CIO-Update: Historischer Wirtschaftseinbruch - Hoffen auf Impfstoff

Die Schweizer Wirtschaft ist im zweiten Quartal so stark eingebrochen wie noch nie. Die Bewältigung der Folgen des Lockdowns könnte noch Jahre dauern. Immerhin: Ein zweiter zeichnet sich derzeit nicht ab. Wann kommt der Durchbruch bei der Entwicklung eines Impfstoffs? Wie wirken sich die US-Wahlen auf die Aktienmärkte aus? Das Update zur aktuellen Situation von Chief Investment Officer Dr. Sandro Merino in der heutigen Telefonkonferenz für Anlagekunden.
Am 27.08.2020 in CIO-Kommentar von Dr. Sandro Merino
Das Transkript der Telefonkonferenz lesen Sie weiter unten.

Transkript der Telefonkonferenz mit Anlagekunden vom 27. August

Einführung

In der heutigen Telefonkonferenz möchte ich vor allem auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und auf das Geschehen an den Finanzmärkten eingehen. Insbesondere auch auf die Auswirkungen auf Ihre Vermögensverwaltungsmandate und Anlagelösungen der Basler Kantonalbank und der Bank Cler. Diese Anlagestrategien werden durch mein Team unter meiner Leitung bewirtschaftet.

Humanitärer Aspekt

Als erstes möchte ich betonen, dass bei der aktuellen Krise auch für uns in der Vermögensverwaltung an allererster Stelle die Sorge um die Gesundheit der Menschen und unser Mitgefühl für das grosse menschliche Leid steht, das die Epidemie, weltweit betrachtet, auch in diesen Tagen weiterhin verursacht.

Evolution der Pandemie

Ich möchte mich heute beim Überblick zum aktuellen Verlauf der Pandemie etwas kürzer fassen als üblich und den Fokus meiner Ausführungen stärker auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte richten.

Seit unserer letzten Telefonkonferenz am 30. Juli ist die Anzahl der weltweit laborbestätigten Covid-19 Infektionen von etwa 17 Millionen Fällen auf etwa 24 Millionen Fälle angestiegen. Die Dynamik der weltweiten Ausbreitung hat sich im letzten Monat etwas verlangsamt. Auch bei den stark betroffenen Ländern, wie Brasilien oder den USA, ist die Zahl der täglich neuen laborbestätigten Covid-19-Fälle zwar noch hoch, aber deutlich tiefer als noch vor einem Monat.

In den USA sind inzwischen fast 180'000 Menschen in Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Das sind wieder etwa 30'000 mehr als vor einem Monat. Dieser Trend scheint sich jetzt aber deutlich zu verlangsamen.

Die vielen Lockerungen, die in der Schweiz und vielen anderen europäischen Ländern, ab Ende April eingeführt wurden, haben in Europa zu einem moderaten Anstieg der Fälle geführt.

Dabei ist aber die Zahl der neuen Covid-19 bedingten Hospitalisierungen und der Todesfälle nicht im gleichen Ausmass gestiegen, wie bei der ersten Welle im März und April. Dies, weil sich vermehrt jüngere Menschen infizieren, die meist leichtere Symptome erleiden und weil bei schwereren Krankheitsverläufen der medizinische Behandlungserfolg verbessert werden konnte.

Zweiter Lockdown bisher nicht in Sicht

Die Pandemie ist noch nicht überwunden. Ein zweiter flächendeckender Lockdown in europäischen Ländern oder in den USA zeichnet sich aktuell aber nicht ab. Nach wie vor ist kein Impfstoff oder Medikament gegen die Infektion auf breiter Skala erhältlich. Ein Bericht des Milken Instituts zeigt aber auf, dass gegenwärtig weltweit an 203 verschiedenen Impfstoffen und 316 verschiedenen Medikamenten zur Behandlung der Covid-19-Infektion geforscht wird. Für einzelne Substanzen sind bereits Tests an ersten Testgruppen im Gange. Die Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation durch einen wissenschaftlichen Erfolg bleibt also berechtigt. Man muss aber wohl mit weiteren sechs bis zwölf Monaten rechnen, bis diese Verbesserungen der breiten Bevölkerung zur Verfügung stehen könnten.

Folgen für die Wirtschaft: Deutliche Belebung

Das günstige Szenario einer deutlichen Belebung der Wirtschaft im zweiten Halbjahr hat sich im August fortgesetzt.

Die gestern veröffentlichten Einkaufsmanagerindices der Eurozone für den Monat August zeigen einen Rückgang gegenüber Juli. Sie deuten auf eine weitere wirtschaftliche Erholung hin, die sich insgesamt aber etwas verlangsamt hat. Es bestätigt sich das Bild, dass in der Eurozone die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Lockdowns noch einige Jahre dauern könnte.

