Seit der Ankündigung der "reziproken" Zolltarife am sogenannten "Liberation Day" (2. April, 2025) nimmt die Umsetzung der neuen US-Handelspolitik mit einer Vielzahl bilateraler Zollabkommen konkrete Gestalt an. An die vollmundigen Versprechen Donald Trumps über ein bevorstehendes goldenes Zeitalter hat man sich inzwischen etwas gewöhnt, aber machen die erhobenen Zölle die USA wirklich reicher? Berichte über die in die US-Staatskasse gespühlten Zollmilliarden machen die Runde und vermitteln das Bild einer nun, dank Trump, profitablen US-Handelspolitik. Was erhofft sich der US-Präsident und seine Regierung von den Zöllen?
Wie in jeder Demokratie sind die monatlichen Haushaltszahlen des Finanzministeriums (US-Treasury) transparent öffentlich verfügbar.
Das US-Fiskaljahr 2025 endet per 30. September 2025. Und die Zahlen der ersten 10 Monate (Okt 24 bis Jul 25) liegen vor. Der US Haushalt ist seit der Finanzkrise 2008 chronisch tiefrot defizitär. Das heisst die US-Bundesregierung gibt viel mehr Geld aus als sie durch Steuern und Abgaben einnimmt. Das Haushaltsloch für 2025 ist in den ersten 10 Monaten deutlich höher (+7%) als in der Vorperiode 2024. Das schuldenfinanzierte Haushaltsdefizit 2024 betrug 1'832 Milliarden USD und für 2025 wird das Defizit bei knapp 2'000 Milliarden USD liegen, also bei 2 (deutschen) Billionen USD. Dieses Defizit ist im Bereich von 7% des US-BIP und treibt die Höhe der US-Staatsverschuldung Jahr für Jahr tiefer in die Gefahrenzone der Staatsverschuldungsquote. Diese liegt aktuell bei rund 100% des US-BIP, wenn man nur jene Staatschulden addiert, die als Schuldpapiere bei US- und internationalen Investoren gehalten werden. Eine US-Staatsverschuldung in der gigantischen Grössenordnung von 30'000 Milliarden USD. Die allermeisten US-Ökonomen sind sich darüber einig, dass dieser Haushalt nicht nachhaltig Jahrzehnte lang auf die bisherige Art weitergeführt werden kann.
Können nun die neuen Zolleinnahmen (d.h. eine Importsteuer die amerikanische Konsumenten trifft) das Blatt wenden? Die USA importierten im Kalenderjahr 2024 einen Warenwert von rund 3'300 Milliarden USD. Je nachdem wie stark sich das Importvolumen künftig verkleinert und wie die Trumpsche Zolltabelle sich weiterentwickelt, fliessen zusätzliche Zolleinnahmen im Bereich von 10% dieses Importvolumens jährlich in die US-Staatskasse, also Grössenordnung 330 Milliarden USD. Allerdings muss man natürlich davon ausgehen, dass höhere US-Konsumentenpreise den privaten Konsum bremsen und für sinkendes Wachstum und damit tiefere Steuereinnahmen sorgen werden. Bei einem Haushaltsdefizit von rund 2'000 Milliarden (2025 erwartet) können zwar ein paar hundert Milliarden US-Zolleinnahmen die Situation kurzfristig besser aussehen lassen, eine nachhaltige US-Haushaltsfinanzierung ist damit aber keinesfalls sichergestellt.
Mit analogen Überlegungen ist auch erkennbar, dass die US-Wirtschaft niemals einen wesentlichen Teil der heutigen Warenimporte im Wert von 3'300 Milliarden USD pro Jahr durch inländische Produktion substituieren kann. Es fehlen schlicht die 15 bis 30 Millionen dafür notwendigen zusätzlichen Beschäftigten. Eine signifikante Erhöhung des US-Steuersubstrats durch eine weit höhere Zahl von US-Beschäftigten ist also nicht realistisch.
Aus unserer Sicht liegt das grosse Risiko dieser US-Handelspolitik in einem Anstieg der US-Inflation und einer Trübung der Konsumentenstimmung. Dies hätte Folgeeffekte für Wachstum und Beschäftigung. Erste Anzeichen dafür sind in den jüngsten US Inflations- und Konjunkturdaten erkennbar. Allerdings muss man wohl mehrere Quartale abwarten, bis die Auswirkungen des wirtschaftspolitischen Kurses der USA in harten ökonomischen Daten abgebildet sein wird. Reich wird die US-Staatskasse durch die Zölle also kaum. Die Zölle könnten sich schon bis Ende 2026 als fiskalpolitischer Boomerang erweisen. Eine Trendwende bei den Zöllen ist dann zumindest nicht auszuschliessen.
