Seid ihr stolz auf euren Lebensstil?
Selim: Ich bin stolz, Menschen zu inspirieren, Ordnung und Leichtigkeit in ihr Leben zu bringen. Persönlich erfüllt es mich mit Stolz, dass ich frei bin von Konsumzwängen und dadurch mit weniger Geld durchs Leben komme. Ich besitze wenig. Brauche ich mal etwas Spezielles, wie ein schönes Jackett, leihe ich mir das aus. Auch die Wohnung ist nur mit dem Nötigsten eingerichtet, ohne Schnickschnack. Praktisch muss es sein.
Antoine: Ich liebe meinen Lifestyle. Schöne Dinge zu besitzen, macht mir Freude. Ich habe ein Faible für Kronleuchter, Kunst und grosse Spiegel. Ich mag es, Dinge zu besitzen, die niemand sonst hat. In meinem Landhaus im Burgund bin ich aber basic unterwegs. Zwei Trainer, zwei Paar Schuhe und ein Jackett, leider mit einem Mottenloch. Ich habe es auch so mal bei einem schicken Dinner getragen. Etwas unwohl war mir aber schon dabei.
Könnt ihr euch vorstellen, wie euer Gegenüber zu leben?
Antoine: Für eine Weile. Wieso nicht? Auch wenn es viele nicht glauben: Ich bin mit dem Materialismus nicht verheiratet.
Selim: Wahrscheinlich fände ich an deinem Lebensstil die schönen Reiseziele interessant. Ganz unvorstellbar: 300 Schuhe zu besitzen …
Antoine: … Ich kann dich beruhigen: Es sind gegen die 200 (lacht). Wobei ich oft dieselben anhabe, wie auch jetzt: Ich habe eine Baustelle im Haus und bin spontan ins Hotel Les Trois Rois gezogen und derzeit nur in den Baustellen- Sneakers unterwegs. Aber was viel wichtiger ist: Die Ruhe am Morgen auf der Terrasse mit Blick auf den Rhein, das ist für mich echter Luxus.
Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Selim, wirst du da nicht komisch angeguckt als Minimalist?
Selim: Ich bin kein Hardcore-Minimalist, der auf dem Boden schläft. Das Ziel ist es nicht, möglichst wenig zu besitzen, sondern den Besitz auf die Dinge zu minimalisieren, die für dich wirklich wichtig sind – die du liebst und regelmässig brauchst. Alles andere ist Ballast. Minimalismus heisst auch, nur mit Menschen zu tun zu haben, die mir guttun. Die oberflächlichen Leute und die Energievampire fliegen raus.
Antoine: Dann bin ich ja in diesem Punkt auch ein Minimalist. Ich bin nicht der Typ Mensch, der viele enge Freunde hat.
Du mistest also regelmässig in deinem Freundeskreis aus?
Antoine: Die ganze Zeit. Während Corona musste ich einem Freund mal die Meinung sagen. Seither ist Sendepause. Wenn man mit Freunden nicht ehrlich sein darf, dann bringt mir so eine Freundschaft nichts.
Zu Hause zu entrümpeln, damit haben viele Mühe.
Selim: Viele können nicht loslassen, weil sie ihre Besitztümer mit einem emotionalen Wert verbinden. Oder viel investiert haben: in das teure Sofa, das nicht mehr zu einem passt, aber trotzdem mitgeschleppt wird.
Antoine: Bei mir im Schrank hängen T-Shirts, die ich nie mehr anziehen werde, die mich aber an eine tolle Phase im Leben erinnern. Anderseits habe ich gerade meinen Handwerkern säckeweise Kleider und Schuhe geschenkt. Ich hänge nicht zu sehr an den Dingen.
Antoine, schöne Frauen, teure Uhren, Jetset-Leben. Du bist nicht der Schweizer Mainstream. Trifft dich Kritik an deinem Lebensstil?
Antoine: Das eine ist ja, wenn jemand mit meinem Lifestyle nichts anfangen kann. Was ich aber nicht verstehe: Bekannte von mir haben richtig viel Cash und Erfolg. Aber sie sind neidisch: auf mein Business, meine Besitztümer und auf das, was ich als Mensch ausstrahle. Ich erlebe oft reiche Menschen, die nie zufrieden sind und immer auf dem Sprung zur nächst grösseren Jacht oder Villa sind. Das ist kein Genuss, das ist Gift.
Und wie ist es bei dir Selim? Erlebst du Neid für deine Lebensweise?
Selim: Ja. Oft, weil ich viel mehr Zeit habe, als die meisten Mitmenschen. Denen ist das suspekt.
Warum sollte man so leben wie ihr? Und wem ist davon abzuraten?
Antoine: Weil es Spass macht, denn das Leben ist kurz. Aber, wer ein Suchtproblem hat, sollte nicht so leben wie ich.
Selim: Weil man mehr Zeit geschenkt bekommt und sein Potenzial besser ausschöpfen kann. Darum würde ich auch niemandem davon abraten.
Antoine: Und wie gewinnst du mehr Zeit?
