrate mit rund 3,5 %hartnäckig auf einem Rekordtief. Dies stützt den privaten Konsum und auch der US-Dienstleistungssektor hält sich weiterhin auf expansivem Niveau. Der Zustand der US-Wirtschaft überrascht positiv, insbesondere wenn man bedenkt, wie noch vor zwei Jahren eine Straffung der Geldpolitik um gut 5 % in ihren Auswirkungen auf die Wirtschaft durch die Finanzmärkte eingeordnet worden wäre. Die Aktienmärkte haben tatsächlich im Jahr 2022 das damals schon drohende Zinsgewitter mit heftigen Verlusten von über 15 % antizipiert. In diesem Jahr überwiegt aber bisher schönes Wetter an den Aktienmärkten. Entsprechend konnten 2023 bei Aktien die Verluste aus dem Vorjahr signifikant, wenn auch nur teilweise, aufgeholt werden. Dass sich die gesamtwirtschaftliche Lage besser als befürchtet darstellt, kann aber auch damit zusammenhängen, dass die Kosten höherer Zinsen noch kaum bei Unternehmen und Haushalten angekommen sind. Wer in der Tiefzinsphase vorgesorgt hat und lange Zinsbindungen für seine Hypotheken und Unternehmensdarlehen gewählt hat, kann noch einige Jahre von rekordtiefe Zinsen profitieren. Ausserdem werden auf Guthaben inzwischen auch Zinsen ausbezahlt. Insgesamt bedeutet dies, dass die Nettozinsbelastung, trotz Zinsschock, für viele vorerst sogar gefallen ist. Unweigerlich nagt aber der Zahn der Zeit an dieser komfortablen Situation. Bei Fälligkeit des Kredites oder der Hypothek muss nicht selten um ein Vielfaches teurer neu finanziert werden. Somit darf die derzeit, im Vergleich zu den Befürchtungen, freundliche Wetterlage nicht dazu verführen, die Risiken, die sich bei der längerfristigen Anwendung höherer Zinsen ergeben, zu übersehen. Ein mögliches positives Szenario wäre, dass es den Zentralbanken gelingt, die Preisstabilität wiederherzustellen, um im Anschluss die Leitzinsen wieder senken zu können, bevor die höhere Zinslast Unternehmen, private Haushalte und auch Staatshaushalte gewichtig belasten. Nennen Sie mich zu optimistisch, aber es macht den Eindruck, als könnte dies den Zentralbanken, insbesondere der US-Fed, sogar gelingen.

Anlagetechnisch sollte man jedes gute Wetter zu nutzen suchen, was unsere seit dem 10. Oktober 2022 gehaltene Übergewichtung von Aktien erklärt. Seither hat sich der Schweizer Aktienindex SPI um immerhin etwa 12 % erholt. Damit liegt er aktuell aber immer noch etwa 10 % unter dem letzten Allzeithoch vom Januar 2022.

Preisstabilität in der Schweiz schon erreicht?

Was für die USA oben exemplarisch dargestellt wurde, gilt auch für die Schweiz, wenn auch mit deutlich weniger heftigen Zinsanpassungen und moderater Inflation. Mit einer Inflation, die in der Schweiz für den Monat Juli mit 1,6 % deutlich unter der Preisstabilitätsgrenze von 2 % liegt, scheint die Schweizerische Nationalbank SNB das Ziel der Preisstabilität vordergründig schon erreicht zu haben. Im Warenkorb zur Messung der Teuerung sind Mietausgaben ein grosser Brocken, sodass eine weitere Anhebung der Zinsen und deren Weitergabe über Mietzinserhöhungen eine unerwünschte Rückkopplungsschlaufe erzeugen könnte. Ob bei einer jüngst etwas kühleren Schweizer Konjunktur die SNB die Zinsen am 21. September erneut um 0,25 % auf 2 % anheben wird, erscheint gegenwärtig unsicher. Aber so oder so scheint in der Schweizer Zinslandschaft der Gipfel in der Nähe von 2 % Leitzinsen erreicht worden zu sein.

Anlagestrategie: Aktienübergewicht beibehalten

Wir gehen zwar weiterhin von einer schwachen Konjunkturentwicklung aus, rechnen aber nicht mit einer ausgeprägten Rezession. Sinkende Inflation und die Perspektive auf mittelfristig wieder fallende Leitzinsen dürften den Aktienmärkten Unterstützung geben. Nach dem Rückgang der Unternehmensgewinne, der auch für den Anstieg der Bewertungen in der letzten Zeit mitverantwortlich ist, wird für die kommenden Quartale wieder mit steigenden Gewinnen gerechnet. Wir bleiben bei Aktien übergewichtet.

