Die Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung wurde durch das Anheben der Schuldenobergrenze abgewendet. Was dies bedeutet und wie sich währenddessen die Inflation weltweit entwickeln könnte, verrät Dr. Stefan Kunzmann, Leiter Investment Research.
Am 05.06.2023 in CIO-Kommentar von Dr. Stefan Kunzmann, Leiter Investment Research

Im Streit um die Anhebung der US-Schuldenobergrenze kam es, wie es in der Vergangenheit immer gekommen ist, zu einem Kompromiss. Die beiden politischen Lager haben sich darauf geeinigt, die Schuldenobergrenze anzuheben. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit der amerikanischen Regierung wurde damit abgewendet. Dass der Kompromiss erst kurz vor knapp zustande kam, gehört wohl zur Dramaturgie der politischen Prozesse in den USA und ist sicherlich mit darauf zurückzuführen, dass Republikaner und Demokraten sich gefühlt faktisch in einem Dauerwahlkampf befinden. Neben dem Kompromiss an sich und der damit verbundenen Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit ist unseres Erachtens positiv zu werten, dass die politischen Kontrahenten eine Verhandlungslösung gefunden haben, dass sich also weder Totalverweigerer bei den Republikanern noch bei den Demokraten durchsetzen konnten. Beide Seiten mussten wie bei einem Kompromiss üblich von ihren Maximalforderungen abrücken und Zugeständnisse an die jeweils andere Partei machen. Dies ist aus unserer Sicht ein Zeichen dafür, dass trotz aller medial geführten Auseinandersetzungen die demokratischen Prozesse in den USA allem Anschein nach funktionieren.

Inflation entwickelt sich in die richtige Richtung

Die zuletzt vermeldeten Inflationsraten in der Eurozone stellten sich mehrheitlich etwas tiefer ein als erwartet. So ist beispielsweise die Inflationsrate in Deutschland gemäss vorläufigen Daten von 7,2% auf 6,1 % gesunken. Die bei Bloomberg verfügbare Konsensprognose ging nur von einem Rückgang auf 6,5 % aus. Und auch die Inflationsrate für die gesamte Eurozone ist weiter gesunken. Sie beträgt neu 6,1 % (Kernrate: 5,3 %). Positiv wirken dabei unter anderem die teils deutlich tieferen Energie- und Rohstoffpreise, die im vergangenen Jahr infolge des Kriegs von Russland gegen die Ukraine stark gestiegen waren. Vergleicht man heute (Stand Ende Mai) die Weltmarktpreise mit denen von vor einem Jahr, so liegt bspw. der Preis für Erdöl (Sorte Brent) in Franken um gut 40 % unter dem Niveau des Vorjahres (in Euro um fast 37 %), der für Kupfer um fast 20 %. Und auch bei Agrarprodukten kamen die Preise oftmals stärker unter Druck. Weizen wird mehr als 45 % tiefer gehandelt.

An den Prognosen für die Inflationsentwicklung hat sich nichts Grundlegendes geändert. Es wird generell mit einem weiteren Rückgang gerechnet. Während für die Eurozone und die USA im Verlauf von 2024 eine Zwei vor dem Komma erwartet wird, könnte die Inflationsrate der Schweiz bereits im ersten Quartal 2024 unter diese Marke sinken.

Konjunkturindikatoren mit unterschiedlichen Signalen

Auch die zuletzt veröffentlichten Wirtschaftsdaten und Konjunkturindikatoren liefern kein einheitliches Bild der Konjunktur. So deuten Indikatoren aus der Industrie auf eine schwache Entwicklung in den kommenden Monaten hin. Die veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes bewegen sich in aller Regel unter der kritischen 50-Punkte-Marke und damit im kontraktiven Bereich. Dies gilt auch für die Schweiz, wo der Indexstand mit 43,2 Punkten im Mai auf den tiefsten Stand seit Juni 2020 gesunken ist. Auf der anderen Seite sind für den Dienstleistungsbereich bislang keine Anzeichen für eine sich abschwächende Wirtschaftsleistung erkennbar. Die Einkaufsmanagerindizes sind hier nach wie vor expansiv. Unterstützt wird dies unter anderem durch die anhaltend gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wie auch dem trotz aller Unsicherheiten bislang stabilen Ausgabeverhalten der privaten Haushalte.

Die weitere Entwicklung bleibt mit hohen Unsicherheiten behaftet. Insbesondere für die USA wird für das zweite Halbjahr mit leicht negativen Wachstumsraten gerechnet. Es liegt die Annahme zugrunde, dass sich die deutlich restriktivere Geldpolitik negativ auf die Investitionstätigkeit auswirken wird. Dabei deuten die verfügbaren Konsensprognosen aber nicht auf einen starken Einbruch der Wirtschaftsleistung hin. Wir bleiben verhalten optimistisch und rechnen mit einer weiterhin schwachen, aber per Saldo leicht positiven globalen Konjunkturentwicklung. Die Leitzinsen der Schweizer Nationalbank und der Europäischen Zentralbank dürften im zweiten Halbjahr ihren Zenit erklimmen. Bei der US-Fed könnte dagegen bereits jetzt das Hoch im laufenden Zinserhöhungszyklus erreicht sein – trotz einer erneut überraschend hohen Zahl an neu geschaffenen Stellen (US-Arbeitsmarktbericht vom Freitagnachmittag). Seitens SNB und EZB wird jedenfalls noch mit ein bis zwei Zinserhöhungen gerechnet.

Anlagestrategie: Aktien bleiben übergewichtet

Das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung wurde einmal mehr abgewendet, Aktien sind gemäss unseren Analysen im Zusammenhang mit den Renditen von Obligationen fair bewertet, Inflationsraten sinken und der Zinserhöhungszyklus der Notenbanken nähert sich seinem Ende. Wir halten deshalb trotz der Unsicherheiten rund um die Konjunkturentwicklung in unserer Anlagestrategie an einer taktischen Übergewichtung von Aktien fest.

Heutige Marktentwicklung (Stand 9:30 Uhr, 05.06.2023, Basel Zeit):

Der SMI-Index zeigt sich am heutigen Montag leicht im Plus. Auch der deutsche Aktienindex (DAX) ist leicht positiv. Für die US-Aktienbörsen signalisieren die Futures dagegen eine wenig veränderte Handelseröffnung.

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