Selim: Der Minimalist sucht immer den Mehrwert. Das heisst: Ich mache keine halben Sachen, sondern nur das, was mir wirklich etwas bringt. Wenn du das durchziehst, deine Wünsche, To-dos und Besitztümer durch dieses Raster durchfilterst, dann kommt die Essenz raus.
Antoine: Spannend. Ich bin ja ein Mensch, der tausend Ideen hat und alles gleichzeitig macht. Bis zum Lockdown: Seit langer Zeit wieder einmal gemütlich aufstehen, ein Käffeli machen und dann in die Kirche – ich fand das gar nicht so schlecht. Eine neue Lebensqualität.
Was wird euer Nachlass an die Welt sein?
Antoine: Mein Sohn. Er ist meine grösste Erschaffung. Dann die Musik: «Welcome to St. Tropez» und «Ma Chérie» werden nie sterben. Die Rechte werden meiner Familie 70 Jahre erhalten bleiben.
Selim: Kein Chaos, das man aufräumen muss (lacht). Und natürlich, dass ich vielen Menschen zu einem leichteren Leben ohne Ballast verhelfen konnte.
Wie sieht ein luxuriöser Tag bei dir aus, Selim?
Selim: In Form eines Erlebnisses. Luxus ist für mich vor allem freie Zeit, die ich mir durch meinen Lebensstil verschaffe.
Und wie sieht bei dir ein Basic-Day aus, Antoine?
Antoine: Landhaus, See, Vogelgezwitscher. Ich in Badehose, in der einen Hand eine Zigarre, in der anderen ein Glas Champagner. Herrlich! Da kommt kein St. Tropez und kein Dubai ran.
Bewusst auf etwas verzichten, gibt es das bei dir, Antoine?
Ich kann mir nicht alles kaufen, was ich will. Aber ein Auto muss sein. Auf diese Freiheit verzichte ich nicht.
Hand aufs Herz, Selim. Hast du dir noch nie etwas «Unnötiges» gekauft?
Selim: Doch, einen automatischen Spinnenfänger.
Antoine: Das musst Du erklären …
Selim: Mein Motto ist wie gesagt: optimieren. In diesem Fall Zeit und Energie. Einer Spinne nachzujagen, ist mir zu umständlich. Jetzt nehme ich den Spinnenfänger, sauge die Spinne ein und setze sie dann aus.
Kann ein minimalistisches Leben respektive ein luxuriöses Ballast sein?
Selim: Ja, wenn es zwanghaft wird und dadurch zu viel Lebensenergie verbraucht.
Antoine: Wenn du erfolgreich und vermögend bist, wird das auch Leute anziehen, die etwas vom Kuchen abhaben möchten. Die dich verklagen oder unsinnige Forderungen stellen.
Welche drei Gegenstände nehmt ihr mit auf die Insel?
Selim: Notizblock, Stift, Schweizer Sackmesser.
Antoine: Jemand, der mir am Herzen liegt, Sackmesser finde ich auch eine gute Sache und natürlich meine bequemen Baustellenturnschuhe.
Was ist der Sinn vom Leben?
Selim: Dass man dem Leben einen Sinn gibt.
Antoine: Nächstenliebe. Dass man seinen Freunden und seiner Familie etwas Gutes gibt und Gott vor Augen behält.
Lieblingsmotto?
Selim: Less is more.
Antoine: Share Lifestyle. Sharing is caring. Was bringt dir das alles, wenn du es nicht teilen kannst?
DJ Antoine, Musiker, Wein- und Lifestyle-Unternehmer
Antoine Konrad alias DJ Antoine hatte seinen internationalen Durchbruch 2011 mit der Single «Welcome to St. Tropez». Mit «Ma Chérie» produzierte der Basler die erfolgreichste Single eines Schweizer Musikers. Der 44-Jährige führt zudem ein Kunst- und Weinunternehmen unter dem Namen «Konrad Lifestyle» und lancierte sein eigenes Champagner-Label. Dieses Jahr eröffnete Konrad das House of Wine in Biel-Benken, Eventlocation und Club für Wein-Afficionados.
200 Schuhe
davon rund 40 Lackschuhe
viele Anzüge
3 Autos
genügend Armbanduhren
100 Sonnenbrillen,
«mein Markenzeichen»
1 Kreditkarte
Quelle: DJ Antoine
Selim Tolga, Minimalist, Aufräumcoach und Autor
Seit über zehn Jahren coacht Selim Tolga Privatpersonen und Firmen in den Bereichen Ordnung, Simplify und Minimalismus. Er ist Dummies-Buchautor, Youtube-VLogger, produziert Aufräum-Apps und gibt Kurse und Workshops. Das Motto des 42Jährigen, der im Zürcher Oberland lebt, lautet: nur mit Dingen leben, die man liebt und braucht. Aktuell besitzt Tolga 500 Dinge. Gezählt werden nur die Objekte, die man selbst besitzt und braucht.
4 Jeans
4 Pullover
4 Schuhe
2 Anzüge
1 Auto
1 Armbanduhr
2 Sonnenbrillen
1 Kreditkarte
Quelle: Selim Tolga