Dachbegrünung Basel: Marco lässt die Stadt erblühen

Mit seinem Verein «Dachbegrünung Region Basel» setzt sich Marco für das Wohl von Pflanzen, Vögeln und Insekten hoch über Basel ein. Seine ökologische Flachdach-Aufwertung wird aktuell von der Christoph Merian Stiftung gefördert und ist für alle Immobilienbesitzerinnen und -Besitzer unserer Stadt interessant.
Am 15.03.2022 in Nachhaltigkeit von Ekaterina Cámara

Steckbrief: Marco Güntert (24)

  • Wohnt in: Basel (aufgewachsen in Muttenz)
  • Studiert: Bachelor in Geografie und Politikwissenschaften, ab Herbst Masterstudium
  • Ehrenamtliches Engagement: Verein Dachbegrünung Region Basel
  • Lieblingscafé in Basel: Café Frühling
  • Lieblingsort in Basel: Hafenareal
  • Hobbies: Gärtnern, Radfahren, Klettern, Bouldern

147 Millionen Quadratmeter. So viel Platz schlummert auf den Flachdächern der ganzen Schweiz. Für Stadtökologen ein wahrer Rohdiamant. «Diese Fläche ist prädestiniert dazu, zu neuem Leben erweckt zu werden.», sagt Marco Güntert. In Basel-Stadt macht der 24-jährige Geografie- und Politikwissenschaftsstudent genau das: 2500 dieser Quadratmeter hoch oben im Freien liess er bereits neu erblühen. Darunter die Dächer des Departements für Biomedizin in der Mattenstrasse 28 sowie das Dach des Biozentrums. Wie? Mit seinem eigens gegründeten Verein «Dachbegrünung Region Basel» und der ökologisch hochwertigen Aufwertung dieser Flächen.

Vögel, Wildbienen und Insekten sagen «danke»

Um die Auswirkungen des Klimawandels in Basel abzuschwächen, machte Marco Nägel mit Köpfen: Durch die einzigartige Art des Vereins, die Dächer zu begrünen, entsteht auf jedem einzelnen Quadratmeter massenweise neues Leben: verschiedenste Insekten, Wildbienen, Vögel und auch Schmetterlinge finden auf den von Marco und den Vereinsmitgliederinnen begrünten Flachdächern neue wunderbare Lebensräume. Und in unserer städtischen Dichte sind sie voll und ganz auf diese angewiesen.

«Wir erschaffen keine Gärten zur Entspannung für Menschen. Sondern ungestörte Grünflächen, die als Trittstein und Rückzugsort für die unzählige Tierarten funktionieren», erklärt der Student. Im Sommer kühlend, im Winter isolierend, sind die vom Verein begrünten Flachdächer zudem auch aus energetischer Sicht ein voller Gewinn: in den Sommermonaten heizt das Haus durch die Substratschicht auf dem Dach weniger auf, im Winter entweicht durch das Substrat weniger Wärme nach aussen – es muss weniger geheizt werden.

Den «Wärmeinsel-Effekt» abschwächen: Wertvolle ökologische Lebensräume hoch über Basel

Marco beleuchtet seine Motivation, den Verein zu gründen, im Detail: «Grössere urbane Städte sind Wärmeinseln. Vollgespickt mit Beton und Asphalt sind sie regelrechte Hitzemagneten. Die gespeicherte Wärme geben sie entsprechend auch an ihre unmittelbare Umgebung ab. Das Resultat: die Stadt heizt stark auf. Dadurch – aber auch durch die fortschreitende Klimaerwärmung – sind vor allem in urbanen Gebieten im Sommer Tropennächte keine Seltenheit mehr. 

«Die von uns sinnvoll begrünten Gründächer haben viele Vorteile für Flora und Fauna. Zum Beispiel speichern sie auch auf natürliche Weise einen Teil des Regenwassers und geben diesen durch Verdunstung wieder in den natürlichen Kreislauf ab. Gleichzeitig wird dadurch so auch die Umgebung gekühlt.», so Marco.

Bild: Das aufgewertete Flachdach des Biozentrums im Juli 2021.

Gründächer speichern auf natürliche Weise einen Teil des Regenwassers und geben dieses durch Verdunstung wieder in den natürlichen Kreislauf ab.

Dachbegrünung Basel: Aktiv gegen den Klimawandel

In seiner Gesamtheit bringt der Klimawandel drastische Folgen für Natur, Tier und Mensch mit sich. Vor rund drei Jahren rief Basel-Stadt deshalb als erster Schweizer Kanton den Klimanotstand aus. Viele fragen sich immer öfter, was sie gegen den Klimawandel tun können. Sie möchten selbst Hand anlegen. Anpacken. Mithelfen. Das Klima retten. Oder, falls das nicht gehen sollte, es zumindest nicht noch schlimmer machen. «Das war auch der Grund für uns, die Gruppe Nachhaltigkeit an der Uni Basel ins Leben zu rufen. Innerhalb dieser gründeten wir 2020 schliesslich auch den Verein Dachbegrünung Basel.», erklärt der Bachelor-Absolvent.
Wir schaffen keine Gärten zur Entspannung. Sondern ungestörte Grünflächen, die als Trittstein und Rückzugsort für die unzählige Tierarten funktionieren.

