«Ja zum echten Wohnschutz»: Herausforderungen und Chancen

Was heisst die angenommene Initiative «Ja zum echten Wohnschutz» für Immobilienbesitzerinnen- und Besitzer? Und was sind die Auswirkungen auf Investorenkreise? Andreas Zappalà, Geschäftsführer Hauseigentümerverband Basel-Stadt, steht uns heute Rede und Antwort.
Am 20.12.2021 in Finanzierungen von Ekaterina Cámara

Darum geht's:

  • Am 28. November 2021 hat das Basler Stimmvolk die Initiative «Ja zum echten Wohnschutz» angenommen.
  • Mögliche Auswirkungen der Initiative: Erschwerte Bedingungen für Sanierungen und Modernisierungen und ein an Attraktivität einbüssender Immobilienmarkt in Basel-Stadt.

Das Wohnraumfördergesetz & «Ja zum echten Wohnschutz»

Im Juni 2018 haben die Basler Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Initiative «Wohnen ohne Angst vor Vertreibung. JA zu mehr Rücksicht auf ältere Mietparteien (Wohnschutzinitiative)» zugestimmt. Deshalb wurde in der Kantonsverfassung festgehalten, dass der Staat sich für den Erhalt und den Schutz des bestehenden bezahlbaren Wohnraums einsetzt. Um die Initiative und den Verfassungsauftrag umzusetzen, wurde das Wohnraumfördergesetz mit zusätzlichen Bestimmungen zum Wohnschutz ergänzt.

Die Änderung des Wohnraumfördergesetzes führt eine zusätzliche Bewilligungspflicht und eine 5-jährige Mietzinskontrolle bei Sanierung, Umbau und Abbruch von bezahlbarem Mietwohnraum ein. Damit setzt sie den in der Verfassung verankerten Wohnschutz auf Gesetzesebene um.

Herr Zappalà, die Initiative «Ja zum echten Wohnschutz» wurde von der Basler Bevölkerung angenommen. Worum geht es dabei?

Die Initiative hat erwirkt, dass künftig der gesamte Wohnungsbestand mit wenigen Ausnahmen, so z.B. Genossenschaftswohnungen, geschützt sein soll. Ein Abbruch von Liegenschaften soll kaum mehr zulässig sein. Sanierungen können nur noch unter erschwerten Bedingungen und mit Auflagen durchgeführt werden. Es wird eine Bewilligungspflicht eingeführt, die mit einer Mietzinskontrolle verbunden wird. Der Vermieter erhält die Bewilligung nur, wenn er sich der bewilligten Miete für fünf Jahre unterwirft. Erschwerend kommt hinzu, dass der bewilligte Mietaufschlag dem Hauseigentümer zudem erst im Nachhinein, also erst nach ausgeführter Sanierung, mitgeteilt wird. Dies ist ein enormes Hindernis für Sanierungen. De facto bedeutet dies für die Zukunft drei Dinge: weniger (hochwertige) Sanierungen und Modernisierungen in Basel, weniger Investitionen in Basels Immobilien und mehr Bürokratie.

Wann tritt das neue Gesetz in Kraft und in welchen Fällen wird es gelten?

Das Gesetz tritt spätestens am 1. Juni 2022 in Kraft. Es beinhaltet Bestimmungen, die generell gelten, wie die Erschwernisse beim Abbruch und bei Sanierungen, und solche, welche grundsätzlich bei einem Leerwohnungsbestand von 1,5 Prozent oder weniger greifen, wie die Mietzinskontrolle oder das Rückkehrrecht der Mieter. Laut offizieller Leerstandserhebung vom Statistischen Amt des Kantons Basel-Stadt vom Juni 2021 liegt die Leerstandquote aktuell bei 1,1%. Wie erwähnt wird beim Abbruch und anschliessendem Neubau generell ein strengeres Regime gelten: Dieser ist auch bei höheren Leerstandsquoten nur zulässig, wenn man mehr Wohnraum als vorher schafft. Und das bei von Anfang an «gedeckeltem» Mietzins.

Kann man den aktuellen Leerstands-Statistiken in Basel trauen?

Meines Erachtens ist die derzeitige Leerstandsmessung nicht zufriedenstellend. Sehr viele leerstehende Wohnungen in Basel-Stadt werden nicht mit in die Statistik aufgenommen, zum einen bewusst, andererseits weil Daten fehlen. Das ist unserer Meinung nach ein grosses Problem.

Was ist für Sie das Hauptproblem am «Ja zum echten Wohnschutz»?

Für uns ist es die Tatsache, dass sanierte Wohnungen nun auch nach einer finanziell anspruchsvollen Sanierung in der gleichen Preiskategorie verbleiben müssen, wie vor der Sanierung. Es dürfen künftig nur minimale Anpassungen am Mietzins vorgenommen werden. Das macht hochwertige Sanierungen und zum Teil auch bereits einfache Sanierungen beinahe unmöglich.

Heisst das, die Initiative produziert Wohnungen mit Renovationsstau?

Im Grunde genommen schon.

Hat dies Auswirkungen auf Investorinnen und Investoren?

Ja, sie investieren nun viel lieber in Basel-Land: in Binningen, Bottmingen und Birsfelden, aber nicht mehr bei uns. Wie wir es auch bereits bei der 3-jährigen Mietzinskontrolle in Genf gesehen haben, bringen solche «Mietdeckel» auf lange Sicht nicht viel. Es gibt auch bereits viele negative Erfahrungen aus der Vergangenheit, aus den USA, Schweden und Deutschland und vor allem Berlin. Dort wird fast nicht mehr saniert, die Objekte verkommen, man lässt die Wohnungen leer und der Restbestand wird teurer.

