Der Neustart der Wirtschaft scheint zu glücken, eine zweite Pandemie-Welle wurde bisher verhindert. In den USA hat sich die Ausbreitung des Virus allerdings beschleunigt. Wie reagieren die Aktienmärkte? Das Update zur aktuellen Situation von Chief Investment Officer Dr. Sandro Merino in der heutigen Telefonkonferenz für Anlagekunden.
Transkript der Telefonkonferenz mit Anlagekunden vom 26. Juni
Einführung
In der heutigen Telefonkonferenz möchte ich vor allem auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und auf das Geschehen an den Finanzmärkten eingehen. Insbesondere auch auf die Auswirkungen auf Ihre Vermögensverwaltungs-Mandate und Anlagelösungen der Basler Kantonalbank und der Bank Cler. Diese Anlagestrategien werden durch mein Team unter meiner Leitung bewirtschaftet.
Humanitärer Aspekt
Als erstes möchte ich betonen, dass bei der aktuellen Krise auch für uns in der Vermögensverwaltung an allererster Stelle die Sorge um die Gesundheit der Menschen und unser Mitgefühl für das grosse menschliche Leid steht, das die Epidemie weltweit betrachtet nach wie vor verursacht.
Evolution der Pandemie
Seit unserer letzten Telefonkonferenz am 28. Mai ist die Anzahl der weltweit laborbestätigten Covid-19 Infektionen von etwa 5.6 Millionen Fällen auf über 9.1 Millionen Fälle angestiegen. Der Trend ist zwar nicht mehr exponentiell, doch der stetige Anstieg der Fälle in den USA, Brasilien, Russland und Indien hat zu dieser starken Zunahme geführt. Besonders in Brasilien führt das sehr fragwürdige Krisenmanagement von Präsident Bolsonaro zu einer gesundheitlichen und humanitären Katastrophe für Brasilien und zu gefährlicher politischer Instabilität im Land.
Das Epizentrum der Pandemie liegt weiterhin in den USA. Die Zahl der täglich neu registrierten Infektionen steigt wieder an und liegt mit etwa 30'000 neuen laborbestätigten Fällen pro Tag wieder so hoch wie bei der ersten Spitze der täglichen neuen Fallzahlen, so wie sie Ende April erfasst wurde.
Die vielen Lockerungen, die in der Schweiz und vielen anderen europäischen Ländern, ab Ende April eingeführt wurden, scheinen bisher das erhoffte Abklingen der Corona-Fallzahlen nicht signifikant kompromittiert zu haben.
Der Neustart der Wirtschaft und die Bekämpfung der einschneidenden wirtschaftlichen Auswirkungen des Lockdowns stehen in Europa und Asien jetzt zuoberst auf der Agenda.
Ich möchte als erstes einen kurzen Überblick zur gegenwärtigen Situation der Covid-19 Pandemie an den wichtigsten Wirtschaftsstandorten der Welt geben:
Beginnen wir mit China und anderen Ländern in Asien.
In asiatischen Ländern wie China, Japan, Südkorea oder Taiwan konnte ein erneutes Ansteigen der Infektionsfälle, also eine sogenannte zweite Epidemie-Welle, trotz erheblicher Lockerung der Quarantäne-Massnahmen, weiterhin verhindert werden.
Wieder kam es in einigen Ländern, insbesondere in China, in den letzten Wochen zu einzelnen neuen lokalen Infektionsherden. Diese blieben aber jeweils lokal begrenzt.
In Asien, mit Ausnahmen von Indien, bleibt die Situation bei den Infektionszahlen also auf tiefem Niveau insgesamt stabil.
Schweiz
In der Schweiz liegt die Zahl der täglichen neuen laborbestätigten Infektionen seit Mitte Mai häufig deutlich unter 50 Fällen pro Tag. Auch die Zahl Covid-19-bedingter neuer Hospitalisierungen und jene von Todesfällen bleibt glücklicherweise auch Ende Juni in der Schweiz weiterhin bei einzelnen Fällen pro Tag. Die "Swiss Covid App" zur digitalen unterstützten Rückverfolgung (Tracing) von Corona-Infektionen ist heute in der Schweiz wie geplant lanciert worden. Sie steht der Bevölkerung in der Schweiz jetzt kostenlos zur Verfügung.
Europa
Die europäischen Nachbarstaaten der Schweiz befinden sich in einer mit der Schweiz vergleichbaren Situation. Die epidemische Welle klingt auch in vielen anderen europäischen Staaten ab und der Neustart der Wirtschaft ist jetzt im Fokus. In Grossbritannien ist die Entwicklung zwar etwas zeitverschoben. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen nähert sich auch dort aber stetig den inzwischen recht tiefen Zahlen in Deutschland oder Italien an. Auch in Grossbritannien beginnt jetzt etwas später als in der EU die Phase erheblicher Lockerungen.
