Claudine Gertiser: Von der Start-up-Gründerin zur Co-CEO von Oris

Von einer jungen Gründerin zur Co-CEO der weltbekannten Uhrenmarke Oris – Claudine Gertisers Weg ist eine Geschichte von Mut und Unternehmergeist. Im Gespräch gibt sie Einblicke in ihre grössten Herausforderungen, ihre Erfolgsstrategien und die Werte, die sie antreiben.
Am 05.02.2025 in Finanzierungen von Filippo Muscara

Zur Person

  • Nach einem Jobverlust gründet Claudine Gertiser mit 23 Jahren die Werbe- und Promoartikel-Firma SimCla.
  • Nach 20 Jahren SimCla übernimmt sie als erste Frau das Ruder als Co-CEO bei Oris, dabei arbeitet sie noch während 5 Jahren paralell für SimCla.
  • Heute leitet sie gemeinsam mit Rolf Studer die renommierte Uhrenmanufaktur Oris in Hölstein.

Manchmal erzählt das Leben Geschichten, die wie ein Drehbuch für einen Film wirken: Eine junge Frau verliert ihren Job, gründet mit Anfang 20 ein eigenes Unternehmen und schafft es, eine kleine Handelsfirma zu einem führenden Player im Bereich Promotions- und Werbeartikel zu entwickeln. 20 Jahre später schlägt sie ein neues Kapitel auf und übernimmt die Führung einer der ältesten und renommiertesten Uhrenhersteller der Schweiz. Claudine Gertiser, Co-CEO der Uhrenmarke Oris, gewährte im Rahmen eines Abends für Unternehmerinnen im Haus der Wirtschaft Pratteln spannende Einblicke in ihren Weg, ihre Herausforderungen und ihre Visionen. Das Gespräch haben wir hier für Sie nochmals abgebildet. Weiter unten finden Sie einen Mitschnitt des Events.

Frau Gertiser, Sie haben mit 23 Ihre eigene Firma, die Handelsfirma für Promotions- und Werbeartikel SimCla, gegründet. Was hat Sie dazu inspiriert, ein eigenes Unternehmen zu gründen?

Inspiriert hat mich sicher mein Vater mit seiner unternehmerischen Tätigkeit bei Oris. So jung zur Unternehmerin zu werden war allerdings Glück im Unglück. Die Firma bei welcher Simone (Sim) und ich (Cla) angestellt waren, wurde aufgelöst. Mit qualitativ hochwertigen Pins (Anstecknadeln) hatte die Firma ein Produkt, welches zu dieser Zeit voll im Trend lag. Auf diesen Zug sind wir aufgesprungen und haben die SimCla AG gegründet. Rasch haben wir unser Sortiment weiterentwickelt, immer wieder neue Trends aufgespürt und SimCla zu einem namhaften Player für Promotions- und Werbeartikel gemacht. Auch heute nach mehr als 30 Jahren noch immer eine gute Adresse in Basel.

Welche Ressourcen waren bei der Umsetzung der Geschäftsidee für Sie von zentraler Bedeutung?

Wir kannten den Markt, hatten ein gutes Netzwerk von Partnern für die Herstellung von qualitativ hochwertigen Pins, erste Kundenkontakte und einen Bankkredit. Mein Vater hat uns bei der Businessplanung unterstützt und ist als Aktionär eingestiegen. Dabei war es ihm wichtig, dass Simone und ich mindestens gleich viel investierten.
Die reichhaltige Geschichte, die Markenwerte und die mechanischen Uhren haben mich überhaupt dazu bewogen, die SimCla loszulassen und die Chance bei Oris zu packen.

20 Jahre später sind Sie bei Oris eingestiegen und haben parallel aber noch 5 Jahre bei SimCla weitergemacht. Sie haben Familie und sind Mutter. Wie haben Sie alles unter einen Hut gebracht?

Dank vielen grossartigen Menschen in meinem Umfeld. Nach meinem Einstieg ins Tagesgeschäft bei Oris haben Mitarbeitende der SimCla dort die Geschäftsführung übernommen. Eine vollständige Übernahme hat sich dann nach fünf Jahren ergeben. Mein Mann und die ganze Familie haben mich immer sehr unterstützt und mitgezogen – es ist ein «Familienbetrieb», den es ebenfalls zu organisieren gilt. Dazu musste ich meinen Hang zum Perfektionismus drosseln und akzeptieren, dass ich nicht immer überall dabei sein kann.

