Nachfolgeplanung bei Kestenholz: Zwei Generationen, ein gemeinsames Ziel

Mit über 800 Mitarbeitenden und 7000 Autoverkäufen jährlich ist Kestenholz die grösste Mercedes-Benz Automobilhandelsgruppe der Region. Mit ihren fünf Standorten in der Schweiz geniesst sie auch in Basel grosse Beliebtheit. Nun trat Thomas Kestenholz in die Fussstapfen seines Vaters - des ehemaligen CEO Stephan Kestenholz. Alles über die gut geplante Stabsübergabe in unserem Interview.
Am 26.10.2022 in Finanzierungen

Das Wichtigste in Kürze

Das Wichtigste in Kürze

  • Wer sich mit der Nachfolgeplanung im eigenen Unternehmen oder KMU befassen möchte, sollte sich früh genug beraten lassen. 
  • Genau wie Stephan Kestenholz. Seine ersten Schritte bei der Planung seiner Unternehmensnachfolge machte er über zehn Jahre vor der eigentlichen Übernahme. 
  • Mit dem Prozess ihrer Nachfolgeregelung sind der ehemalige und der neue CEO rundum zufrieden. Möglich wurde der reibungslose Ablauf nicht zuletzt dank der Beratung ihrer Hausbanken.

«Solange die Familie zusammenhält, geht es weiter.» Diese Prognose stammt von Anna Kestenholz, der Ehefrau von Unternehmensgründer Erwin Kestenholz. Diese Bemerkung steht sowohl für einen Wunsch als auch für eine Überzeugung. Denn der Zusammenhalt der Familie hat die einst kleine Dorfgarage zu einem grossartigen Unternehmen wachsen lassen. Jeder Schritt auf diesem Weg wurde von allen mitgetragen. Dieser Rückhalt gab die Kraft, selbst schwierige Phasen gestärkt zu meistern. Und das ist heute noch so.

Erfahren Sie mehr über den Generationenwechsel, die Historie sowie die Erfolgsgeschichte der Kestenholz-Gruppe mit fünf Standorten in der Schweiz – einer davon in Pratteln. Wir konnten mit Senior Stephan Kestenholz und seinem Sohn Thomas Kestenholz sprechen.

Bild: Familie Kestenholz

Wann haben Sie sich zum ersten Mal ernsthafte Gedanken zu Ihrer Nachfolge gemacht? 

Stephan: Kurz nach der Geschäftsübernahme von unserem Vater (1992) wurde ich von einem älteren Freund angesprochen, ob ich die Nachfolgeplanung schon angegangen sei. Ich war dazumal 37 Jahre alt und habe ihn nicht so ernst genommen. Mit 40 habe ich dann die erste Phase der Nachfolgeplanung - die Trennung der Immobilien von den Betriebsgesellschaften – eingeleitet. Zwei Jahre Vorbereitung und rund drei Jahre Gespräche mit den Steuerverwaltungen sowie unseren Banken… und schon war ich 45 Jahre alt. Die Steuerverwaltungen gaben das OK allerdings mit einer Sperrfrist von fünf Jahren.

Wie hat Ihr Vater Sie auf die Nachfolge angesprochen?

Thomas: Direkt hat er mich nie angesprochen. Vielmehr haben wir nach meiner Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker 2004 gemeinsam einen Ausbildungsplan mit einem Vertrag abgeschlossen, bei welchem als Endziel die Geschäftsübernahme vereinbart wurde. Mit diesem Vertrag lag es an mir, die einzelnen Ausbildungsschritte erfolgreich zu absolvieren.

Welche Optionen hatten Sie damals in Betracht gezogen? War die Familienlösung schon immer klar oder gab es auch einen Plan B? 

Stephan: Grundsätzlich mussten die beiden Ehefrauen, die beiden Kinder von meinem Bruder Peter und meine beiden Kinder unter einen Hut gebracht werden. Die Option die Firma zu verkaufen und das Geld zu verteilen gab es grundsätzlich nicht. Die Idee, sich mit einer anderen grösseren Gruppe zusammenzuschliessen, hatte ebenfalls nur eine kurze Überlebenschance. Die einfachste Option war natürlich, nichts zu tun und die Holding Aktien nach Erbrecht aufzuteilen.

Wie sieht Eure Familienlösung im Detail aus und wie ist sie entstanden? Wie seid Ihr auf die Stimmrechts- und Aktienverteilung gekommen?