USA
Die Situation in den USA bleibt im Vergleich zu Asien und Europa hingegen weiterhin sehr angespannt. Anlässlich unsere letzten Telefonkonferenz Ende Mai waren in den USA 1.7 Millionen laborbestätigte Infektionen erfasst. Wir hatten damals einen Anstieg dieser Zahl bis Ende Juni auf etwa 2 Millionen erwartet. Aktuell ist die Zahl mit fast 2.4 Millionen noch deutlich höher ausgefallen. Dies zeigt, dass sich die Ausbreitung des Virus in den USA nochmals etwas beschleunigt hat. Es sind inzwischen bereits etwa 120'000 Menschen in den USA in Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Das sind 20'000 mehr als vor einem Monat und dies entspricht leider unserer Schätzung, die wir in unserer letzten Telefonkonferenz am 28. Mai diskutiert hatten. Vor allem in Texas, Florida, Arizona und Kalifornien ist ein erheblicher Anstieg der Infektionen und Todesfälle zu beklagen. Die Befürchtung konkretisiert sich leider, dass die Fallzahlen in eine erneute Phase exponentiellen Wachstums eintreten könnten.
Der aktuelle Trend in den USA lässt leider erwarten, dass jeden Monat etwa weitere 20'000 Menschen in Zusammenhang mit eine Covid-19 Infektion sterben werden. Ein weiterer Anstieg der Zahl der Todesopfer auf über 200'000 bleibt in den USA bis zum Herbst zu befürchten. Der Wahlkampf Auftakt von Donald Trump in einer wenig gefüllten Halle in Tulsa Oklahoma erinnert nicht mehr an die Bilder seiner ersten Kampagne für die US-Präsidentschaft. Die Zustimmungsraten für Donald Trump mit Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen im November sind in den letzten Wochen unter Druck geraten. Der Wahltermin im November rückt näher und obwohl man Wahlprognosen sehr kritisch bewerten muss, läuft es im Moment bei vielen Themen eher schlecht für Trump. Wie die US-Wähler das Krisenmanagement der Trump Administration benoten werden, wird sich also spätestens im Herbst an der Wahlurne zeigen.
Zusammenfassung: Globale Situation
Aus globaler Sicht betrachtet, hat sich nach Asien die Situation auch in Europa deutlich entspannt. Die wirtschaftliche Aktivität wird sich weiter normalisieren. Dennoch bleiben die Auflagen und Schutzkonzepte bestehen, welche in vielen Branchen zusätzliche Kosten und Einschränkungen bei den erzielbaren Umsätzen verursachen. In den USA ist die Situation derzeit kritisch und ein exponentieller Wiederanstieg der Infektionszahlen könnte zumindest einzelne Bundesstaaten zu erneuten Lockdowns veranlassen.
Folgen für die Wirtschaft
Das günstige Szenario einer deutlichen Belebung der Wirtschaft im zweiten Halbjahr hat sich im Juni bestätigt. Die Konsumenten sind nach den starken Einbrüchen im April offenbar wieder zurück. Zahlen aus den USA und Europa zeigen, dass der private Konsum im April in beiden Wirtschafträumen etwa 20% zum Vormonat März eingebrochen war. Die neuesten Zahlen für Mai zeigen in den USA eine überraschend starke Erholung des privaten Konsums. Dabei könnten die Einmalzahlungen im April von 1'200 USD an praktisch alle Erwachsenen in den USA ein Auslöser für diese Erholung sein. Aber auch anstehende Daten aus verschiedenen Ländern der EU dürften die teilweise Rückkehr zur Normalität beim privaten Konsum belegen.
Weil der private Konsum bei weitem den grössten Teil der Wirtschaftsleistung auf der Ausgabenseite darstellt, könnte auch der Einbruch im zweiten Quartal beim Bruttosozialprodukt sogar etwas moderater als befürchtet ausfallen. Auch der bekannte Index des deutschen IFO Institutes, der für den Monat Juni gestern publiziert wurde, belegt die fortschreitende Erholung der deutschen Wirtschaft im Mai und Juni. Etwa die Hälfte des Einbruches der von Januar bis April erfolgt ist, hat der IFO Index inzwischen schon aufgeholt. Es könnte aber ganze zwei Jahre dauern, bis die deutsche Wirtschaftsleistung das Vorkrisenniveau wieder erreicht.