Schweiz: Historischer Einbruch des Wirtschaftswachstums

Die für die Schweiz wichtige deutsche Industrieproduktion hat sich auch im August weiter erholt. Dies zeigt auch der ebenfalls gestern ausgewiesene IFO-Index für die deutsche Wirtschaft im August. Der Index ist gegenüber Juli weiter gestiegen, was darauf hindeutet, dass innerhalb der Eurozone die deutsche Wirtschaft sich vergleichsweise etwas rascher erholt. Heute hat das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO die Daten für das Wirtschaftswachstum der Schweiz im zweiten Quartal veröffentlicht. Gegenüber dem Vorquartal ist das Bruttoinlandprodukt der Schweiz um 9% zurückgegangen und gegenüber dem zweiten Quartal des letzten Jahres um 10.4%.

Wahlen in den USA: Wer ist besser für die Rendite?

In den USA tritt der Wahlkampf um das Amt des US-Präsidenten in die heisse Phase ein. Schon in neun Wochen finden die US-Präsidentschaftswahlen statt. Dabei bleibt, trotz eines deutlichen Vorsprungs von Joe Biden in den Umfragen, der Wahlausgang weiterhin offen.

Die Frage, ob ein republikanischer oder demokratischer Präsident besser für die Renditen an den Aktienmärkten ist, wird in vielen Studien untersucht. Die Ergebnisse fallen zahlenmässig seit 1945 zwar zugunsten von demokratischen Amtsperioden aus. Unter demokratischer Präsidentschaft hat der US-Aktienmarkt durchschnittlich bessere Renditen erzielt, als während der Amtszeit von republikanischen Präsidenten. Dieser Sachverhalt hat aber wenig Erklärungskraft und hängt damit zusammen, dass die Republikaner mit Nixon und Ford die Stagflation der 70er Jahre durchlaufen haben und auch damit, dass George Bush 2001 und 2007 im Amt war, als der US-Aktienmarkt zwei Mal sehr stark korrigierte.

Die Wahlkampfthemen, die Joe Biden vertritt, welche insbesondere auch für die Aktienmärkte relevant sind, betreffen die teilweise Umkehr der Steuersenkungen auf Unternehmenssteuern, die Donald Trump beschlossen hat, Reformen im Gesundheitssystem und eine deutliche Anhebung des Mindestlohnes. Aber auch die stärkere Regulierung oder gar erzwungene Aufteilung der US-Technologie Giganten, die immer Monopol ähnlichere Strukturen entwickeln, steht weit oben auf der Agenda.

Die von Trump eingeführte Senkung der Unternehmenssteuern dürfte tatsächlich die Kursentwicklung bei US-Aktien in den letzten 2 Jahren angetrieben haben. Eine Umkehr dieses Trends zu tieferen Steuern bei einem Gewinn der Wahl durch Joe Biden könnte kurzfristig für moderate Kursverluste bei US-Aktien führen.

Seit der Amtszeit von Ronald Reagan sind durch stark gesenkte Steuereinnahmen viele öffentliche Institutionen in den USA, insbesondere im Gesundheitswesen im Schul- und Bildungsbereich und bei der Infrastruktur, in vielen Aspekten staatlich unterfinanziert und wirken entsprechend marode. Das von Trump in Aussicht gestellte Infrastrukturprogramm für die USA konnte wegen fehlender Mehrheiten im Kongress kaum umgesetzt werden. Ob Joe Biden bei einem Gewinn der Wahl mehr bewegen kann, hängt ebenfalls sehr stark davon ab, ob die Demokraten im Senat und im Repräsentantenhaus eine parlamentarische Mehrheit erreichen können.

Risiko unerwarteter Lockdowns bleibt bestehen

Wir rechnen mit einem knappen Wahlausgang. Das Risiko einer Polemik zur brieflichen Stimmabgabe und einer Anfechtung der Wahlergebnisse, falls Donald Trump unterliegen sollte, erhöhen die Unsicherheit in Zusammenhang mit der US-Präsidentschaftswahl. Die weitere Entwicklung der Covid-19-Pandemie im Herbst könnte auch entscheidend das Wählerverhalten am 3. November prägen. Aufgrund der in vielen Ländern wieder leicht ansteigenden Infektionszahlen, bleibt das Risiko bestehen, dass die Pandemie in der kälteren Jahreszeit in den USA und in Europa unerwartet zu erneuten Lockdowns führen könnte.