Stephan: Nach der Lektüre einiger Fachbücher über Unternehmensnachfolge, Gesprächen mit unseren Hausbanken sowie einigen Freunden war die Ausgangslage wie bei den meisten Familienunternehmungen. Das «grosse Geld» steckt in den Immobilien, der Kaufpreis der Holding Aktien ist so hoch, dass die Nachfolgegeneration das Geld nie aufbringen kann, um Ehefrauen oder Geschwister auszubezahlen. Die logische Konsequenz: die grossen Substanzwerte (Immobilien) müssen aus der Holding entfernt werden, damit die Betriebsgesellschaften so «leicht» wie möglich sind. Die Lösung hierfür war eine Aufspaltung der Holding. Alle Familienmitglieder bleiben an der Immobiliengesellschaft beteiligt, die Betriebsgesellschaft wird an die operative Nachfolgegeneration verkauft. Die Preisfindung war ganz einfach: Die durchschnittlichen Gewinne der letzten Jahre multipliziert mit dem Faktor drei. Ziel war es, dass die nächste Generation relativ schnell den Kaufpreis begleichen kann und somit frei ist in der Entwicklung der Gesellschaft. Betreffend Aktienverteilung in der operativen Gesellschaft gab es schon in der zweiten Generation (meinem Bruder und mir) die identische Aufteilung. Wir hatten beide je 50 % der Anteile. Ich hatte die Stimmenmehrheit - mit dem Ziel, dass einer, wenn nötig, die Richtung vorgeben kann. So mussten wir uns nicht endlos um eine Entscheidung bemühen brauchten keinen Rechtsanwalt mit einer Aktie, der den Daumen hoch oder runter hielt. An dieser Stelle möchte ich aber erwähnen, dass ich 40 Jahre mit meinem Bruder zusammenarbeiten durfte und es gab keine Generalversammlung, bei welcher ich meine Stimmenmehrheit einsetzen musste.

Wie war es für die restlichen Familienmitglieder, welche nur Nebenrollen spielen?

Thomas: Dies ist so nicht ganz korrekt. Mein Cousin Daniel Kestenholz und ich sind zu gleichen Teilen Inhaber der Kestenholz Automotive Holding AG. Er leitet operativ unsere Immobilien AG. Für meine Cousine Tanja sowie meine Schwester Michelle, welche operativ keine Automobilerfahrung besitzen, war ihre Nebenrolle immer passend. Man darf auch hier erwähnen, dass alle Familienmitglieder bei der Ausbildung und bei ihrem beruflichen Werdegang alle Möglichkeiten hatten und jeder frei entscheiden konnte.

Was war für Sie bei der Übernahme der Verantwortung entscheidend? 

Thomas: Das Vertrauen in die eigenen Stärken. Ich hatte die einzigartige Möglichkeit, in allen Bereichen eines Autohauses zu arbeiten und Erfahrungen zu sammeln. Somit war ich bestens für diese Aufgabe vorbereitet.

Wie sind Sie in fachlicher Hinsicht die Planung und Umsetzung der Nachfolgeregelung angegangen? Wie haben Sie die richtigen Partner gefunden? 

Stephan: Wie bereits erwähnt, dass lesen einiger Fachbücher tut immer gut. Es muss nicht alles neu erfunden werden. In fachlicher Hinsicht hat uns unser Treuhandbüro ganz nah begleitet. Auch unsere Hausbanken haben uns bei den alljährlichen Gesprächen immer wieder Bestätigungen oder Vorbehalte mitgegeben. Rechtsberatung haben wir erst dann in Anspruch genommen, als es darum ging, unsere Lösung in rechtsverbindliche Verträge zu fassen.

Würden Sie aus heutiger Sicht bei der Beratung etwas anders machen?

Thomas: Nein.

Was darf man bei der Planung der Nachfolge auf keinen Fall vergessen? 

Thomas: Den Einbezug aller Familienmitglieder sowie den frühzeitigen Beginn der Planung mind. 10 – 15 Jahre vor dem Übergang.

Stephan: Wie Thomas sagt, ist das Wichtigste die Zeit. Grundsätzlich befasst man sich mit dem Tagesgeschäft und hat nicht immer die Motivation, an die Nachfolgeregelung zu denken. Gleichzeitig sind die zeitlichen Rahmenbedingungen, um verbindliche Auskünfte der zuständigen Steuerbehörde umzusetzen, langwierig und meistens mit fünfjährigen Sperrfristen belegt. Und am Ende sollte man dem alten Sprichwort folgen, das man nur mit warmen Händen verteilen kann.