Dieser verbesserte konjunkturelle Ausblick wird in den USA aktuell von den wieder ansteigenden Fallzahlen für neue laborbestätigte Covid-19 Infektionen überschattet.
Das EU-Hilfspaket über 750 Milliarden Euro befindet sich noch in der Detaildiskussion und könnte ein historisches Schlüssel-Ereignis für die EU darstellen. Der notwendige einstimmige Entscheid der 27 EU-Mitglieder steht aber noch aus.
Verluste an den Aktienmärkten - Währungen
Die Rückkehr zur Normalität, die sich in der Wirtschaft nach und nach in harten Indikatoren manifestiert, scheint also auch die Börse zu stützen, vor allem wenn die Erholung der Wirtschaft sich weiter rascher und reibungsloser verläuft als erwartet.
Auch im Juni setzt sich an den globalen Aktienmärkten die Erholung fort. Weltweit betrachtet sind die wichtigsten Indices im Juni bis heute um etwa 3 bis 6% gestiegen. Der SMI gewinnt im Juni etwa gut 3%. Der US-Technologieindex NASDAQ gehört wieder zu den Gewinnern und steigt im Mai aktuell fast 7%. Der breite Schweizer Aktienindex SPI hat sich seit seinem Jahrestiefpunkt am 23. März sich um etwa 20% erholt. Nach wie vor halten wir das Anlagethema Technologie mit einer deutlichen Übergewichtung in unserer Anlagestrategie. Seit Jahresanfang hat der Schweizer Aktienindex SMI aktuell knapp 5% verloren. Auch die US-Aktienmärkte verlieren seit Jahresanfang etwa 8%, Gesamt-Europäische Indices etwa 13% und chinesische Aktien sind inzwischen im Jahresverlauf sogar etwa 1% im Plus.
Auch der Frankenwechselkurs zum US-Dollar und zum Euro hat sich seit Ende Mai wenig verändert. Der Euro ist aufgrund des in Aussicht gestellten EU-Konjunkturpaketes seit Mai um etwa 2 Rappen stärker geworden. Der Dollar hat umgekehrt etwa 2 Rappen zum Franken verloren. In einer diversifizierten Anlagestrategie haben sich die Währungseffekte also gegenseitig mehr oder weniger aufgehoben.
Schlussbemerkungen
Das Szenario einer wirtschaftlichen Erholung ab dem zweiten Halbjahr hat sich im Juni merklich bestätigt. Leider bleibt es nach wie vor sehr unklar, wie die weiter grassierende Corona-Krankheit die wirtschaftliche Erholung in den USA beeinflussen wird. Die gestiegenen Konsumausgaben könnten darauf hinweisen, dass das Risiko einer Corona-Ansteckung in den USA einfach verdrängt wird und grösstenteils "business-as-usual" gilt. Dies erstaunt und es ist fraglich ob die wirtschaftliche Erholung wirklich unabhängig von der epidemiologischen Situation weiter gut gedeihen kann. Schliesslich werden in den USA auch in den kommenden Monaten weiterhin etwa 20'000 Menschen pro Monat in Zusammenhang mit den Coronavirus sterben.
Wir bleiben im Rahmen unserer Anlagestrategie weiterhin geduldig mit unserer Taktik und bestätigen unsere leichte Untergewichtung bei Aktien, die aber nahe an der strategisch neutralen Aktienquote liegt.
Die kommenden Monate bis zu den US-Wahlen versprechen noch einige Volatilität an den Aktienmärkten. Möglicherweise können wir unsere taktische Überschussliquidität dann wieder mit mehr Überzeugung für Aktienkäufe einsetzen. Freude machen uns aktuell unsere Satelliten-Anlagen (Megatrends) bei den Themen Technologie, Pharma und Demographischer Wandel.
Wir haben natürlich anfangs Jahr nicht voraussehen können, dass die Corona-Pandemie diese Sektoren weniger hart treffen würde, es gibt aber ganz unabhängig von Corona vernünftige Argumente, diese Sektoren in der strategischen Portfoliokonstruktion etwas stärker als die Referenz-Benchmarks zu gewichten.
Wir verfolgen die Situation im Rahmen unserer Anlagetätigkeit somit weiterhin äusserst aufmerksam. Anpassungen unserer Anlagestrategie und Taktik sind also weiterhin möglich
Dr. Sandro Merino
Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management
Erfahren Sie aus erster Hand die Einschätzungen unseres Chief Investment Officers, Dr. Sandro Merino, und überprüfen Sie Ihre Anlagestrategie mit Ihrer Kundenberaterin oder Ihrem Kundenberater.