USA: BIP wächst stärker als erwartet

Während zu Beginn des Jahres für das 2. Quartal 2023 die Prognosen noch eine negative Wachstumsrate des BIP erwarten liessen, weist die nun veröffentlichte erste Schätzung eine Zunahme um 2,4 % (QoQ, annualisiert) aus. Eine wichtige Stütze bleibt der private Verbrauch, der gemäss der ersten Schätzung um 1,6 % zulegte und gut 70 % der US-Wirtschaftsleistung ausmacht. Positiv ist deshalb, dass die Konsumentenstimmung zuletzt erneut gestiegen ist. Neben der Einschätzung der aktuellen Lage hat auch die Erwartungskomponente weiter zugelegt (Abb. 1). Für die kommenden Quartale gehen Marktteilnehmer trotzdem weiter von einer schwachen Konjunkturdynamik aus. Dabei mehren sich die Stimmen, die ein Softlanding der US-Wirtschaft für möglich halten. Trotz der restriktiven Geldpolitik des US-Fed zeigt sich der US-Arbeitsmarkt erstaunlich stabil und die Investitionen haben entgegen früherer Erwartungen im 2. Quartal zugelegt. Die Chancen stehen somit gar nicht schlecht, dass die Inflationsbekämpfung

Abb. 1: USA –Konsumentenstimmung

Eurozone: Stimmung in der Industrie bleibt schlecht

Ob in Deutschland oder in der Eurozone insgesamt, die Stimmung unter den Industrieunternehmen hat sich weiter eingetrübt. Das Schlusslicht bildet dabei gemäss den Einkaufsmanagerindizes von Markit die deutsche Volkswirtschaft. Mit knapp 39 Punkten liegt der Indikator deutlich im kontraktiven Bereich. Der deutsche ifo-Index bestätigt dieses Bild. Auch er hat weiter nachgegeben (Abb. 2). Der Indikator für das Bauhauptgewerbe ist gar auf den tiefsten Stand seit Februar 2010 gesunken. Hohe Preise und Hypo-Zinsen hinterlassen ihre Spuren. Grund zur Hoffnung bietet dagegen nach wie vor der Arbeitsmarkt. Dieser erweist sich weiter als sehr stabil und auch die Konsumentenstimmung in der Eurozone ist erneut gestiegen (Abb. 2).

Abb. 2: Eurozone - deutscher ifo-Index, Quelle: BKB, Bloomberg

Schweiz: Konsumentenstimmung leicht verbessert

Nachdem das KOF-Konjunkturbarometer drei Monate in Folge gesunken ist, konnte es im Juli wieder etwas zulegen. Es liegt aber weiterhin unter dem Durchschnitt der letzten 20 Jahre (Abb. 3) und signalisiert damit eine schwache Konjunkturentwicklung. Überraschend deutlich sind die Schweizer Einkaufsmanagerindizes gesunken, wo der Wert für die Industrie mit 38.5 Punkten zuletzt im Jahr 2009 derart niedrig war. Dagegen hat sich die Konsumentenstimmung gemäss SECO weiter verbessert. Insbesondere wird die erwartete Wirtschaftsentwicklung von den Befragten besser eingeschätzt als im historischen Durchschnitt.

Abb. 3: Schweiz – KOF-Konjunkturbarometer, Quelle: BKB, Bloomberg

Zentralbanken erhöhen weiter

War die US-Notenbank (Fed) im Juni in ihrer Zinsentscheidung noch abwartend, hat sie nun in ihrer Juli Sitzung trotz einer sich abkühlenden Inflation abermals den Leitzins um 0,25 % angehoben. Dies war die elfte Erhöhung binnen 16 Monaten. Er liegt damit nun in der Spanne von 5,25 % bis 5,5 %. Dies ist der höchste Stand in 22 Jahren. Die US-Notenbank begründet diesen Schritt mit einer weiterhin erhöhten Inflation und einer stabilen Wirtschaftsentwicklung, die einen robusten Arbeitsmarkt birgt. Da es laut Medienberichten innerhalb des US-Notenbankrates unterschiedliche Meinungen über den künftigen Kurs der Notenbank gibt, spekulieren die Marktteilnehmer inzwischen vermehrt auf ein nahendes Ende der Zinserhöhungen. Der nächste geldpolitische Entscheid des Fed steht am 20. September an.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat in ihrer Juli-Sitzung entschieden, den Leitzins um 25 Basispunkte auf neu 4,25 % anzuheben. Dies war der neunte Zinsschritt binnen eines Jahres. Damit liegt der Leitzins nun genauso hoch wie zu Beginn der weltweiten Finanzkrise Anfang Oktober 2008. Die Kerninflation hat laut EZB wohl den Höhepunkt überschritten. Allerdings liegen die Zahlen noch deutlich über dem Niveau von vor 2022. Die nächste EZB-Zinssitzung steht am 14.September an. Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat ihre Geldpolitik zuletzt im Juni ebenfalls gestrafft. Der Leitzins liegt derzeit bei 1,75 %. Obwohl die Markteilnehmer eine weitere Zinserhöhung erwarten, zeigen die Massnahmen der Zentralbank erste Wirkungen. Die Inflation sank im Juli auf 1,6 % und liegt damit unter der Zielinflation von 2 %. Die Inflationsdynamik liegt deutlich unterhalb der Spitzenwerte aus dem Frühjahr, als sie auf 3,5 % anstieg. Die nächste Zinssitzung der SNB ist auf den 21. September angesetzt.

