CIO-Update: Mitten in der Pandemie – trotz wirtschaftlicher Erholung

Die letzten zwei Monate zeigen zwar eine deutliche Belebung der Wirtschaft, aus globaler Sicht betrachtet befinden wir uns jedoch nach wie vor mitten in der Pandemie. Wie sieht es in den einzelnen Ländern aus und worauf gilt es sich vorzubereiten? Das Update zur aktuellen Situation von Chief Investment Officer Dr. Sandro Merino in der heutigen Telefonkonferenz für Anlagekunden.
Am 30.07.2020 in CIO-Kommentar von Dr. Sandro Merino
Das Transkript der Telefonkonferenz lesen Sie weiter unten.

Transkript der Telefonkonferenz mit Anlagekunden vom 30. Juli

Einführung

In der heutigen Telefonkonferenz möchte ich vor allem auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und auf das Geschehen an den Finanzmärkten eingehen. Insbesondere auch auf die Auswirkungen auf Ihre Vermögensverwaltungs-Mandate und Anlagelösungen der Basler Kantonalbank und der Bank Cler. Diese Anlagestrategien werden durch mein Team unter meiner Leitung bewirtschaftet.

Humanitärer Aspekt

Als erstes möchte ich betonen, dass bei der aktuellen Krise auch für uns in der Vermögensverwaltung, an allererster Stelle die Sorge um die Gesundheit der Menschen und unser Mitgefühl für das grosse menschliche Leid steht, das die Epidemie weltweit betrachtet nach wie vor verursacht.

Evolution der Pandemie

Seit unserer letzten Telefonkonferenz am 25. Juni ist die Anzahl der weltweit laborbestätigten Covid-19 Infektionen von etwa 9.5 Millionen Fällen auf etwa 16.7 Millionen Fälle stark angestiegen. Der Trend ist zwar nicht exponentiell, aber der weiterhin stetige Anstieg der Fälle in den USA, Brasilien, Russland und Indien hat zu dieser starken Zunahme geführt.

Das Epizentrum der Pandemie liegt weiterhin in den USA. Die Zahl der täglich neu registrierten Infektionen lag anlässlich unserer letzten Telefonkonferenz im Juni bei etwa 35'000 neuen laborbestätigten Fällen pro Tag. Aktuell ist die Zahl neuer täglich bestätigter Infektionen auf fast das Doppelte angestiegen und liegt bei über 60'000 neuen Fällen pro Tag.

Die vielen Lockerungen, die in der Schweiz und vielen anderen europäischen Ländern ab Ende April eingeführt wurden, haben in Europa bisher nur zu einem moderaten erneuten Anstieg der Fälle geführt. Es gibt aber lokal stärkere Anstiege die teilweise zur Wiedereinführung von strikteren Massnahmen geführt haben. Dies zeigt, dass auch in Europa die Pandemie alles andere als überwunden ist und auch die eingeleitete wirtschaftliche Normalisierung nach wie vor durch die Pandemie bedroht ist. Ich möchte als erstes einen kurzen Überblick zur gegenwärtigen Situation der Covid-19-Pandemie an den wichtigsten Wirtschaftsstandorten der Welt geben:

China und andere asiatische Länder

In asiatischen Ländern wie China, Japan, Südkorea oder Taiwan hat die Normalisierung der Wirtschaftsaktivität zwar einen moderaten Anstieg der neuen Infektionen verursacht, die Situation bleibt aber im Moment überschaubar. Japan verzeichnet seit Juni einen deutlichen neuen Anstieg und verzeichnet aktuell etwa 1000 neue Infektionen pro Tag. Die Situation scheint aber dennoch unter Kontrolle zu bleiben. Auch in China liegt die Zahl der täglich neu gemeldeten Fälle bei etwa 200 und somit auf weiterhin tiefem Niveau. Stärker betroffen ist derzeit Indien, wo seit Mai ein starker Anstieg zu beobachten war. Aktuell werden in Indien täglich etwa 50'000 neue Infektionen bestätigt. In Asien, mit Ausnahmen von Indien, bleibt die Situation bei den Infektionszahlen also auf tiefem Niveau insgesamt stabil.

