Vermächtnis und Erbschaft: Ein kleiner aber feiner Unterschied

Das eigene Vermögen vererben oder vermachen: ist das nicht das Gleiche? Ganz und gar nicht, denn juristisch bestehen grosse Unterschiede. Erbschaftsberaterin Lillybeth Grumbacher zeigt, wie sich Erbe und Vermächtnis im Detail voneinander unterscheiden. 
Am 02.04.2024 in Rund ums Geld von Lillybeth Grumbacher

Auf einen Blick

  • Vermachen oder vererben? Die verschiedenen Begriffe können häufig zu Verwirrung führen. Von den entsprechenden Formulierungen hängt entgegen den Erwartungen vieler Menschen viel ab.
  • Entdecken Sie insbesondere die Beispiel-Formulierungen für Ihr Testament und die hilfreichen Zusatz-Tipps rund ums Vermächtnis.
  • Wir beraten Sie gern rund um Ihre persönliche Nachlassplanung. Vereinbaren Sie Ihr Beratungsgespräch noch heute.

Erbinnen und Erben: Das ist wichtig

Im Todesfall hinterlässt man als Erblasserin oder Erblasser das sogenannte Nachlassvermögen. Diesen Nachlass erhalten alle Erbinnen und Erben, die zusammen eine Erbengemeinschaft bilden. Das geht mit der Erlangung von Rechten und Pflichten einher. Die Erbinnen und Erben treten im Zeitpunkt des Todes von Erblasserin oder Erblasser vollumfänglich in deren Rechtstellung (sog. «Universalsukzession») ein. Mit der Annahme der Erbschaft übernehmen die Erbinnen und Erben nicht nur alle Guthaben (Aktiven), sondern auch sämtliche Schulden (Passiven) der bzw. des Verstorbenen.

Vermächtnisnehmerinnen- und Vermächtnisnehmer: Das ist wichtig

Im Unterschied dazu werden Vermächtnisnehmerinnen und -Nehmer nicht Teil der Erbengemeinschaft. Diese verfügen lediglich über einen Herausgabeanspruch gegenüber der Erbengemeinschaft in Bezug auf das ihnen zugewiesene Vermächtnis (auch «Legat» genannt). Vermächtnisnehmerinnen und -Nehmer haften im Gegensatz zu Erbinnen und Erben nicht für die Schulden der Erblasserinnen und Erblasser. Ein Vermächtnis stellt die Zuwendung einzelner Gegenstände (sog. «Sachlegat») oder bestimmter Geldbeträge (sog. «Barlegat») an eine bestimmte Person oder auch Institution dar. Vermächtnisse müssen zwingend in einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen, d.h. in einem Testament oder Erbvertrag, ausgesprochen werden.

Die wichtigsten Unterschiede auf einen Blick

 

Erbin bzw. Erbe

Vermächtnisnehmerin bzw. Vermächtnisnehmer

Rechtsgrundlage

Art. 457 ff. ZGB 

Art. 484 ff. ZGB 

Einsetzung

Von Gesetzes wegen (gesetzliche Erbinnen und Erben) oder mittels letztwilliger Verfügung (Testament oder Erbvertrag)

Nur mittels letztwilliger Verfügung (Testament oder Erbvertrag)

Rechtlicher Vorgang / Erwerbsart

Universalsukzession = Gesamtrechtsnachfolge

Singularsukzession = Einzelrechtsnachfolge

Rechtliche Stellung der Begünstigten

Dinglicher Anspruch (stärker)

Obligatorischer Anspruch (schwächer)

Mitglied der Erbengemeinschaft

Ja

Nein

Haftung für Schulden des Erblassers

Ja

Nein

Folge der Ausschlagung

Erbenstellung wird beseitigt

Vermächtnis bleibt bestehen

Vorteile

  • Mitspracherecht innerhalb der Erbengemeinschaft;
  • Vollständige Übernahme des Nachlasses bzw. direkte Beteiligung am Nachlass
  • Gezielte Zuwendung von Gegenständen oder Geldbeträgen möglich;
  • Keine Haftung für Schulden und sofortige Fälligkeit des Vermächtnisses

Nachteile

  • Solidarische Haftung gemeinsam mit den anderen Erbinnen und Erben für allfällige Schulden des Erblassers bzw. der Erblasserin;
  • Erbengemeinschaft als 'Gesamthandverhältnis';
  • Konflikte innerhalb der Erbengemeinschaft möglich
  • Kein direkter Zugang zum Nachlass;
  • Abhängigkeit von der Erbengemeinschaft, ob diese das Vermächtnis auch tatsächlich ausliefert

Vermächtnis oder Erbschaft: Was hat die Erblasserin bzw. der Erblasser gemeint?

«Vermachen» oder «vererben»? – Achtung bei der Wortwahl

Bei der Wortwahl und den entsprechenden Formulierungen eines Testaments (z.B. «ich vererbe» oder «ich vermache») ist Achtung geboten, da zwischen Vermächtnis und Erbschaft klar unterschieden werden muss.

Beispielsweise lässt die Formulierung «Ich vermache meinem Patenkind Paul das Picasso-Bild.» bei einer rein sprachlichen Auslegung auf ein Vermächtnis schliessen. Bei der Formulierung «Ich vererbe meinem Enkel Emil mein Ferienhaus in Davos.» müsste konsequenterweise davon ausgegangen werden, dass der Erblasser den Enkel als Erben einsetzen und diesem das Ferienhaus als Teilungsvorschrift zuweisen wollte.