Auswirkungen der hohen Zölle auf die Schweizer US-Exporte
Der US-Zolltarif auf Schweizer Exporten liegt mit 39% unter den höchsten weltweit. Nur Indien (50%), und Brasilien (50%) werden mit deutlich höheren Zöllen belastet. Der Zolltarif gegenüber der Schweiz ist somit faktisch bereits in einem sanktionsartigen Bereich.
Die kleine und sehr offene Schweizer Wirtschaft ist bekanntlich ein Exportweltmeister und erzielte 2024 einen weltweiten Aussenbeitrag von 66.3 Milliarden USD was 8% des CH-BIP von rund 824 Milliarden (2024) entspricht. Der Aussenbeitrag aus dem Handel mit den USA liefert dabei mit 38.7 Milliarden USD; also mehr als die Hälfte des gesamten Aussenbeitrages.
Würde also in einem rein hypothetischen "Worst-Case"-Szenario der Aussenbeitrag mit den USA für 2026 auf null fallen, dann würde das Schweizer BIP aufgrund dieses Faktors um etwa 4.5% (einmalig) einbrechen. Dieses Szenario wäre dann realisiert, falls - bei konstanten Importen aus den USA - die CH-Exporte in die USA in 2026 um rund 60% einbrechen würden. Das halten wir so nicht für wahrscheinlich, die Grössenordnungen zeigen aber als Gedankenexperiment auf, dass die Schweiz im Aussenhandel mit den USA stark exponiert ist. Dabei ist massgeblich wie die bisher aufgeschobenen Zölle auf Exporte der Schweizer Pharma-Unternehmen am Ende festgelegt werden. Mit rund 31 Milliarden Schweizer Pharma-Exporte in die USA ist dieser Posten zentral wichtig für die Schweizer Wirtschaft.
In der Exportstatistik 2024 des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) finden sich die rund 100 Warengruppen in welche die Schweizer Exporte erfasst sind. Von Bedeutung sind Schmuck, Luxusgüter, chemische Erzeugnisse, Uhren, Maschinen, Messgeräte und andere Prüf- und Präzisionsapparate. Die Einfuhr von Gold aus der Schweiz wird, nach anfänglicher Konfusion, nicht mit US-Zoll belastet. Diese Warengruppen (ex-Gold) erzeugen den grössten Teil des Aussenhandelsbeitrages ex-Pharma, d.h. rund 10 Milliarden CHF.
Die US-Handelsschranken sind für rund ein Dutzend, der rund 100 von der Zolladministration unterschiedenen Warengruppen, in einer für die Schweiz volkswirtschaftlich relevanten Grösse (Mehr als 0.5% der Schweizer Exporte in die USA). Trotzdem können auch bei Waren die kein nationales volkswirtschaftliches Risiko darstellen, punktuell bedrohliche Absatz Einbrüche bei betroffenen KMUs entstehen. Eine volkswirtschaftliche Analyse der Haupteffekte für die Schweizer Wirtschaft als Ganzes, erkennt also nicht die kleineren aber aus individueller Perspektive möglicherweise dramatischen Effekte des neuen US-Zolltarifs.
Unter dem Strich kann eine Analyse der Auswirkungen des US-Zolls auf die Schweizer Wirtschaft erst fundiert erfolgen, wenn die Behandlung der Schweizer Pharma-Exporte mit den USA geklärt ist. Die Szenarien divergieren aktuell entsprechend erheblich. Auch ein stärkerer Einbruch des Schweizer BIPs ist für die kommenden Quartale nicht auszuschliessen. Eine mildere Behandlung der Schweizer Pharma-Exporte durch den US-Zoll würde die pessimistischeren Szenarien aber stark ausdünnen.
Anlagestrategie und heutige Marktentwicklung (Stand ca. 12:30 Uhr, 18. August 2025, Basel Zeit)
Die Auswirkungen der US-Handelspolitik auf die Finanzmärkte haben sich seit April eher relativiert. Auch der Schweizer Aktienmarkt hat insgesamt kaum auf die Zollankündigungen von Ende Juli reagiert. Wir halten in unserer Anlagestrategie nach wie vor eine neutrale taktische Gewichtung von Aktien.
Der Schweizer Aktienindex (SMI) startet heute mit einem Minus von 0.2 % in die neue Handelswoche. Der deutsche Aktienindex (DAX) startet ebenfalls mit einem leichten Minus von 0.4 %. Für die US-Aktienmärkte signalisieren die Futures-Börsen eine leicht negative Handelseröffnung.

Dr. Sandro Merino, Leiter Asset Management
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