Biodiversität fördern, Hitze mindern

Der Klimawandel ist auch im Siedlungsraum zu spüren – die Temperaturen und das Risiko für Naturgefahren nehmen zu. Massnahmen zur Anpassung an diese Entwicklung lassen sich sehr gut mit der Biodiversitätsförderung kombinieren. So profitieren Mensch und Natur.
Am 07.09.2023 in Nachhaltigkeit von Ann Walter, BirdLife Schweiz
Die Faktenlage ist klar: Die Jahresmitteltemperatur in der Schweiz steigt und es mehren sich Hitzetage, Tropennächte und Starkwetterereignisse. Die Auswirkungen sind in den Städten und Agglomerationen besonders deutlich spürbar. Asphalt und Beton erhitzen sich stark und wirken wie ein Wärmespeicher. Die erhöhten Temperaturen haben unter anderem auch einen negativen Einfluss auf unsere Gesundheit. Plötzlich auftretende grosse Wassermassen bei Starkregen führen zu Überschwemmungen. Das Wasser kann auf den versiegelten Flächen nicht versickern und entfaltet ungeahnte Zerstörungskraft. Bei einer natürlichen Versickerung hingegen würde das Wasser gefiltert unseren Grundwasserspeicher füllen.

Grün und Blau statt Grau

Mit der zunehmenden Erwärmung ist es notwendig, vor allem den Siedlungsraum neu zu überdenken. Die effektivsten Mittel zur Hitzeminderung sind mehr schattenspendende Bäume, weniger versiegelte Flächen und mehr Grün rund ums Haus, auf dem Dach und an den Fassaden. Wenn man dabei die Bedürfnisse der einheimischen Tiere und Pflanzen berücksichtigt, geht das Hand in Hand mit der Förderung der Biodiversität.

Naturwiesenmarkt: der Meret Oppenheim-Platz als grüne Oase

2400 blühende Wiesenziegel verwandelten den urbanen City-Treffpunkt temporär in eine 600 Quadratmeter grosse Traumwiese. Die Wiese lebt nun an verschiedenen Orten in Basel weiter. Der Naturwiesenmarkt war ein erstes Highlight unseres Engagements Basel blüht auf gemeinsam mit der Naturschutzorganisation BirdLife Schweiz - und ein Beispiel für die naturnahe Gestaltung des städtischen Raums.

Helden der Kühlung

Die Pflanzen verdunsten Wasser und erzeugen damit Abkühlung. So senken beispielsweise grössere Pärke in der Nacht die Temperatur in einem Umkreis von bis zu 200 Metern um einige Grade. Wenn auf einheimische Bäume und Sträucher, naturnahe Pflege und möglichst viele Strukturen geachtet wird, verwandelt sich ein Grünraum zusätzlich in eine Naturoase. Attraktiv gestaltete Grünräume sind dann auch wertvolle Aufenthaltsorte für die Menschen.

Schattenspendende Öko-Hotspots

Bäume, insbesondere alte Exemplare mit grossem Kronendach, spenden Schatten, kühlen dank Verdunstung und filtern Feinstaub aus der Luft. Während versiegelte Plätze oder Häuserfassaden tagsüber eine Wärme von rund 50 bis 60 Grad abstrahlen können, ist es unter Bäumen nur 26 bis 30 Grad warm – ein wesentlicher Unterschied. Baum ist aber nicht gleich Baum. Hier muss sorgfältig ausgewählt werden: Einheimische Altbäume bieten Lebensraum für Vögel, Insekten, Pilze und Flechten. Dagegen können sich auf fremdländischen Bäumen höchstens ein paar wenige Generalisten ansiedeln. Damit fehlt das Nahrungsangebot auch für weitere Arten.

Asphaltknacken

Viele asphaltierte Plätze würden ihrem Nutzen auch unversiegelt gerecht werden. So könnten alle Parkplätze, Hinterhöfe, Fusswege, Verkehrsbegleitflächen, Begegnungszonen und an Randbereichen der Asphalt geknackt und durch Ruderalflächen, Rasengitter, Kiesflächen oder ähnliches ersetzt werden. Auf diesen unversiegelten Flächen würden dann ökologisch wertvolle Pionierpflanzen und trockenliebende Pflanzengesellschaften gedeihen, welche auch gelegentliche Tritte überstehen. Neben dem erwünschten Kühlungseffekt bietet diese Vegetation vielen Insekten Nahrung.

Blaue Lungen

Wasserflächen – vor allem bewegte - sind wichtige Elemente für den Kühlungseffekt. Offen gelegte Fliessgewässer mit ihrer linienförmigen Struktur funktionieren ideal als Frischluftkorridor. Wenn den Fliessgewässern genug Platz eingeräumt wird, hilft dies auch, grosse Wassermengen bei Starkregenfällen aufzunehmen und Überschwemmungen entgegenzuwirken. Werden Bäche ausgedolt, Fliessgewässer revitalisiert, die Böschungen naturnah bepflanzt und gepflegt, entstehen wertvolle, wassergebundene Lebensräume und die Artenvielfalt profitiert.

Grüne Fassaden und Dächer

Wenn man von einem Aussichtspunkt auf eine Stadt schaut, sieht man lauter Hitzespender, denn: Ein unbegrüntes Dach wandelt 95% der langwelligen Einstrahlung in Wärme um. Dagegen wandelt ein begrüntes Dach rund 60% der Strahlung in Verdunstungskälte um, dessen Effekt sogar in den Räumen unterhalb spürbar sein kann. Übrigens schliessen sich begrünte Dächer und Solaranlagen nicht aus. Im Gegenteil: Die Effizienz der Anlage lässt sich durch den Kühlungseffekt der Pflanzen sogar noch leicht verbessern.
Eine begrünte Fassade reduziert die Feinstaubkonzentration um rund 50% in der nahen Umgebung und senkt die Oberflächentemperatur ums Gebäude bis zu 10%.
Wenn die Begrünung eines Daches oder einer Fassade mit einheimischen Pflanzen umgesetzt wird, entstehen viele neue biodiverse Flächen für Kleinstlebewesen mitten im Siedlungsraum. Hier liegt noch viel Potential brach, das unbedingt genutzt werden sollte.

Die Klima- und die Biodiversitätskrise können also gemeinsam angegangen werden. Und alle können ihren Beitrag dazu leisten. Packen wir es an.
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