CIO-Update: Wirtschaftliche Erholung im zweiten Halbjahr realistisch

Die Corona-Pandemie hat global den Höhepunkt hinter sich, doch die Lage bleibt teilweise dramatisch. Was sind die Folgen für Wirtschaft und Aktienmärkte? Das Update von Chief Investment Officer Dr. Sandro Merino in der heutigen Telefonkonferenz für Anlagekunden.
Am 23.04.2020 in CIO-Kommentar von Dr. Sandro Merino

Transkript der Telefonkonferenz mit Anlagekunden vom 23. April 2020

Einführung

In der heutigen Telefonkonferenz möchte ich vor allem auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und auf das Geschehen an den Finanzmärkten eingehen. Insbesondere auch auf die Auswirkungen auf Ihre Vermögensverwaltungs-Mandate und Anlagelösungen der Basler Kantonalbank. Diese Anlagestrategien werden durch mein Team unter meiner Leitung bewirtschaftet.

Humanitärer Aspekt

Als erstes möchte ich betonen, dass bei der aktuellen Krise auch für uns in der Vermögensverwaltung, an allererster Stelle die Sorge um die Gesundheit der Menschen und unser Mitgefühl für das grosse menschliche Leid, das die Epidemie verursacht steht. Unser allerhöchster Respekt gebührt dabei allen Pflegekräften, Ärzten und anderen Helfern, die sich persönlich und mutig für die Linderung des menschlichen Leids einsetzen. Ich bin auch stolz darauf, dass auch die Basler Kantonalbank am kantonalen und nationalen Unterstützungsprogramm mittels Kredite für KMUs teilnimmt. Es zeichnet sich dabei ab, dass das Schweizer Programm für KMUs auch international als Musterbeispiel für ein rasches und effizientes staatliches Kreditprogramm viel Anerkennung erfährt.

Evolution der Pandemie

Seit unserer letzten Telefonkonferenz am 16. April hat die Anzahl der weltweit durch Tests bestätigter Infektionen nochmals um über 500'000 Fälle zugenommen.
Die Zahl liegt weltweit aktuell bei über 2.5 Millionen. Vor allem in den USA steigt die Zahl der Infektionen nur wenig gebremst weiter an. Bevor wir auf die Lockerungen eingehen, die in der Schweiz und in vielen Ländern Europas in den nächsten Wochen umgesetzt werden, möchte ich vorher einen Überblick über die globale Situation geben.

China und andere Länder in Asien

Weiterhin kann in Asien verhindert werden, dass trotz der Lockerung vieler Quarantäne Massnahmen die Zahl der Infektionen wieder steigt. In asiatischen Ländern wie China, Japan, Südkorea oder Taiwan konnte ein erneutes Ansteigen der Infektionsfälle weiterhin verhindert werden. Nach den tausenden von Todesfällen in China am Anfang der Pandemie, gab es insgesamt in Japan, Südkorea, Vietnam, den Philippinen, Taiwan und Singapur zusammen wenig mehr als 1000 Todesfälle. Die Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie scheint in Asien bisher recht erfolgreich gewesen zu sein. Obwohl Zweifel an den offiziellen Zahlen bleiben, hat sich die Lage objektiv beruhigt. Entsprechend setzt sich die Normalisierung der Wirtschaft in grossen Teilen Asiens fort.

Schweiz und Europa

In der Schweiz sind die Zahlen der neuen Infektionen weiterhin rückläufig. Aktuell werden täglich nur wenig mehr als 100 neue Corona-Infektionen durch Tests erkannt. Auch die befürchtete Überlastung der Kapazitäten für intensive medizinische Behandlung konnte in der Schweiz verhindert werden. Entsprechend scheint sich die Zahl, der seit Ausbruch der Pandemie, an oder mit Corona verstorbenen Personen in der Schweiz bei etwa 1500 Fällen zu stabilisieren.

Auch in Deutschland oder Österreich sinken die Fallzahlen neuer Ansteckungen und der Trend ist mit jenem in der Schweiz vergleichbar. In Italien sinkt die Zahl der täglichen Neuinfektionen weiter, sie bleibt aber mit über 2'000 Fällen pro Tag noch recht hoch. Auch die Zahl der täglich zu beklagenden Todesfälle liegt in Italien leider immer noch bei mehreren hundert Menschen. Auch in Frankreich sinken die Zahlen weiter. Die täglich neu erfassten Infektionen bleiben aber auch in Frankreich noch hoch. Entsprechend hat der französische Präsident Macron schon am Oster-Montag die Ausgangssperre bis zum 11. Mai verlängert. In Grossbritannien müssen die strikten Massnahmen wohl noch länger aufrechterhalten werden. Die Zahl der neuen Infektionen befindet sich weiterhin auf hohem Niveau und sie fällt weiterhin nur langsam. Immerhin dürfte die schwierigste Phase schon überstanden sein. Entsprechend bleibt im vereinigten Königreich die Situation im Gesundheitswesen weiter dramatisch.

