Trotz des weiter anhaltenden Kriegs in der Ukraine, der hohen Energiepreise und der rekordhohen Inflation haben sich die Aktienmärkte seit dem 10. Oktober etwas erholt. So konnte auch der Schweizer Aktienmarkt (SMI Index und SPI Index) bis zum Redaktionsschluss (4. November) etwa 5 % zulegen. Das ist erfreulich, zumal wir taktisch am 10. und 11. Oktober Aktien zugekauft haben. In technischer Sprache ausgedrückt, haben wir die Aktienquote in unseren Anlagelösungen und Vermögensverwaltungsmandaten um etwa 2 % erhöht.
Seither sind wir bei Aktien taktisch moderat um etwa 3 % übergewichtet. Für den kommenden Winter sind die Perspektiven für Wirtschaft und Finanzmärkte zwar weiterhin getrübt, es zeichnet sich aber auch ein Hoffnungsschimmer mit Hinblick auf den Sommer 2023 ab. Der Staatsbesuch von Olaf Scholz in China am 4. November hat hinsichtlich der Drohungen Russlands mit einem möglichen Einsatz nuklearer Waffen eine Distanzierung Chinas erreicht. Trotz der «grenzenlosen Freundschaft», die Putin und Xi Jinping noch kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine beteuert hatten, ist eine Grenze für die chinesisch-russische Freundschaft nach den russischen Atombombendrohungen nun dennoch gesetzt.
Die militärischen Erfolgsaussichten für die russische Armee haben sich in den letzten Wochen weiter eingetrübt. Die Suche eines Auswegs nach dem misslungenen Überfall wird für Russland immer wichtiger. Dies erhöht die Hoffnung und die Erfolgsaussichten auf ernsthafte Verhandlungen und auf ein Ende des Blutvergiessens.
Eurozone: Weniger Wachstum, mehr Inflation
Die Ende Oktober veröffentlichten Zahlen für Wachstum und Inflation in der Eurozone im dritten Quartal bestätigen, dass die Eurozone noch kein negatives Wirtschaftswachstum erlitten hat. Im dritten Quartal stieg die Wirtschaftsleistung der Eurozone gegenüber dem Vorquartal noch leicht um 0,2 %. Gegenüber dem dritten Quartal des Vorjahres ist ein Plus von 2,1 % zu verzeichnen.
Die Wachstumszahlen für Deutschland hatten im Vorfeld positiv überrascht. Deswegen ist die weiterhin leicht positive Wachstumsentwicklung für die gesamte Eurozone bereits erwartet worden. Viele Konjunkturindikatoren deuten aber auf eine weitere Verlangsamung des Wachstums in der Eurozone im laufenden vierten Quartal hin. Ausserdem stieg die Konsumentenpreisinflation für Oktober mit 10,7 % gegenüber dem Vormonat nochmals um 0,7 % an. Auch die Kerninflation im Euroraum stieg nochmals leicht an: von 4,8 % im September auf 5 % im Oktober.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am 27. Oktober die Leitzinsen um 0,75 % auf 2 % erhöht. Sie dürfte im Lichte der ungünstigen Inflationsentwicklung am 15. Dezember einen weiteren Schritt von mindestens 0,5 % folgen lassen. Die US-Notenbank (Fed) hat am 2. November die Leitzinsen ebenfalls um 0,75 % von 3,25 % auf 4 % angehoben. Bis zum März 2023 dürften die USD-Leitzinsen auf einen Höchstwert von etwa 5 % angehoben werden. Anschliessend wird bis Ende 2023 eine moderate Senkung der US-Leitzinsen erwartet.
Nächster Zinsschritt der SNB Mitte Dezember
Die am 3. November veröffentlichten Schweizer Inflationsdaten für den Monat Oktober bestätigen, dass die Inflationsentwicklung sich verlangsamt hat. Gegenüber September (3,3 %) ging die Inflation im Oktober auf 3 % zurück. Auch bei der Kerninflation (Preisentwicklung ohne Energie und Nahrungsmittel) ist eine Abnahme von 2,0 % (September) auf 1,8 % für Oktober zu verzeichnen. Trotz diesem Rückgang der Inflation wird erwartet, dass die SNB am 15. Dezember eine Leitzinserhöhung verkünden wird. An den Finanzmärkten wird erwartet, dass die SNB die Leitzinsen für den Franken nochmals um 0,5 % auf neu 1 % erhöhen wird.
Anlagestrategie
Das Ende der Zinsanpassungen durch die Zentralbanken zeichnet sich bis zum Frühling 2022 ab. Im kommenden Winter muss man in Europa und allenfalls auch in den USA in einzelnen Quartalen mit negativen Wachstumszahlen rechnen. Man darf jedoch berechtigte Hoffnungen auf eine Erholung von Wirtschaft bzw. Finanzmärkten ab Sommer 2023 hegen.
Kongresswahlen in den USA
Die Wahl des 118-ten US-Kongresses am Dienstag, 8. November, könnte die Mehrheitsverhältnisse im US-Senat verändern. Zur Wahl stehen 35 der 100 Sitze im Senat und alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses. Beide Kammern gemeinsam werden als US-Kongress benannt. Die Demokraten könnten die hauchdünne Mehrheit im Senat zugunsten der Republikaner verlieren. Sie könnten aber die gegenwärtige knappe Mehrheit (220 zu 212) im Repräsentantenhaus vielleicht behaupten können. Die stark polarisierte politische Landschaft in den USA könnte sich nach den Wahlen noch stärker in der Tagespolitik niederschlagen. Es sind auch Befürchtungen im Raum, dass einige Kandidaten der Republikaner bei einer knappen Wahlniederlage, erneut eine Polemik über die Korrektheit der Auszählung der Wahlergebnisse provozieren könnten. Die Wahl ist auch eine Stimmungsbarometer für eine mögliche erneute Kandidatur Donald Trumps bei den nächsten US-Präsidentschaftswahlen im November 2024.
Dr. Sandro Merino
Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management
Erfahren Sie aus erster Hand die Einschätzungen unseres Chief Investment Officers, Dr. Sandro Merino, und überprüfen Sie Ihre Anlagestrategie mit Ihrer Kundenberaterin oder Ihrem Kundenberater.