Der Krieg in der Ukraine erschüttert die ganze Welt. Die westlichen Länder und die internationale Staatengemeinschaft sind sich einig: Russland erwarten scharfe Sanktionen. Ihr Ausmass allerdings überrascht. Nicht nur in Russland werden sie zu spüren sein. Aktuelles zu Börsen und Märkten erfahren Sie jetzt von Anlagechef Dr. Sandro Merino.
Einigkeit des Westens
Trotz unserer leidvollen Erfahrungen mit Kriegen in Europa und einer daraus resultierenden besonderen Verantwortung hat es viele überrascht, wie einig die westlichen Länder und die internationale Staatengemeinschaft auf die Aggression Putins geantwortet haben. Die überwältigende Verurteilung von Russlands Krieg gegen die Ukraine in der UN-Vollversammlung zeigt, dass sich Putin nicht nur in Europa und den USA, sondern in der grossen Mehrzahl der Staaten weltweit isoliert hat.
Überrascht haben neben der Einigkeit der Staaten auch das Ausmass und die Zahl der ergriffenen Sanktionen. In ihrer Gesamtheit stellen sie eine schwere Bürde für Russlands Wirtschaft und deren zukünftige Entwicklungsperspektive dar. Die Sanktionen werden auch westliche Länder speziell in der Mitte und im Osten von Europa treffen. Und auch wir werden die getroffenen Massnahmen direkt oder indirekt zu spüren bekommen. Sei es durch die gestiegenen Preise an der Zapfsäule, durch steigende Heizkosten, sei es aber auch durch steigende Nahrungsmittelpreise oder steigende Produktionskosten auf Seiten der Unternehmen. Dass die Länder in Europa davon deutlich unterschiedlich betroffen sind, tut der Solidarität keinen Abbruch. So ist der Anteil fossiler Brennstoffe bei der Erzeugung von Elektrizität in der Schweiz vernachlässigbar und auch die Zahl der mit Gas betriebenen Heizungen ist deutlich geringer als in Deutschland. Andererseits wird die Schweizer Wirtschaft das Ausbleiben russischer Touristen, die Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Rohstoffhandel, aber auch die Sanktionierung der Vermögen russischer Oligarchen zu spüren bekommen.
Notenbanken in der Zwickmühle
Auch die Notenbanken befinden sich nun in einer Zwickmühle – und zwar dies- und jenseits des Atlantiks. Die Inflationsraten lagen bereits vor Putins Angriff auf die Ukraine auf hohen Niveaus. Die Teuerungsrate betrug in den USA im Januar hohe 7.5 %, die für die Eurozone wurde für den Februar mit 5.8 % angegeben. Und selbst bei uns in der Schweiz stieg sie im Februar über die 2 % Marke auf nunmehr 2.2 %. Der Krieg im Osten Europas hat die Erwartungen all jener durchkreuzt, die für die kommenden Monate mit einem zumindest leichten Rückgang der Preissteigerung gerechnet haben. Alles also Faktoren, die den Notenbanken eine restriktivere Geldpolitik nahelegen würden. Andererseits beeinträchtigt Putins Krieg zumindest im laufenden Jahr die Wachstumsaussichten der Welt und speziell Europas. Auch wenn sich die Verlangsamung der Konjunkturentwicklung vor dem Hintergrund meist prall gefüllter Auftragsbücher in Grenzen halten dürfte, wäre dies eigentlich eine Situation, in der die Geldpolitik stützend wirken sollte.
Wir gehen dennoch davon aus, dass die US-Notenbank (Fed) am eingeschlagenen restriktiveren Kurs festhält, auch wenn Ausmass und Geschwindigkeit der Leitzinserhöhungen zunächst geringer ausfallen bzw. langsamer vonstattengehen dürften. Seitens der EZB ist dagegen ein erster vorsichtiger Zinsschritt in diesem Jahr in weite Ferne gerückt. Und auch die SNB dürfte an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten.
Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte
Ökonomen rechnen schon in diesem Jahr mit einem Einbruch der russischen Wirtschaftsleistung um 5% bis 10%. Die Frage, ob russische Exporte (inklusive Öl und Gas) seitens der USA und der EU gänzlich eingestellt werden sollen, ist weiterhin Gegenstand von Beratungen. Dieses Exportembargo wäre eine nochmalige erhebliche Verschärfung der bereits umgesetzten und ausserordentlich harten Sanktionen.
Für die Eurozone müssen die Wachstumsprognosen um etwa 0.5% bis 1% nach unten revidiert werden, eine Rezession zeichnet sich aber bislang noch nicht ab.
Die Inflation wird dieses Jahr mit über 4% auf einem deutlich höheren Niveau verharrten als bislang erwartet.
Die Auswirkungen auf die USA dürfte beim Wachstum geringer bleiben. Die Inflation wird aber mit über 7% für einige Zeit wohl sehr hoch bleiben. Für die anstehenden US-Kongresswahlen spielen die hohen Energiepriese eine wichtige Rolle. Dies setzt Joe Biden unter Druck die Auseinandersetzung mit Putin erfolgreich zu bestreiten, damit er den ökonomischen, Preis den die Amerikaner dabei bezahlen rechtfertigen kann.
Auch auf die Schweizer Wirtschaft wird sich der Krieg gegen die Ukraine zumindest indirekt auswirken. Die verhängten Sanktionen dürften u. a. den Tourismus und den Rohstoffhandel beeinträchtigen. Im Gegensatz zu einigen anderen Ländern in Europa besteht aber ein deutlicher Unterschied in der Energieversorgung. Fossile Brennstoffe spielen bei der Schweizer Elektrizitätserzeugung kaum eine Rolle. Die Inflation dürfte länger etwas höher bleiben als bislang angenommen. Für 2023 liegt die Konsensprognose aber nach wie vor bei 0.6%.
Die Situation an den Finanzmärkten dürfte weiter volatil bleiben und weitere Verluste sind möglich. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass harte Importverzichte für russische Energielieferungen beschlossen würden. Die aktuellen Diskussionen darüber haben dazu geführt, dass heute Morgen der Ölpreis für die Sorte Brent kurzfristig auf fast 140 US-Dollar je Barrel gestiegen ist. Aktuell wird er wieder 130 US-Dollar gehandelt.
Dennoch zeichnet sich ab, dass Putin diesen Krieg nicht gewinnen kann und die Bereitschaft zu Verhandlungen steigen wird. Wie gross die menschlichen Opfer in der Ukraine sein werden und wie viele Millionen Menschen werden fliehen müssen, scheint auch heute weiterhin alleine in der Hand Putins zu liegen.
Heutige Marktentwicklung und Anlagestrategie
Die neue Woche beginnt an den Finanzmärkten mit Verlusten. SMI und Euro Stoxx 50 verlieren rund 3%. Die US-Aktienmärkte dürften am Nachmittag 1.5% tiefer eröffnen. Der Euro-Franken-Kurs wird nahe der Parität gehandelt. (Stand ca. 10:30, 07.03.2022, Basel Zeit)
Dr. Sandro Merino
Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management
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