Missverständnisse entstehen schnell

Denkbar wäre aber genauso, dass der Erblasser entgegen dem gewählten Wortlaut dem Enkel ein Sachvermächtnis in Form des Ferienhauses ausrichten wollte. Die unglückliche und zweideutige Wortwahl des Erblassers stiftet vorliegend vielmehr Verwirrung, als dass es Klarheit in die Sache bringt. Die Bezeichnung «Erbe» oder «Vermächtnis» stellen lediglich Indizien dar. Massgebend für die Frage, ob eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis vorliegen, ist der mutmassliche Wille des Erblassers.

Deutliche Formulierung im Testament wichtig

Damit es zu keinen derartigen Missverständnissen kommt, sollte man sich beim Vermächtnis auf eine klare und deutliche Wortwahl achten. Wichtig ist somit stets, dass Testamente nach dem Ableben von Erblasser bzw. Erblasserin insbesondere für Dritte einfach, verständlich und nachvollziehbar sind. Aus dem Testament muss klar hervorgehen, wen die Erblasserin oder der Erblasser in welcher Form begünstigen wollte.

Beispiel-Formulierungen

  • «Ich setze folgende Erbinnen / Erben ein: Meine Tochter Thea Meier, geb. 01.01.1960 und mein Enkel Emil Meier, geb. 02.02.1992, sollen je den gesetzlichen Erbteil erhalten.»
  • «Im Sinne einer Teilungsvorschrift ist Emil berechtigt, das Ferienhaus in Davos in Anrechnung an seinen Erbteil zu übernehmen.»
  • «Aus meinem Nachlass ist das Picasso-Bild an mein Patenkind Paul Müller, geb. 03.03.1993, als Vermächtnis auszurichten.»

Gegenstände genau benennen

Gegenstände genau benennen

Besitzen Sie mehrere gleiche oder ähnliche Gegenstände, bezeichnen Sie den spezifischen Gegenstand genau, damit klar ist, welcher gemeint ist (z.B. «das Auto Fiat 500» anstatt «mein Lieblingsauto»).

Vollständige Namen aufführen

Vollständige Namen aufführen

Nennen Sie Erbinnen und Erben und Vermächtnisnehmerinnen- und Nehmer mit Vor- und Nachnamen. Verwenden Sie keine Spitznamen (z.B. «Max Müller, geb. 04.04.1994» statt «mein guter Freund Mäxli»).

Erbinnen und Erben nicht vergessen

Erbinnen und Erben nicht vergessen

Vergessen Sie vor lauter Vermächtnisse die Erbinnen und Erben nicht und grenzen Sie die Vermächtnisse ein:

Es ist schön, wenn mit der Ausrichtung von Vermächtnissen einzelne Personen oder Institutionen begünstigt werden. Wichtig ist aber, dass – falls von der gesetzlichen Erbfolge abgewichen werden soll – entsprechende Erben eingesetzt werden. Wenn keine Erben bestimmt werden, kommt die gesetzliche Erbfolge zum Zug.

Bei der Ausrichtung von Vermächtnissen und der Einsetzung von Erben, darf jedoch nicht vergessen werden, dass je nach Familienkonstellation des Erblassers Pflichtteile zu beachten sind, welche nicht verletzt werden dürfen.

Da Vermächtnisse vorab ausgerichtet werden und der Nachlass erst im Anschluss daran unter den Erben geteilt wird, muss sichergestellt werden, dass insbesondere pflichtteilsgeschützte Erben ihren Pflichtteil erhalten.

An die steuerlichen Folgen denken

An die steuerlichen Folgen denken

Denken Sie an die Steuern. Ein Vermächtnis wird grundsätzlich wie ein Erbe besteuert. Wenn nichts Gegenteiliges verfügt wird, müssen der Vermächtnisnehmer bzw. die Vermächtnisnehmerin für die Steuern aufkommen, die im Zusammenhang mit dem Vermächtnis stehen. Unsere Fachspezialisten sind Ihnen gerne dabei behilflich, wie dieser Problematik Abhilfe geschaffen werden kann.

Fazit

Abhängig von Ihrer Situation, Ihren Wünschen und Bedürfnissen eignet sich die Erbschaft oder das Vermächtnis besser, um Ihre Liebsten im Todesfall zu begünstigen. Die Ausrichtung eines Vermächtnisses eignet sich insbesondere dann, wenn man jemandem eine bestimmte Sache oder einen bestimmten Geldbetrag zuwenden will, ohne ihn in die erbrechtliche (meist familieninterne) Auseinandersetzung mit einzubeziehen.

Wir empfehlen, sich beim Aufsetzen eines Testaments bzw. der Ausrichtung eines Vermächtnisses fachkundig beraten zu lassen. So können Sie Formfehler vermeiden und sicherstellen, dass Sie die richtigen Formulierungen in Ihrem Testament wählen.

Lassen Sie sich beraten

Welche Lösung zur Absicherung Ihrer Liebsten ist für Sie die richtige? In einem Beratungsgespräch prüfen wir gemeinsam alle Voraussetzungen und empfehlen Ihnen den Weg, der Sie persönlich weiterbringt.

Lillybeth Grumbacher

Erbschaftsberaterin

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