Ausblick

Die Anleihemärkte beiderseits des Atlantiks bewegten sich im Juli trotz anhaltender Signale einer strafferen Geldpolitik nur moderat, notieren aber tendenziell leicht steigende Zinsen. Aufgrund moderater Wachstumsaussichten und Inflationssorgen bleiben wir bei den Obligationen in CHF in unseren Mandaten untergewichtet.

Abb. 1: Immobilienmarktentwicklung 2023, Quelle: BKB, Bloomberg

Schweizer Immobilienmarkt

Im Juli zeigte sich der Schweizer Markt für kotierte Immobilienanlagen sehr unterschiedlich. Während Immobilienaktien um etwas über 5 % zulegen konnten, traten die Immobilienfonds auf der Stelle und schlossen mit einem sehr leichten Plus von 0,2 %. Zwar konnten rund zwei Drittel der Fonds zulegen, jedoch sorgten einige schwächelnde Schwergewichte für Bodenhaftung beim SWIIT-Index. Im Jahresverlauf liegen die Fonds nun nur noch mit knapp 0,2 % im Minus, während Aktien gut 5,3 % zugelegt haben.

Rein technisch sind Immobilienfonds mittlerweile nicht mehr teuer, meist sogar sehr günstig. Die hohen Aufgelder gehören der Vergangenheit an. Nur wenige Produkte handeln mit einem Agio von über 20 %. Viele Produkte handeln derzeit sogar unter ihrem Nettoinventarwert. Fundamental bleibt die Nachfrage nach Wohnraum ungebrochen und damit positiv für die Immobilienprodukte. Fonds verzeichnen weiterhin steigende Substanzwerte, stabile Mieten, sinkende Leerstände und attraktive Ausschüttungen. Globale Sorgenkinder wie steigende Zinsen, Inflation oder Geopolitik waren zuletzt keine Kursdämpfer mehr. Wir halten an unserer neutralen Gewichtung von 5 % im Segment der indirekten Immobilienanlagen fest.

Aktienmärkte im Juli überwiegend behauptet

Aus Schweizer Sicht tendierten die Aktienmärkte im Juli überwiegend seitwärts. Stabile BIP-Werte in den USA und der Eurozone, die über den Erwartungen lagen, sowie rückläufige Inflationsdaten unterstützten die Aktienkurse. Grösstenteils wurden die lokalen Kursgewinne aber durch Währungsverluste gemindert, sodass die Monatsperformance in Schweizer Franken nur leicht positiv ausfiel (Abb. 1). Schwellenländeraktien konnten dagegen im Juli +3,2 % in CHF erzielen und profitierten dabei von der positiven Performance des chinesischen Aktienmarkts, dessen Anteil im Emerging-Markets-Index über 30 % liegt. Hoffnungen auf wirtschaftliche und geldpolitische Stimuli gaben dem chinesischen Aktienmarkt im Juli Auftrieb.

Abb. 1: Regionale Aktienperformance im Juli

Beiträge zum Net Total Return in CHF; Quelle: BKB, Bloomberg (MSCI)

Geschäftszahlen für Q2/2023 schwach, aber besser als erwartet

Anfang August hatten über 80 % der Unternehmen des S&P-500-Index ihre Geschäftszahlen für das zweite Quartal veröffentlicht. Nachdem die Gewinnerwartungen seit Monaten kontinuierlich nach unten korrigiert worden waren und zwischenzeitlich 9 % unter dem Vorjahresquartal lagen, haben sich diese zuletzt stabilisiert. Bislang konnten knapp 80 % der Unternehmen die (tiefen) Erwartungen übertreffen. Voraussichtlich werden die Gewinne für Q2/2023 auf dem Niveau des vorherigen Quartals Q1/2023 liegen, gut 5 % unter dem Vorjahresquartal. Für die nächsten Quartale wird in den USA wieder mit höheren Gewinnen gerechnet (Abb. 2).

Anlagestrategie

Nach den Anfang Juli erfolgten partiellen Gewinnmitnahmen beim Nasdaq 100 halten wir an unserer Aktien-übergewichtung fest. Zwar sind die Bewertungen infolge der reduzierten Unternehmensgewinne und gestiegenen Aktienkurse nicht mehr günstig, eine nachlassende Inflations- und Zinsdynamik sowie das erwartete Ausbleiben eines starken Konjunktureinbruchs dürften aber den Aktienmarkt stützen.

Abb. 2: Entwicklung der Quartalsgewinnprognosen für den S&P 500

Quelle: Factset

Marktentwicklung 14.08.2023 (Stand ca. 10:00 Uhr, Basel Zeit):

Der SMI-Index zeigt sich zum Wochenstart 0.25% stärker. Der deutsche Aktienindex (DAX) liegt derzeit 0.50%. Für die US-Aktienbörsen signalisieren die Futures Indizes eine leicht tiefere Handelseröffnung.

Dr. Sandro Merino

Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management

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Rechtliche Informationen

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