Schweiz und Europa

Vor einem Monat lag in der Schweiz die Zahl der täglichen neuen laborbestätigten Infektionen unter 50 Fällen pro Tag. Die Lockerungen der letzten Monate haben also auch bei uns die Fallzahlen seit Mitte Juni etwas ansteigen lassen. Aktuell werden in der Schweiz täglich 100 bis 150 neue Infektionen registriert.

Die «SwissCovid App» zur digital unterstützten Rückverfolgung (Tracing) von Corona-Infektionen, die Ende Juni lanciert worden ist, scheint bei der Bevölkerung in der Schweiz nicht auf genügend grosse Akzeptanz gestossen zu sein. Derzeit sind nur etwa 1.2 Millionen aktive «SwissCovid Apps» operativ. Immerhin hat bereits diese kleine Zahl von Nutzern der App zu 70 Warnungen pro Woche über das App-System geführt. Aber nur ein kleiner Teil der positiv Getesteten – weniger als ein Zehntel der Neuinfizierten – kann in der Schweiz über die «SwissCovid App» all jene Personen alarmieren, die mit ihnen vorgängig in näheren Kontakt gekommen waren.

Europa

Die europäischen Nachbarstaaten der Schweiz befinden sich in einer mit der Schweiz vergleichbaren Situation. Die Infektionszahlen sind in vielen europäischen Ländern wieder etwas angestiegen, sind aber meistens recht stabil geblieben. In Spanien hat der Reiseverkehr in den Sommerferien zu deutlichen aber regional begrenzten Anstiegen geführt. In Grossbritannien war die Entwicklung etwas zeitverschoben. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen liegt inzwischen nah bei den tiefen Zahlen, wie man sie in Deutschland oder Italien aktuell ermittelt.

USA

Die Situation in den USA hat sich in den letzten Wochen hingegen nochmals deutlich verschlechtert. Anlässlich unserer letzten Telefonkonferenz Ende Juni waren in den USA 2.4 Millionen laborbestätigte Infektionen erfasst.
Aktuell ist die Zahl mit über 4.3 Millionen bestätigen Fällen noch deutlich höher ausgefallen. Dies zeigt, dass sich die Ausbreitung des Virus in den USA im Juli beschleunigt hat. Es sind inzwischen bereits etwa 150'000 Menschen in den USA in Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Das sind 30'000 mehr als vor einem Monat. Der aktuelle Trend in den USA lässt leider erwarten, dass jeden Monat mehr als 20'000 Menschen in Zusammenhang mit einer Covid-19-Infektion sterben werden. Ein weiterer Anstieg der Zahl der Todesopfer auf weit über 200'000 ist in den USA bis zum Spätherbst leider zu erwarten. Der Wahltermin am 3. November rückt näher und obwohl man Wahlprognosen sehr kritisch bewerten muss, deuten diese auf eine Niederlage Donald Trumps hin. Der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen bleibt aber sehr ungewiss.

Zusammenfassung: Globale Situation

Aus globaler Sicht betrachtet befinden wir uns nach wie vor mitten in der Pandemie. Die Gefahr eines erneuten Anstiegs der Fallzahlen im Herbst und Winter bleibt also sehr real. Obwohl bei der Suche nach einem Impfstoff mehrere Unternehmen einige Zwischenetappen offenbar erfolgreich absolviert haben, bleibt es weiterhin sehr unklar, ob eine ausreichend wirksame Impfung im nächsten Jahr zur Verfügung stehen wird.

Folgen für die Wirtschaft

Das günstige Szenario einer deutlichen Belebung der Wirtschaft im zweiten Halbjahr hat sich im Juni und auch im Juli bestätigt. Auch der bekannte Index des deutschen IFO Institutes belegt die fortschreitende Erholung der deutschen Wirtschaft im Mai, Juni und Juli. Der IFO Index für das Geschäftsklima ist im März mit dem Ausbruch der Pandemie von etwa 96 Punkten auf 74 Punkte abgestürzt und liegt für Juli bereits wieder bei 90.5 Punkten.