Dachbegrünung ist nicht gleich Dachbegrünung

Seit über 20 Jahren gilt in Basel eine Dachbegrünungspflicht bei Sanierungen und Neubauten. Doch wie unterscheidet sich die klassische Begrünung vom Vorgehen des Vereins? «Die vorgeschriebene Substratdicke beträgt mindestens 12 Zentimeter.», erklärt Marco. «Wir versuchen jedoch immer, mit mehr als 15 Zentimeter Substrat zu arbeiten. Dann trocknet es im Sommer nicht so schnell aus. Die Kompost-Sandmischung, die wir bei unseren Aufwertungen verwenden, ist lokal und kommt aus Muttenz. Auch arbeiten wir mit viel Totholz aus dem Hardwald – dieses ist für Insekten und Bienen ein wichtiger Lebensraum, der bei der klassischen Dachbegrünung meist fehlt. Mit Schnittgut von Naturschutzflächen wie beim ehemaligen DB-Rangierareal im Norden Basels sorgen wir zudem dafür, dass gefährdete Tier- und Pflanzenarten die Chance bekommen, sich auf den Flachdächern Basels anzusiedeln.»

Bild: Dach des Departements für Biomedizin vor der Begrünung durch den Verein, Substrat ca. 10 Zentimeter

Bild: Dach des Departements für Biomedizin nach der Begrünung durch den Verein, Substrat ca. 16 Zentimeter

Christoph Merian Stiftung nimmt finanzielle Hürde für Dachbegrünung in Basel

Doch wie genau lässt sich nun eigentlich von der Dienstleistung des Vereins Gebrauch machen? «Alle Hausbesitzerinnen und Stockwerkeigentümer, die ein Flachdach besitzen, können sich bei uns melden.», so Marco. «Aktuell können wir dank der Christoph Merian Stifitung den Hauseigentümerinnen und -Eigentümern im Kanton Basel bei passenden Dachflächen zusätzlich die finanzielle Hürde nehmen. So können wir innert wenigen Tagen neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen und ökologisch wertvolle Biotope auf ihren Flachdächern erschaffen. Auch die Kombination mit Solaranlagen und Dachterrassen ist möglich.»

Der Verein kümmert sich dabei um alles von A bis Z: er besorgt das Substrat, kümmert sich um den Transport sowie die nötigen Kräne und erschafft neue grüne Welten hoch oben in den Lüften. Auch alle technischen und statischen Besonderheiten werden zuvor genau analysiert und berücksichtigt.

Grüne Dächer: Ein Vorteil für Solaranlagen

«Besitzerinnen und Besitzer von Solaranlagen müssen keineswegs auf eine hochwertige ökologische Dachbegrünung verzichten.», so Marco. «Aufgeständerte Solarmodule lassen eine vollflächige Kombination mit einer Flachdachbegrünung zu. Dabei bringen sich die beiden Massnahmen gegenseitig Vorteile. Die Solarmodule spenden Schatten und schützen vor Wind, wodurch einige Bereiche auf dem Dach länger feucht bleiben. Das fördert eine andere Zusammensetzung von Pflanzen- und Tierarten als jene, die man auf voll besonnten Dächern findet. Im Gegenzug kühlt der verdunstende Niederschlag auf begrünten Dächern die Solarmodule. Die Leistungsfähigkeit wird somit gesteigert.»
Immobilienbesitzerinnen- und Besitzer haben eine besondere Verantwortung, da sie über diese vielfältig ökologisch nutzbaren Flächen verfügen.

Nicht zögern - handeln

Offenbar gibt es jedoch viele, die noch zögern, wenn es um eine ökologisch  sinnvolle Dachbegrünung geht. Marco ermuntert: «Es lohnt sich für Immobilienbesitzerinnen und Besitzer sofort zu handeln. Sie sollten keine Angst davor haben, den 'Status quo' auf ihren Dächern zu verändern. Sie haben eine besondere Verantwortung, da sie über diese vielfältig ökologisch nutzbaren Flächen verfügen. Ihr Potenzial ist meist jedoch nicht voll ausgeschöpft.»

Viele würden mit dem Wort «Dach» zudem nur Probleme bei Dachschäden & Co. assoziieren und wollen es deshalb lieber nicht anrühren. «Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass diese Flächen neues Leben bedeuten können.», erklärt Marco. Ein weiterer positiver Aspekt für alle, die zweifeln: Die Dachbegrünungen schützen die Dachabdichtung besser vor Umweltbelastungen besser als ein einfaches Kiesdach und verlängern so sogar dessen Lebenserwartung.

Der junge Vereinsgründer ist voller Tatendrang und hält Ausschau nach weiteren begrünbaren Flächen. Er ist sich sicher: «Wer, wenn nicht wir wird für den Erhalt unserer Natur kämpfen? Ich denke, zu einem nicht unbedeutenden Teil haben wir unsere Zukunft und die Zukunft unserer Natur selbst in der Hand.»

Ekaterina Cámara

Redaktion

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