Verluste an den Aktienmärkten - Währungen

An den Finanzmärkten war es im August eher ruhig: Der Schweizer Aktienmarkt (SPI-Index) bewegt sich seit Juni im Grossen und Ganzen seitwärts. Lediglich der US-Technologiesektor (Nasdaq-Index) setzt eine neue Rekordmarke nach der anderen. Die stärkere Performance von US-Aktien gegenüber Europäischen Indices erklärt sich entsprechend aus der weit weniger ausgeprägten Sektor-Gewichtung von Technologiewerten an Europäischen Börsen gegenüber dem Technologie-Land USA. Dabei sind im Nasdaq-Aktienindex nebst den FANG-Giganten Facebook, Amazon, Netflix und Google (die Google Aktie heisst übrigens offiziell Alphabet Inc.) sowie kleineren Unternehmen die in der Informationstechnologie tätig sind auch viele Bio-Technologie unternehmen vertreten.

Der Goldpreis hat im August den Rekordwert von 60'000 CHF/kg kurz durchbrochen und notiert aktuell wieder tiefer bei etwa 56'000 CHF/kg. Ein Ausbruch des Goldpreises ist somit, wie von uns erwartet, ausgeblieben. Eine entsprechende Analyse zur Entwicklung des Goldpreises wurde vor einigen Wochen durch unseren Spezialisten Hans Peter Schmidlin verfasst.

Natürlich sollte man ruhigen Phasen an den Börsen nie ganz trauen. Die 10 Wochen bis zu den US-Wahlen können noch für die eine oder andere Überraschung gut sein. Einige Kenner der US-Politik rechnen denn auch mit einer "September-Überraschung", d.h. mit einem wahltaktischen Manöver von Donald Trump zur Verbesserung seiner etwas ramponierten Chancen auf die Wiederwahl. Auf wilde und wenig fundierte Spekulationen über solche Szenarien möchte ich mich aber hier nicht einlassen.

Anlegen: Megatrends bleiben erfolgreich

Konkreter sind unsere Massnahmen in der Anlagetaktik: Wir haben Ende letzter Woche beschlossen, unsere Dollar-Liquidität in unseren Vermögensverwaltungsmandaten weiter zu reduzieren. Zum einen, weil der Dollar gegenüber dem Schweizer Franken weiter unter Druck steht, zum anderen, weil unsere Megatrends-Anlagethemen (Digitalisierung, Demographie und Nachhaltigkeit) weiterhin erfolgsversprechend bleiben. Wir haben die Anlagethemen Gesundheit, Demographie, Technologie und Nachhaltigkeit zum erhältlichen Angebot an entsprechenden thematischen Anlagefonds ausgewertet.

Im Rahmen unserer internen "Best-in-Class"-Fondselektion haben wir spezifische Fonds verschiedener Anbieter zu diesen Themen ausgewählt. Ihr Kundenberater weiss im Detail Bescheid, wenn Sie zu unserer ermittelten Auswahl mehr Informationen wünschen sollten.

Diese von uns ermittelten Anlagefonds von anderen namhaften Anbietern setzen wir bereits als taktische Beimischung in unseren Anlagelösungen und Vermögensverwaltungs-Mandaten ein.

Schlussbemerkungen

Das Szenario einer wirtschaftlichen Erholung im zweiten Halbjahr setzt sich im August weiter fort. Allerdings muss man in den kommenden Monaten mit weniger raschen Fortschritten in der Wirtschaft rechnen, als in den ersten Monaten nach den Lockdowns. Die Hoffnung auf einen medizinischen Durchburch bei einem Medikament oder Impfstoff ist aufgrund der sehr intensiven weltweiten Forschungsanstrengungen berechtigt. Allerdings ist die Erwartung dabei, dass es noch mindestens einige Monate dauern dürfte, bevor Wirkstoffe breit ausgerollt werden könnten. Die US-Präsidentschaftswahlen könnte für mehr Volatilität an den Aktienmärkten sorgen. Wir rechnen mit einem knappen Ergebnis bei der Wahl des US-Präsidenten am 3. November. Das Potenzial für weitere rasche Kursgewinne bei Aktien ist gegenwärtig etwas limitiert. Ein Durchbruch bei der Entwicklung eines Impfstoffes könnte aber neue Impulse liefern.

Wir bleiben im Rahmen unserer Anlagestrategie weiterhin geduldig mit unserer Taktik, halten inzwischen aber eine neutrale Gewichtung bei Aktien. Dies beruht darauf, dass wir thematische Aktienanlagen zu den vorher besprochenen Themen aufgestockt haben. Wir folgen damit bisher erfolgreichen Renditetrends, die uns auch weiterhin attraktiv erscheinen.

Obwohl wir gegenwärtig nicht mit neuen rigiden Lockdowns rechnen, verfolgen wir die Situation im Rahmen unserer Anlagetätigkeit weiterhin äusserst aufmerksam. Anpassungen unserer Anlagestrategie und Taktik bleiben jederzeit möglich.

Dr. Sandro Merino

Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management

Erfahren Sie aus erster Hand die Einschätzungen unseres Chief Investment Officers, Dr. Sandro Merino, und überprüfen Sie Ihre Anlagestrategie mit Ihrer Kundenberaterin oder Ihrem Kundenberater.