Die Zentralbanken fahren mit weiteren Leitzinserhöhungen geldpolitisch noch immer eine klare Linie. Nichtsdestotrotz ist ein Ende der Erhöhungen absehbar. Dr. Stefan Kunzmann, Leiter Investment Research, verrät im heutigen CIO-Kommentar mehr dazu.
Wie erwartet hat die US-Zentralbank Fed am 26. Juli 2023 erneut die Leitzinsen um 25 Basispunkte auf 5.5 Prozent angehoben. Die Europäische Zentralbank folgte am darauffolgenden Tag und erhöhte ihren Leitzins von 4 % auf 4.25 %. Bezüglich ihrer Geldpolitik fahren beide Zentralbanken eine klare Linie. Sie bekräftigen erneut, dass weitere Leitzinserhöhungen – falls nötig – nicht ausgeschlossen sind. Ihr Ziel bleibt es die Inflation zurück zu ihrem Zielwert von 2 % pro Jahr zu bringen. Zum jetzigen Zeitpunkt wird am Markt jedoch nicht mit einer weiteren Zinserhöhung durch das Fed gerechnet. Auch für die EZB ist eine weitere Leitzinserhöhung etwas unwahrscheinlicher geworden, obwohl am Markt noch eine weitere Erhöhung in der Eurozone um 25 Basispunkte eingepreist ist. Ein Ende des Zinserhöhungszyklus wäre aber auch hier nicht überraschend, da die Inflationsraten überwiegend rückläufig sind. So lagen die letzte Woche veröffentlichten Teuerungsraten für Frankreich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bei 4,3 % und für Deutschland bei 6.2 %. Beide Teuerungsraten lagen unter den Vormonatswerten.
Die Konjunkturaussichten in den grossen Industrieländern sind weiterhin moderat, haben sich aber speziell in den USA zuletzt weiter aufgehellt. Gemäss erster offizieller Schätzung fiel das Wachstum des US-BIP im zweiten Quartal mit 2.4 % (QoQ, annualisiert) stärker als zunächst erwartet aus (Erwartung: 1.5 %). Und auch die Konsensprognose (Bloomberg) für das dritte Quartal 2023 ist von 0 % auf 0.5 % angestiegen. Das US-Konsumentenvertrauen hat sich diesen Monat sowohl in Bezug auf die Einschätzung der aktuellen Lage als auch bei den Erwartungen verbessert, was sinkende Unsicherheit und rückläufige Rezessionsängste reflektiert. Die weiterhin robusten Arbeitsmärkte tragen zudem zur Unterstützung von Konsumentenstimmung und Konjunktur bei.
Dagegen haben Anfang letzter Woche in der Eurozone wichtige Stimmungsindikatoren negativ überrascht. So fielen beispielsweise die vorläufigen Werte für die Einkaufsmanagerindizes der Industrie schlechter als erwartet aus. Die verhaltenen Wachstumsaussichten stellen somit weitere Zinsschritte der EZB in Frage. Nach der Veröffentlichung der Daten schwächte sich denn auch der Euro gegenüber dem Schweizer Franken auf unter 0,96 CHF je Euro ab und wird auch aktuell unter dieser Marke gehandelt.
Mit Blick in die Schweiz verzeichnete das KOF Konjunkturbarometer einen leichten Anstieg, liegt aber nach wie vor unter seinem langfristigen Durchschnitt. Entsprechend ist auch für die Schweizer Wirtschaft nur mit einer verhaltenen Konjunkturentwicklung zu rechnen. Spannend ist deshalb in dieser Woche, wie sich der Einkaufsmanagerindex für die Industrie entwickelt hat. Dieser wird am Mittwoch (02. August) veröffentlicht.
Anlagestrategie: Aktien bleiben übergewichtet
Die grundsätzlich stabile aktuelle Wirtschaftslage sorgt dafür, dass es auch an den Finanzmärkten zuletzt wenig turbulent zuging. Trotz insgesamt rückläufiger Unternehmensgewinne zeigten sich die Aktienmärkte im Juli stabil. Die geringe Nervosität der Investoren spiegelt sich beispielsweise in Volatilitätsindizes wie dem VIX wieder, welcher sich derzeit unter dem längerfristigen Durchschnitt bewegt. Auch leicht ansteigende Kreditausfälle in den USA als Folge des verschärften Zinsumfelds haben daran bislang nicht geändert, bewegen sie sich doch in keinem bedenklichen Ausmass.
Wir halten an unserer Übergewichtung bei den Aktien fest. Das konjunkturelle Umfeld signalisiert zwar eine schwache Wirtschaftsentwicklung, aber keine ausgeprägte Rezession. Die weiter nachlassende Zins- und Inflationsdynamik sowie das aus unserer Sicht absehbare Ende der Leitzinserhöhungen sprechen weiterhin für Aktien. Sobald die Leitzinsanhebungen ihr Zenit erreicht haben, könnten Investments in Obligationen wieder interessanter werden.
Heutige Marktentwicklung (Stand 09:15 Uhr, 31.07.2023, Basel Zeit):
Der SMI-Index zeigt sich zum heutigen Börsenstart kaum verändert. Der deutsche Aktienindex (DAX) wird marginal tiefer gehandelt. Für die US-Aktienbörsen signalisieren die Futures Indizes ebenfalls eine nur leicht tiefere Handelseröffnung.