Oris hat vor Ihrem Antritt im 2014 diverse Hochs und starke Tiefs durchlebt. Wie war es für Sie, das Ruder eines so geschichtsträchtigen Unternehmens zu übernehmen?

Ich bin mit Oris aufgewachsen und fühlte mich der Marke schon sehr verbunden. Gerade die reichhaltige Geschichte, die Markenwerte und die mechanischen Uhren haben mich überhaupt dazu bewogen, mein erstes Baby, die SimCla loszulassen und die Chance bei Oris zu packen. Es war spannend zu erkennen, weshalb Oris so einzigartig ist. Es ist eine Ehre, zusammen mit einem leidenschaftlichen Team die Geschichte von Oris weiterschreiben zu dürfen und unabhängig unseren eigenen Weg weiterzugehen.

Hatten Sie dafür einen Plan, also eine Art Business Plan?

Bevor ich eine Führungsaufgabe übernommen habe, wollte ich das Geschäft besser verstehen. Deshalb habe ich die ersten beiden Jahre mehr als «Lehrling» und an Projekten gearbeitet. Oris feierte gerade das 110-jährige Jubiläum und hat nach einer Pause von 35 Jahren wieder eine Uhr mit einem eigenen Werk lanciert – das Calibre 110 mit 10 Tagen Gangreserve und einer patentierten Anzeige der Gangreserve. Dies ist im Markt sehr gut angekommen und war ein wichtiger Grundstein für die Zukunft von Oris. Es hat uns bestärkt weiter an Innovationen mit sinnvollen Funktionen zu arbeiten. Es folgte ein mechanischer Höhenmesser sowie ein eigenes Automatikwerk mit 5 Tagen Gangreserve und 10 Jahren Garantie. Damit haben wir in der Industrie einen neuen Standard gesetzt. Wir bauen auf unserer Tradition auf und wollen schöne mechanische Uhren erschaffen, die Freude machen und zum Weltbürger von heute passen.
In einer Unternehmung sind diverse Teams mit ergänzenden Eigenschaften über alle Ebenen sicherlich ein Vorteil.

Oris präsentiert sich 1938 als einer der ersten Arbeitgeber, der explizit Gleichheit für Frau und Mann bietet. Trotzdem ist die Ära Oris von Männern geprägt – bis 2016 als Sie als Frau übernommen haben. Ein geplanter Schritt für die Aussenwirkung oder einfach ein natürlich entstandener Zufall?

Sicher ein natürlicher Zufall.

Sie führen das Unternehmen zusammen mit Rolf Studer. Profitiert der Mix von der optimalen Ergänzung unterschiedlicher Eigenschaften von Frau und Mann oder kann man das Thema Frau/Mann im Unternehmertum vernachlässigen, respektive sich auf die generell unterschiedlichen Eigenschaften von Menschen fokussieren?

In einer Unternehmung sind diverse Teams mit ergänzenden Eigenschaften über alle Ebenen sicherlich ein Vorteil. Dass Rolf und ich als Führungsteam gut funktionieren, führe ich vielmehr auf ergänzende Eigenschaft von Menschen zurück und das gemeinsame Verständnis für unsere Werte.

Welche Kompetenzen und Qualitäten sind aus Ihrer Sicht für eine erfolgreiche Gründerin bzw. Geschäftsführerin von zentraler Bedeutung?

Für mich war es ein grosser Vorteil den Markt, das Produkt und die Kunden zu kennen. Die unternehmerischen Fähigkeiten habe ich mir «on the job» angeeignet und lerne auch jeden Tag immer noch dazu. Die Qualitäten und Kompetenzen können sicherlich auch unterschiedlich sein, wichtig ist der Traum  - die Vision. Um auf eine gute Flughöhe zu kommen und über Jahre erfolgreich zu bleiben, war Ausdauer und Spass an der Arbeit wichtig. Dazu hilft sicher auch eine Portion gesunder Menschenverstand.

Welche Herausforderungen und Aufgaben werden aus Ihrer Sicht tendenziell unterschätzt?

Obwohl ich nicht mit einem Spaziergang gerechnet habe, wurde ich von der Anzahl und Vielfältigkeit der Herausforderungen überrascht. Zugleich macht es dies unglaublich spannend und kein Tag ist gleich wie der andere. Mir ist die Kundengewinnung leichter gefallen als erwartet, dafür habe ich die Arbeiten hinter der Kulisse wie die Administration, Organisation und Mitarbeiterführung unterschätzt.
Zögern Sie nicht, Ihren Traum zu verwirklichen. Vertrauen Sie darauf, dass es immer Lösungen gibt und gehen Sie Ihren eigenen Weg.