Insgesamt ergibt sich für Europa ein weiterhin gemischtes Bild. Die Situation hat sich seit unserer letzten Telefonkonferenz aber nochmals deutlich verbessert. Bis aber in ganz Europa Lockerungen umgesetzt sind und die Situation in allen Ländern Europas einigermassen vergleichbar ist, dürfte es bis mindestens Ende Mai dauern. Es zeichnet sich auch heute schon ab, dass es diesen Sommer in Europa keine uns vertraute Tourismus-Saison geben wird.

USA

In den USA werden in wenigen Tagen bereits mehr als 1'000'000 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet sein. Es sind bereits über 45'000 Menschen an der Lungenkrankheit gestorben. Damit hat sich die Situation in den USA, gegenüber den schon düsteren Erwartungen die ich vor einer Woche vorstellen musste, noch weiter verschlechtert. Die düsteren aber realistischen Prognosen der Imperial College Studie mit bis zu 200'000 US-Todesopfern scheint sich leider zu bewahrheiten.

In einigen US-Bundesstaaten werden bereits jetzt, bei stagnierenden oder sogar noch steigenden Fallzahlen Lockerungen beschlossen. Zum Beispiel im Bundesstaat Georgia. Dies steht in krassem Gegensatz zum Krisenmanagement in Europa oder Asien, wo durch strikte Massnahmen zuerst ein starker Rückgang der Neuinfektionen erreicht wurde, bevor über Lockerungen nachgedacht wurde. Trotz Kritik vieler Gouverneure der einzelnen US-Bundesstaaten am Krisenmanagement des Präsidenten Donald Trump zeichnet sich in den USA weiterhin keine klare Strategie auf Bundesebne ab. Die US-Bundesstaaten handeln seit letzter Woche stärker nach eigenen Einschätzungen der Lage und in eigenem Ermessen.

Die Befürchtung liegt nahe, dass obwohl die Massnahmen in den USA offiziell gelockert werden, viele Menschen aus Angst vor Ansteckung trotzdem nicht zur Normalität zurückkehren. Solange die Todesfälle zahlreich bleiben und die Neuansteckungen nicht fallen, wird sich auch die Wirtschaft nicht rasch erholen. Dies könnte für die USA über die nächsten Monate nicht nur weit höhere Opferzahlen bedeuten, sondern auch höhere wirtschaftliche Kosten der Krise als in Europa oder Asien.

Globale Situation

Aus globaler Sicht betrachtet, hat die Pandemie wohl ihren Höhepunkt durchschritten. In Asien und in Europa ist die Hoffnung berechtigt, dass auch die wirtschaftliche Erholung in den nächsten Monaten weitergehen oder zumindest beginnen kann. Die USA scheinen derzeit einen anderen Weg gehen zu wollen. Lockerungen werden, zumindest teilweise und regional, bereits beschlossen, bevor die Fallzahlen deutlich gefallen sind. Das Risiko ist dabei eine viel höhere Zahl von Todesfällen zu erleiden. Aber auch eine langanhaltende und chronische Beeinträchtigung der Wirtschaftsaktivität ist zu befürchten.

Verluste an den Aktienmärkten: Währungen

Die Aktienmärkte haben sich seit unserer letzten Telefonkonferenz vor einer Woche wenig bewegt. Insgesamt haben die globalen Aktienmärkte im April aber etwa 3%-7% zugelegt. Seit Jahresanfang hat der Schweizer Aktienindex SMI aktuell etwa 9.5% verloren. Auch die US-Aktienmärkte verlieren seit Jahresanfang etwa 16%, Gesamt-Europäische Indices etwa 25% und chinesische Aktien etwa 6%. Die Lage an den Finanzmärkten ist also wieder leicht besser als noch vor einer Woche, anlässlich der vierten Telefonkonferenz in dieser Serie. Auch der Wechselkurs des Schweizer Frankens zum Euro und zum US-Dollar hat sich seit unserer letzten Telefonkonferenz nicht wesentlich verändert.

Ausblick auf die Wirtschaft

In unserer letzten Telefonkonferenz vom 16. April habe ich versucht das Ausmass der globalen Rezession zu beschreiben. Basis dafür waren die neuen Prognosen des Internationalen Währungsfonds die von einem Einbruch der Weltwirtschaft für 2020 von 3% der globalen Wirtschaftsleitung ausgehen. Für Industrienationen bedeutet dies ein Rückgang von bis zu 10% des Bruttoinlandproduktes (BIP) für 2020. Auch für die Schweiz rechnet der IWF mit einem Einbruch des BIP für 2020 um 5% gegenüber dem Vorjahr. Allein für 2020 liegen die wirtschaftlichen Kosten der Krise bei einer Grössenordnung von gut zwei Billionen Euro. Diese Zahl zeigt auch, dass ohne die Billionen-schweren Stützungsmassnahmen aus den Staatsbudgets, eine globale Wirtschaftskrise mit tiefgreifenden sozialen Folgen nicht abgewendet werden könnte.