Die Initianten der Initiative wollen günstigen Wohnraum schaffen. Ist das nicht löblich?

Das ist per se nicht falsch. Es ist auch nicht in unserem Sinne, die Mieten in die Höhe zu treiben. Jedoch sind wir für eine ausgeglichene Situation auf dem Immobilienmarkt, die auch Investitionen zulässt. Dies kommt letztlich auch der Stadt Basel und der Gesellschaft als Ganzes zugute.

Sind Mieterinnen und Mieter dank Annahme der Initiative überhaupt besser geschützt?

Nur auf dem Papier. Ob es tatsächlich etwas bringt, ist fraglich. So dürfte der Mietzins einfach nach Ablauf der fünfjährigen Mietzinskontrolle steigen. Wenn nicht mehr in Neubauten und Modernisierung des Wohnungsbestands investiert wird, schadet das letztlich auch den Mietenden.

Laut dem Basler Mieterverband gibt es in unserer Stadt permanent Massenkündigungen und Menschen landen auf der Strasse?

Dies sind Einzelfälle und es werden vom Mieterverband auch immer wieder die gleichen Fälle als Beispiele kommuniziert. Diese sind natürlich in der Tat sehr bedauerlich, doch es handelt sich um eine geringe Anzahl an Einzelfällen und nicht um die allgemeine Norm.

Sehen Sie weitere Nachteile an der Initiative?

Die Beschränkungen und Vorgaben bei Abbruch, Sanierung und Umbau erschweren auch ökologische Sanierungen. Diese werden gar verunmöglicht. Dies ist äusserst bedenklich – vor allem auch angesichts der Nachhaltigkeitsziele unserer Stadt. Auch die Transformationsareale Basels sehe ich durch die Initiative aus wirtschaftlicher Sicht bedroht. Auch neu erstellte Wohnungen, zwar nicht bei der Erstvermietung, aber danach, unterliegen bereits diesen Schutzbestimmungen. Man wird sich aber überlegen, ob man unter diesen Prämissen in Basel-Stadt noch in Mietwohnungen investieren will.

Wie wird sich die Lage für Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer nun entwickeln?

Die negativen Folgen der angenommenen Initiative kommen, wie dies meistens der Fall ist, nicht sofort zutage. Es wird einige Zeit vergehen, bis sich die negativen Auswirkungen in der allgemeinen Wahrnehmung bemerkbar machen. Nämlich dann, wenn Sanierungen aus finanziellen Gründen unterlassen werden. Dies wird nicht von heute auf morgen der Fall sein. Jedoch ist uns schon jetzt bewusst, dass unsere Stadt so weder nachhaltiger noch attraktiver werden kann.

Was raten Sie Besitzerinnen und Besitzern von Immobilien?

Da das neue Gesetz erst Mitte 2022 in Kraft tritt, ist es anzuraten, allfällige spruchreife Projekte jetzt noch umzusetzen. Wer Stockwerkeigentum begründen will, sollte das auch noch jetzt tun.

3 Fragen an Tobias Stern, Leiter Immobilienkunden CH bei der BKB

Wie bewerten Sie «Ja zum echten Wohnschutz»?

Die Annahme der Initiative «Ja zum echten Wohnschutz» hat bei Hauseigentümern für Unsicherheit gesorgt und verständlicherweise kommen Fragen auf: Wie sollen Sanierungen künftig ablaufen? Was dürfen sie noch kosten? Wie darf sich die Sanierung im Mietzins wiederspiegeln? Diese Fragen gilt es nun zu analysieren und die Profitabilität von hochwertigen Sanierungen muss genau geprüft werden. Für Investorinnen und Investoren wird der Immobilienmarkt in Basel damit noch herausfordernder.

Wird es nun wirklich schwieriger Immobilien zu sanieren?

Der Prozess wird um Einiges umfangreicher. An den baugesetzlichen Bestimmungen ändert sich grundsätzlich nichts. Man braucht also wie früher eine Bewilligung vor allem für Aussen- und Grosssanierungen. Neu muss jedoch auch eine Bewilligung gemäss revidiertem Wohnraumfördergesetz (WRFG) eingeholt werden. Nach dem «Ja zum echten Wohnschutz» muss man zudem selbst für Sanierungen im Innenbereich, welche baugesetzlich über das Meldeverfahren laufen, eine solche Bewilligung einholen – das macht natürlich vieles komplizierter. Der bürokratische Aufwand steigt somit künftig an.

Kann die Basler Kantonalbank Eigentümerinnen und Eigentümern von Immobilien trotzdem dabei helfen?

Natürlich. Daran ändert «Ja zum echten Wohnschutz» nichts. Wir begleiten unsere Kundinnen und Kunden auch weiterhin sehr eng und greifen ihnen bei der Finanzierung von (Um)bau und Sanierungen unter die Arme. Für die Umsetzung nachhaltiger Massnahmen künftig sogar in Zusammenarbeit mit Partnern, unter anderem mit der IWB. Die hohe Beratungskompetenz der IWB beim Erreichen der Energieeffizienz können wir jetzt direkt unseren Kundinnen und Kunden beim Bau oder der Sanierung einer Immobilie weitervermitteln.

Ekaterina Cámara

Redaktion

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