Welche Fehler habt ihr aus heutiger Sicht gemacht?

Thomas: Ich denke, wir können mit Stolz sagen, dass wir keine Fehler gemacht haben.

Wie gewöhnt man sich an das Loslassen?

Stephan: Das Loslassen aus dem Tagesgeschäft war nach über 40 Jahren Berufsleben kein Problem. Die täglichen Anforderungen seitens der Kunden, Mitarbeitenden, aber auch Lieferanten sind nicht nur ein Zuckerschlecken, man wird dünnhäutiger, muss sich mehr anpassen und Neues akzeptieren, obwohl man doch der Meinung ist, das Alte sei besser. Schön ist, dass ich als Verwaltungsratspräsident im strategischen Bereich noch mitgestalten kann. Auch meine befristete Aufgabe, das «Classics & Sportcars Center» in die Zukunft zu führen, macht mir grosse Freude und beschäftigt mich noch laufend. Gleichzeitig darf ich ja auch noch einen Blick auf die Entwicklung unserer Immobilien werfen, was mir ebenfalls Freude bereitet.

Wie fühlt sich die neue Verantwortung für Sie an? 

Thomas: Es erfüllt mich mit grossem Stolz diese Verantwortung zu tragen. Ich spüre aber sicherlich auch einen gewissen Erfolgsdruck und die Bürde, das Unternehmen mit all seinen Mitarbeitenden erfolgreich weiterzuführen.

Was haben Sie von Ihren Vorgängern übernommen und was nicht?

Thomas: Da ich bereits in die wichtigen Entscheidungen der letzten Jahre involviert war und wir gemeinsam einiges entschieden haben, konnte ich vieles belassen und weiterführen. Aktuell sind wir dabei einige Digitalisierungsthemen zu adressieren, wobei es natürlich auch einen Veränderungsprozess benötigt.

Wie hat das Generationen-Tandem in den aktuellen Krisen gearbeitet? 

Thomas: Hervorragend. Es besteht immer noch ein reger Austausch zwischen der zweiten und dritten Generation.

Stephan: Die Corona- sowie die Halbleiter- und Chipkrise war für uns am Ende doch eher positiv. Thomas hat seine ersten zwei Geschäftsjahre hervorragend gemeistert und neue Rekorde geschrieben. Das jetzige wirtschaftliche Umfeld mit dem Ukraine-Konflikt und dem Energiedebakel macht mir sehr viel mehr Kopfzerbrechen als Thomas. Er hingegen ist überzeugt, dass diese Entwicklung eher von kurzfristiger Natur ist. Ich denke aber, wir harmonieren sehr gut. Wir wägen gemeinsam das Risiko ab und am Ende setzt sich der unternehmerische Mut durch.

Wie sehen Sie Ihren Betrieb über die nächsten Jahre mit Blick auf Nachhaltigkeit und Elektromobilität? 

Thomas: Nach der Übergabe haben wir gemeinsam unser Leitbild 2025 entwickelt. In diesem sind Punkte wie Rentabilität, Ein-Markenstrategie oder auch die Digitalisierung klar definiert. Diese festgelegten Ziele gilt es auch weiterhin zu verfolgen. Was das Thema Nachhaltigkeit angeht, leiten wir beispielsweise gerade die Bestückung unserer grossen Dächer mit Photovoltaik-Anlagen ein. Gleichzeitig werden wir im nächsten Jahr ein Umweltzertifikat nach ISO 14001 abschliessen und somit auch in diesem Bereich in der Automobilbranche Vorreiter sein. Auch beim Thema Elektromobilität haben wir selbstverständlich Massnahmen eingeleitet wie z. B. Anpassungen der Aftersales-Infrastruktur, Installation von Ladesäulen und Ausbildung des Fachpersonals. Wichtig ist aber die Erkenntnis, dass die individuelle Mobilität noch immer eine sehr hohe Nachfrage hat.

Wie haben sich die Prioritäten durch die Elektromobilität und die Lieferengpässe verschoben?

Thomas: Die Prioritäten verschieben sich aktuell von einem Angebots- zum einem Nachfragemarkt, bei welchem die Qualität und die Dienstleistung in den Fokus rücken.

Hand aufs Herz: Haben Sie zu teuer von Ihrem Vater übernommen?

Thomas: Nein! Mein Vater sagt immer: «Was nichts kostet, ist nichts wert.» Gleichzeitig war immer wichtig, dass wir die Firma nicht einfach geschenkt bekommen, sondern dass man auch sein eigenes Geld investieren muss und den nötigen Respekt vor der Aufgabe hat.