Diese hohen Kosten kann man auch als Investition in ein Szenario mit einer rascheren wirtschaftlichen Erholung in Europa sehen. Dann ist es aber sehr ratsam diese Investition zu schützen und die Lockerungen nur sehr vorsichtig auszuweiten. Der steigende Fokus auf die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivität in der Schweiz und in ganz Europa sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein zweiter Lockdown zu einer Verdoppelung dieser Kosten führen könnte. Ein Hang zur Vorsicht erscheint uns also sehr ratsam, denn eine falsche Lockerungs-Strategie könnte sehr teuer werden. Wenn wir von Asien lernen können, wie man eine zweite Welle verhindern kann, dann könnten die USA zu einem Negativbeispiel werden, dass rasche Lockerungen kontraproduktiv sind.

Generell zeigt sich auch Woche für Woche immer deutlicher, dass die Unterschiede wie verschiedene europäische Länder die Krise wirtschaftlich meistern werden, sehr gross sein werden. Deswegen wird am heutigen (Video-) Treffen der 27 EU-Staatschefs mit weiterhin sehr kontroversen Haltungen zu Corona-Bonds oder alternativen gemeinschaftlichen Finanzierungsvehikeln gerechnet. Der Fall Griechenlands ist dabei ein Beispiel, das aufzeigt, dass der aufgezwungene strikte Sparkurs, als Voraussetzung für Hilfen, das Land nicht auf einen Weg der Erholung gebracht hat. Griechenland hatte zwar vor Ausbruch der Coronakrise erste wirtschaftliche Lichtblicke erfahren. Dies fast 10 Jahre nach den Hilfs-Finanzierungen aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus und nach drastischen Kürzungen bei Renten und in allen Bereichen des Sozialsystems. Endlich schien es bergauf zu gehen. Doch die Coronakrise stürzt jetzt auch Griechenland erneut in eine tiefe Rezession. Heute hat die griechische Wirtschaft real nur noch etwa 40% ihrer Grösse von 2007. Da ist es rückblickend nicht ganz verkehrt, zumindest aus griechischer Sicht, den Austritt aus der Eurozone, begleitet durch einen griechischen Staatskonkurs und neuer Währung, als die langfristig bessere Option zu bewerten. Allerdings waren, aus damaliger Sicht, die noch drastischeren kurzfristigen Folgen eines Staatskonkurses auf die griechische Bevölkerung, kaum zu verantworten gewesen.

Ein wesentliches Problem ist es, dass ein geordneter Austritt aus dem Euro in einem demokratisch regierten Land kaum durchführbar ist. Werden Parteien politisch einflussreich, die für einen Exit sind, setzt Kapitalflucht ein und die Situation wird rasch wirtschaftlich und sozial äusserst instabil. Man müsste also über Nacht agieren, alle Konten einfrieren können und diktatorisch vorgehen, was glücklicherweise innerhalb der Eurozone nicht vorstellbar ist.

In Italien setzt die Opposition gegenwärtig stärker auf diese Austrittsfantasien, aber das Dilemma, dass der blosse ernsthafte Gedanke an den Austritt, die Lage schon eskalieren lässt, scheint kaum überwindbar. Dies macht die aktuelle Entwicklung aber nicht weniger bedrohlich. Es bleibt also zu hoffen, dass Kompromisse möglich sind und die Zeit Besserung bringt.

In unserer Anlagestrategie - und da sind wir wohl nicht die einzigen - muss das Szenario einer neuen Ausprägung der Eurokrise stärker gewichtet werden. Dies führt unter anderem zu mehr Zurückhaltung beim Kauf von italienischen Staatsanleihen, was den Teufelskreis paradoxerweise gerade schliesst. Somit steht auch heute an den Finanzmärkten eine mögliche Abstufung Italiens durch die Rating-Agenturen im Raum, was wiederum die EZB zu einer erneuten Ausweitung und Aufweichung der Kriterien beim Kauf von Anleihen zwingt.

Auch das Beispiel der negativen Ölpreise zeigt, dass in ungewöhnlichen Zeiten auch unerwartete Entwicklungen geschehen. Negative Preise für Öl sind aber inzwischen verschwunden und der gestrige Tag bleibt somit vorerst ein Kuriosum.

Schlussbemerkungen

Trotz einer weiterhin teilweise dramatischen Lage, bleibt das Szenario einer wirtschaftlichen Erholung im zweiten Halbjahr realistisch. Dabei macht uns die Situation in den USA aber noch sorgen. Die Rezession in den USA könnte mehrere Quartale andauern. Nur ein wirkungsvolles Medikament oder ein Impfstoff könnte die Situation verbessern. Damit rechnen kann man aber kaum. Der Fokus verschiebt sich jetzt auf das Monitoring der Auswirkungen der Lockerungsmassnahmen. Es wird aber noch mehrere Wochen dauern, um beurteilen zu können, ob der wirtschaftliche Neustart in der Schweiz und in Europa gelingt, ohne dass die Epidemie wieder aufflammt. Ich hoffe, dass wir anlässlich der Telefonkonferenz von nächster Woche ein kleines Stück Normalität und vielleicht einen Haarschnitt erobern können, natürlich unter Einhaltung aller gebotenen Vorsichtsmassnahmen.

Dr. Sandro Merino

Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management

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