Welche Tipps würden Sie einer zukünftigen Unternehmensgründerin mitgeben?

Nicht zögern den Traum zu verwirklichen  - natürlich mit einem Plan, am besten in verschiedenen Szenarien. Immer wieder neue Ideen suchen und umzusetzen. Sich auf eine Berg- und Talfahrt freuen. Darauf vertrauen, dass es immer Lösungen gibt und den eigenen Weg gehen. Sich beim Erreichen von einem Ziel auch mal belohnen. Wie wäre es mit einer schönen Uhr? Unsere ProPilot X Miss Piggy Edition zaubert Ihnen ein Lächeln aufs Gesicht und erinnert über Jahre immer wieder an die Träume.
Alle Fotos Copyright: Oris SA.

Oris

Oris ist weit mehr als nur ein Name in der Welt der Uhren. Es ist ein Symbol für Innovation, Tradition und Unabhängigkeit. Seit der Gründung 1904 im Schweizer Ort Hölstein hat das Unternehmen mechanische Uhren gefertigt, die in Qualität und Design ihresgleichen suchen. Besonders hervorzuheben sind Kollektionen wie die "Big Crown ProPilot" und die "Aquis", die weltweit Anerkennung finden. Unter der Leitung von Claudine Gertiser und Rolf Studer bleibt Oris unabhängig und setzt auf nachhaltige Produktion und sinnvolle Innovationen.

www.oris.com

Sehen Sie einen Mitschnitt unseres Anlasses «Simply Business – ein Abend für Unternehmerinnen 2025» im Haus der Wirtschaft in Pratteln.

3 Fragen an Olivia Zurbuchen

Geschäftskundenberaterin Basler Kantonalbank

Frau Zurbuchen, welche Herausforderungen stellen sich typischerweise für Frauen, die sich selbstständig machen?

Frauen agieren oftmals vorsichtiger in der Umsetzung ihrer Businessideen. Dies zeigt sich beispielsweise bei tieferen Wachstumsprognosen und zu tief ausgewiesenem Liquiditätsbedarf im Businessplan. Dies gilt es kritisch zu prüfen, damit keine Liquiditätsengpässe entstehen und das Wachstum auch finanziert werden kann. Mit dieser Sichtweise im Businessplan agieren dann die Unternehmerinnen oftmals nachhaltiger und antizipieren schon zu Beginn den notwendigen Liquiditätsbedarf. Ich rate hier meinen Kundinnen generell, einfach mutig sein und mit Selbstvertrauen ihre Businessidee umzusetzen.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht ein klar strukturierter Finanzierungsplan für angehende Unternehmerinnen und wie unterstützt die BKB bei dessen Erstellung?

Der Businessplan ist für uns von entscheidender Bedeutung. Das Geschlecht spielt dabei keine Rolle. Um ein Kreditgesuch prüfen zu können, ist es wichtig, dass wir das Geschäftsmodell mit seinen Chancen und Risiken nachvollziehen können. Dazu gehören die feinsäuberliche Analyse von allen Bestandteilen eines Businessplans wie zum Beispiel Marktsituation, Konkurrenz, Personal ebenso wie Budget und Liquiditätsplanung. Als BKB nehmen wir eine beratende Rolle ein: Wir spiegeln den Businessplan kritisch und arbeiten bei der Erstellung mit unseren Startup-Partnern zusammen wie der Startup Academy Basel oder dem KMU Kompetenzzentrum im Haus der Wirtschaft (HDW) Pratteln.

Wie kooperiert die BKB mit der BG SAFFA?

Bei jedem Kreditgesuch werden verschiedene Parameter geprüft. Je nach Businessplan und Finanzierungsanfrage kann es sein, dass der Risikoappetit der BKB überschritten wird – dann verweisen wir Firmengründerinnen gerne an die BG SAFFA. Spricht die SAFFA dann eine Bürgschaft, kann oftmals der Kredit grosszügiger ausgestaltet werden. Mit ihren Bürgschaften leistet die SAFFA einen sehr wertvollen Beitrag zur Förderung der KMUs und der Unternehmerinnen in der Region und der ganzen Schweiz.