Haben Sie einen Tipp an die Leserschaft, was man auf jeden Fall bei der Nachfolgeplanung beherzigen muss?

Thomas: Zeit und die Familie.

Stephan: Man sollte sich unternehmerische und persönliche Ziele setzen. Die Ziele aufschreiben und mit Terminen versehen und nicht vergessen: auch an Erfolgen und Zielerreichungen darf man Freude haben. Auch wichtig: Kompromissbereitschaft und der Wille, harmonische Lösungen umzusetzen, bei welchen niemand als Verlierer dastehen muss.

Über die Kestenholz-Gruppe

  • Der Grundstein für die heutige Kestenholz-Gruppe wurde vor 70 Jahren am 30. April 1952 von Erwin Kestenholz in Niederdorf/Schweiz gelegt.
  • Seit der Gründung hat sich vieles verändert. Aus einem Ein-Mann-Betrieb ist die heutige Kestenholz-Gruppe gewachsen, eine mittelgrosse inhabergeführte Automobilhandelsgruppe der Marke Mercedes-Benz, welche an 11 Standorten in Südbaden, Koblenz (Rheinland-Pfalz) sowie in der Region Basel vertreten ist.
  • Mit rund 820 Mitarbeitenden und 7000 Fahrzeugverkäufen wird heute ein Umsatz von etwa 500 Millionen erwirtschaftet.
  • Am 1. Januar 2020 fand der Wechsel von der 2. zur 3. Generation statt.

Michael Baumberger, Leiter KMU Basler Kantonalbank

Herr Baumberger, in den nächsten Jahren werden zahlreiche Schweizer KMU ihre Nachfolge regeln müssen. Wie beurteilen Sie die Situation?

Etwa jedes siebte KMU in der Schweiz ist gemäss aktuellen Studien mit der Nachfolgeregelung in der Führung beschäftigt. Je nach gewählter Lösung der Nachfolge und auch im Sinne der Vorsorgesituation der aktuellen Inhaberinnen und Inhaber ist es sinnvoll, dieses Thema möglichst früh anzugehen. Die Planung der Nachfolge, gefolgt von einer steueroptimierten Umsetzung, nimmt durchaus einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren ein.

Welchen Herausforderungen müssen Unternehmen sich bei der Nachfolgeplanung stellen?

Die Herausforderungen sind unterschiedlicher Art. Für die bisherigen Unternehmerinnen und Unternehmer ist die Nachfolgeplanung häufig eine emotionale Angelegenheit. Oft ist auch unklar, ob sie die Firma innerhalb der Familie übergeben oder an Mitarbeitende oder Externe verkaufen wollen. Ebenso muss die persönliche Vorsorgesituation für die abtretenden Unternehmerinnen und Unternehmer gut geprüft werden.

Viele KMU finden keine Nachfolgerin, bzw. keinen Nachfolger. Warum ist die Misserfolgsrate derart hoch?

Von dieser Problematik sind meistens kleine Unternehmen betroffen. Hier scheitert es in den meisten Fällen daran, dass keine geeignete Persönlichkeit gefunden wird, welche den Betrieb in der bisherigen Form übernehmen will. Einerseits, weil die Mitarbeitenden ebenfalls mit den Unternehmerinnen und Unternehmern mitaltern. Andererseits, weil nicht viele Angestellte gewillt sind, das unternehmerische Risiko mitzutragen oder die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen.

Was müssen Unternehmerinnen und Unternehmer beachten, wenn sie in den nächsten Jahren ihre Nachfolge regeln sollten?

Die frühzeitige und strukturierte Planung löst viele Probleme, denn so ist das Unternehmen vorbereitet für diesen wichtigen Schritt. Wenn firmen- oder familieninterne Lösungen angestrebt werden, ist wichtig, dass die neue Generation frühzeitig in die Verantwortung miteinbezogen wird: sei es für die strategische Ausrichtung, der notwendigen Kenntnisse der Tätigkeiten wie auch die Beziehungen zu Kunden und Lieferanten. Für die finanzielle Strukturierung kann die Bankberaterin oder der Bankberater als Sparring Partner agieren und für spezifische Fragestellungen auch das eigene Netzwerk einbringen.

Sie beschäftigen sich mit Ihrer Nachfolgeplanung? Dann sind Sie bei uns genau richtig. Lassen Sie sich von unseren Expertinnen und Experten individuell rund um die Übergabe Ihres Unternehmens beraten.