Aus BRICS wird BRICS plus: Mit der Erweiterung um sechs Länder repräsentiert die Gruppe einen höheren Teil der globalen Wirtschaft und Bevölkerung und will sich als Gegengewicht zum Westen positionieren. Dr. Stefan Kunzmann schätzt den Verbund und dessen Kraft ein, blickt auf die getrübten Wirtschaftsdaten in Europa und die Preisschwankungen bei europäischem Gas.
Von Dienstag bis Donnerstag letzter Wochen trafen sich die Regierungschefs der BRICS-Staaten in Pretoria (Südafrika). Einzig Russlands Präsident Vladimir Putin schaltete sich auf Grund des gegen ihn bestehenden internationalen Haftbefehls nur per Video-Konferenz zu. Das zentrale Ergebnis des Gipfeltreffens ist die Erweiterung der Staatengruppe um sechs weitere Mitglieder. Aus BRICS wird nun BRICS plus. Neben Russland, Südafrika, Brasilien, Indien und China gehören nun auch Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate dazu. Interessant ist dabei, dass ein wichtiger Name auf dieser Liste fehlt. Indonesien als wirtschaftsstarkes und bevölkerungsreiches Land in Südostasien hat einer Teilnahme an BRICS plus zumindest vorläufig eine Absage erteilt. Dabei dürften u. a. die Bestrebungen einiger der im neuen Format versammelten Staaten (speziell China und Russland) eine Rolle spielen, BRICS plus als Gegenpol zu den westlichen Industrienationen (insbesondere auch den USA) zu positionieren.
Mit der Erweiterung zu BRICS plus repräsentiert die Gruppe einen höheren Teil der globalen Wirtschaft und Bevölkerung. Ob der Verbund am Ende aber auch mit einer Stimme spricht ist unseres Erachtens aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich. Mit der gestiegenen Zahl an Staaten hat nicht nur das wirtschaftliche Gewicht der Staatengruppe zugenommen, sondern auch die jeweils vertretenen Partikularinteressen. Dabei ist von den Staatsformen (und den diesen zugrundeliegenden Werten und Normen) alles vertreten – von Demokratien über autokratisch geführte Staaten bis hin zur absoluten Monarchie Saudi-Arabiens.
Auch die Bestrebungen, die enorme Dominanz des US-Dollars im weltweiten Handels- und Zahlungsverkehr zu verringern, ist ein äusserst ambitioniertes und nur sehr schwer erreichbares Ziel. Hier steht immer auch die Frage im Raum, in wieweit Handelspartner bereit sind, beispielsweise Währungen von autokratisch geführten Ländern als Zahlungsmittel zu akzeptieren oder wie eine allgemein akzeptierte Alternative zum US-Dollar aussehen könnte. Es bleibt also abzuwarten, wohin am Ende die Reise geht und ob es den im BRICS plus Format zusammengeschlossenen Staaten gelingt, bei wichtigen Themen mit einer Stimme zu sprechen. Zweifel hieran sind aufgrund teils stark divergierender Interessen unserer Ansicht nach angebracht.
Wirtschaftsdaten: USA Hui, Europa…
Während die zuletzt veröffentlichten Wirtschaftsdaten in den USA nach wie vor dafürsprechen, dass ein Soft Landing der US-amerikanischen Wirtschaft möglich ist, haben sich die Indikatoren für Europa weiter eingetrübt. So ist der FLASH PMI (also der indikative Wert für den Einkaufsmanagerindex) der Eurozone aufgrund schwächerer Daten aus dem Dienstleistungsbereich überraschend gesunken, auch wenn sich der Index für die Industrie etwas von seinem Tief erholen konnte. Daten aus Deutschland, der grössten Volkswirtschaft der Eurozone, signalisieren dagegen nach wie vor keine Entspannung in der Industrie. So ist das ifo-Geschäftsklima zum vierten Mal in Folge gesunken. Der Rückgang traf alle vier unterschiedenen Kategorien (Handel, Dienstleistungen, Gewerbe und Bau). Und auch die Subkomponente des Geschäftsklimaindex der Geschäftserwartungen hat weiter nachgegeben. Vor dem Hintergrund der aktuell vorliegenden Zahl bleibt es spannend, ob die EZB die Leitzinsen im September nochmals anheben wird. Der Inflationstrend und die steigenden Risiken einer sich weiter abschwächenden Konjunktur sprechen jedenfalls gegen einen solchen Schritt, während die das teilweise noch vorhandene Inflationsniveau und die nach wie vor sehr gute Lage auf den Arbeitsmärkten einen solchen unterstützen würden.
Preisschwankungen bei europäischem Gas
Trotz saisonal sehr gut gefüllter Gasspeicher in Europa kam es bei den Gaspreisen zuletzt zu deutlichen Preisschwankungen. Der Preis für europäisches Gas (Lieferung in einem Monat) stieg kurzeitig bis auf rund 48 Euro je MWh. Ursache war ein drohender Streik bei einem wichtigen LNG-Lieferanten in Australien. Die Lage hat sich wieder beruhigt, der Streik scheint abgewendet. Der Gaspreis gab zwischenzeitlich ("intraday") auf unter 30 Euro je MWh nach. Dennoch zeigen die jüngsten Ereignisse, dass sich die Lage an den Energiemärkten – trotz Speicherfüllstände in Europa von über 92 % (Deutschland: knapp 94 %) – jederzeit wieder verschärfen kann. Auch wenn Szenarien wie im vergangenen Jahr mit explodierenden Gaspreisen sicherlich nicht wahrscheinlich sind, sollte man den Gasmarkt weiterhin im Auge behalten
Aktuelle Positionierung
Beim Treffen der Zentralbanken in Jackson Hole gab es wenig Neues. Sowohl Fed-Chef Jerome Powell als auch EZB Chefin Christine Lagarde bestätigten im Grossen und Ganzen die bereits bekannten Positionen. Die Aktienmärkte in den USA legten am Freitag entsprechend zu. Wir gehen weiterhin davon aus, dass der Zenit bei den Leitzinserhöhungen im aktuellen Zyklus erreicht ist und seitens EZB und SNB allenfalls noch je eine Anhebung von 25 Basispunkten – Stand heute – zu erwarten ist. Bei den Inflationsraten zeigt der Trend nach unten. Wir bleiben deshalb bei den Aktien – trotz der vielen anderen offenen Fragen – übergewichtet.
Heutige Marktentwicklung
Der SMI-Index zeigt sich am heutigen Montag von seiner positiven Seite. Er ist mit gut 0.7 % im Plus. Der deutsche DAX-Index gewinnt ebenfalls 0.7 % an Wert. Für die US-Aktienbörsen signalisieren die Futures eine leicht positive Handelseröffnung. (Stand ca. 09.30 Uhr, 28.08.2023, Basel Zeit)