Der verbesserte konjunkturelle Ausblick wird in den USA von den seit einigen Wochen wieder stark angestiegenen Fallzahlen für neue laborbestätigte Covid-19 Infektionen überschattet. Die nächste Woche wird viele neue Daten aus der US-Wirtschaft liefern. Man muss befürchten, dass die Erholung durch die wieder stärker grassierende Pandemie etwas gebremst wurde. Auch die US-Arbeitslosigkeit, die aktuell mit 11% etwas weniger schlimm ist, als anfänglich befürchtet wurde, könnte nicht so rasch fallen, wie noch vor einigen Wochen erwartet wurde.

In der EU wurde mit dem Corona-Hilfspaket über 750 Milliarden Euro am 21. Juli 2020 Historisches erreicht. Das im Vergleich zur Grösse der EU eigentlich winzige gemeinschaftliche Bundesbudget wurde jetzt fast verdoppelt. Somit besteht tatsächlich die Chance, dass die gemeinschaftlich finanzierten Kredite und Transferzahlungen zu echten strukturellen Veränderungen führen könnten. Der Erfolg dieses Paketes lässt sich aber erst in einigen Jahren wirklich beurteilen. Der Beschluss befindet sich noch in der Detaildiskussion im Europäischen Parlament. Es ist aber zu erwarten, dass die Massnahmen im Kern realisiert werden.

Verluste an den Aktienmärkten – Währungen

Die Rückkehr zur Normalität, die sich in der Wirtschaft nach und nach in harten Indikatoren manifestiert, hat auch die Börse gestützt. Auch im Juli hat sich die Erholung an den globalen Aktienmärkten fortgesetzt. Der Schweizer Aktienmarkt hat im Juli bisher etwa 2% zugelegt. Der breite europäische Aktienindex sogar um etwa 3%. Wenig verändert sind im Juli hingegen die US-Aktienindizes. Der breite Schweizer Aktienindex SPI hat sich seit seinem Jahrestiefpunkt am 23. März um 27% erholt und liegt nun praktisch wieder auf dem Stand von Anfang des Jahres.

Bei den Währungen ist der Euro aufgrund des beschlossenen EU-Konjunkturpaketes seit Mai um etwa 2 Rappen stärker geworden und notiert nah bei 1.08 zum Schweizer Franken.
Der Dollar hat umgekehrt im Juli weiter an Wert gegenüber dem Franken verloren und notiert aktuell unter 92 Rappen. Wir sehen aktuell ein erhöhtes Risiko einer möglichen weiteren Abwertung des Dollars. Deswegen haben wir in einem ersten Schritt in den Anlagelösungen und den Vermögensverwaltungsmandaten die Bestände an Dollar- Liquidität anfangs dieser Woche etwas reduziert. Wir raten entsprechend zu höherer Vorsicht was Fremdwährungsrisiken in Dollar betrifft. Mit entsprechenden Währungsabsicherungen kann man solche Risiken übrigens leicht vermeiden.

Schlussbemerkungen

Das Szenario einer wirtschaftlichen Erholung im zweiten Halbjahr hat sich im Juli insgesamt bestätigt. Fragezeichen bleiben bei der Frage, wie stark die USA durch den Wiederanstieg der Infektionszahlen negativ betroffen sein wird. Auch die näher rückenden US-Wahlen könnten für mehr Volatilität an den Aktienmärkten sorgen.

Global betrachtet sind wir aber noch mitten in der Pandemie. Das Risiko, dass mit der kälteren Jahreszeit die Fallzahlen deutlich zunehmen könnten, bleibt sehr real. Ein vorsichtiger Umgang mit dieser Bedrohung bleibt zum Schutz von Gesundheit und Wirtschaft unerlässlich. Das Potenzial für weitere rasche Kursgewinne bei Aktien ist gegenwärtig etwas limitiert. Ein Durchbruch bei der Entwicklung eines Impfstoffes könnte aber neue Impulse liefern.

Wir bleiben im Rahmen unserer Anlagestrategie weiterhin geduldig mit unserer Taktik und halten an unserer leichten Untergewichtung bei Aktien fest. Wir verfolgen die Situation im Rahmen unserer Anlagetätigkeit weiterhin äusserst aufmerksam. Anpassungen unserer Anlagestrategie- und Taktik bleiben jederzeit möglich.

 

Dr. Sandro Merino

Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management

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