Steht der Eigenmietwert vor dem Aus?

Das Parlament hat beschlossen, dass über die Abschaffung des Eigenmietwerts abgestimmt werden soll. Nun entscheidet das Schweizer Stimmvolk am 28. September 2025 über die definitive Zukunft des Eigenmietwerts – ein Thema, das Wohneigentümer seit Jahrzehnten beschäftigt.
Am 28.07.2025 in Wohnen von Alexandra Müller

Auf einen Blick

  • Abschaffung des Eigenmietwerts: Kein fiktives Mieteinkommen mehr, das versteuert werden muss.
  • Änderungen bei Schuldzinsen: Abzüge nur noch für Ersterwerbende oder nichtselbstgenutztes Eigentum.
  • Abzüge für Unterhalt: Nicht mehr möglich.

Was ist der Eigenmietwert?

Der Eigenmietwert wird Wohneigentürmern, die in ihren eigenen vier Wänden wohnen, als "künstliche Miete" angelastet. Er entspricht den (theoretischen) Einnahmen, die ein Eigentümer erzielte, wenn er seine Liegenschaft vermieten würde. Die «künstliche Miete» muss in der Steuererklärung angegeben werden und unterliegt der Einkommenssteuer.

Mehr als nur eine steuerliche Belastung?

Bereits seit über 20 Jahren wird über die Abschaffung des Eigenmietwerts debattiert. Einen entscheidenden Schritt weiter kam das Vorhaben in der Wintersession 2024, als sich der National- und Ständerat auf einen Systemwechsel einigten. Allerdings drohen Bund und Kantonen bei einer Abschaffung Steuerausfälle in Milliardenhöhe.

Der Eigenmietwert wird oft als zusätzliche finanzielle Belastung empfunden. Doch Wohneigentümer profitieren im Gegenzug von verschiedenen steuerlichen Abzugsmöglichkeiten, etwa für Hypothekarzinsen, Unterhaltskosten oder energetische Sanierungen. Diese Abzüge relativieren den Eigenmietwert – zumindest bisher.

Mit der Abschaffung des Eigenmietwerts ändert sich dies grundlegend, denn dann könnten Unterhaltskosten und Hypothekarzinsen auf selbstgenutzten Erst- und Zweitliegenschaften weder auf Bundes- noch auf Kantonsebene abgezogen werden. Bei vermieteten Liegenschaften ist dies weiterhin möglich. Neu soll zudem eine Objektsteuer auf Zweitliegenschaften auf kantonaler Ebene eingeführt werden. Dies ist besonders im Interesse von Bergkantonen, die dadurch wichtige Steuereinnahmen kompensieren möchten.

Was würde sich konkret ändern?

Sollte die Reform angenommen werden, ergeben sich folgende spürbare Änderungen im Steuersystem:

  • Schuldzinsen dürfen künftig nur noch anteilsmässig auf den Teil des Vermögens abgezogen werden, der nichtselbstgenutztes Wohneigentum ist. Wer also keine vermieteten Immobilien besitzt, kann keine Schuldzinsen mehr abziehen.
  • Eine Ausnahme gilt für Ersterwerber von selbstgenutztem Wohneigentum: Sie können während zehn Jahren einen beschränkten Schuldzinsabzug geltend machen.

 

Bereich Heute Neu (nach Ab­schaffung)
Eigenmietwert Muss als Ein­kommen versteuert werden Wird nicht mehr be­steuert
Schuld­zins­ab­zug Un­be­grenzt mög­lich Nur noch be­schränkt für Erst­er­wer­ber (max. 10 Jahre) und bei ver­mieteten Immo­bilien
Ab­zug Energie­spar­mass­nahmen Mög­lich (Bund & Kan­tone) Nur noch kantonal mög­lich
Pau­schale und­/­oder effektive Unter­halts­kosten Abziehbar Nicht mehr ab­zieh­bar (nur noch bei ver­mieteten Liegen­schaften ab­zieh­bar)
Objekt­steuer Keine Ein­führung einer Objekt­steuer auf Zweit­wohnungen ob­liegt den Kan­tonen

Die Umsetzung dürfte erst ab 2028 erfolgen, um den Kantonen ausreichend Zeit zur Anpassung zu geben. Wird die Vorlage an der Urne verworfen, bleibt alles beim Alten und der Eigenmietwert bleibt bis auf Weiteres bestehen.

Wer profitiert – und wer nicht?

Die steuerlichen Vor- und Nachteile im Einzelfall hängen generell stark vom Hypothekarzinsniveau, der Höhe der Verschuldung, dem Zustand der Liegenschaft, der Wohngemeinde und der Höhe des steuerbaren Einkommens ab. Demzufolge sind die Auswirkungen des Systemwechsels je nach individueller Situation unterschiedlich.

Wer profitiert?

  • Rentnerinnen und Rentner: Für sie könnte der Wegfall des Eigenmietwerts grosse steuerliche Vorteile bringen. Der Eigenmietwert macht in der Regel einen höheren Anteil des steuerbaren Einkommens aus, weil Renten oft niedriger sind. Der Wegfall könnte daher zu grösseren Einsparungen führen.
  • Erstkäufer von selbstgenutztem Wohneigentum: Diese Gruppe könnte ebenfalls profitieren, da sie während den ersten zehn Jahren von einem beschränkten Schuldzinsabzug profitieren kann. Zusätzlich fallen für Neubauten in der Anfangszeit weniger Unterhaltskosten an.

Wer hat Nachteile?

  • Eigentümer von sanierungsbedürftigen Liegenschaften: Wenn die Reform angenommen wird, könnten diese Eigentümer stark benachteiligt werden. Denn werterhaltende Sanierungen und Renovierungen könnten auf Bundesebene nicht mehr steuerlich abgezogen werden. Dies könnte zu einer geringeren Bereitschaft führen, in die Instandhaltung von älteren Gebäuden zu investieren, was wiederum das Baugewerbe belasten könnte.
  • Eigentümer mit hohen Hypotheken: Wer hohe Hypotheken abzahlt oder hohe Hypothekarzinsen zahlt, würde von den neuen Regelungen eher wenig profitieren. Der beschränkte Schuldzinsabzug wird nicht mehr so stark wie heute wirken.
  • Eigentümer, die viel in ihre Liegenschaft investieren: Grosse Renovationen und Sanierungen werden nicht mehr steuerlich abziehbar sein. Dies könnte besonders für Hauseigentümer, die regelmässig Sanierungen durchführen, ein grosser Nachteil sein.
  • Bund und Kantone: Zu dem mit Abstand grössten Verlierer zählen der Bund und die Kantone, die auf Einnahmen in Milliardenhöhe verzichten müssten.

 

Vor­teil­haft ist die Re­form für Eigen­tümer, die: Nach­teilig ist sie für jene, die:
  • ihre Hypo­thek weit­gehend ab­bezahlt haben,
  • wenig in Un­ter­halt­/­Sa­nierung in­vestieren,
  • aktuell kaum Abzü­ge gel­tend machen kön­nen.
  • hohe Hypo­thekar­zinsen zahlen,
  • grössere Reno­vationen pla­nen,
  • heute stark von Steuer­abzügen pro­fi­tieren.

Das letzte Wort hat das Volk

Für die Umsetzung der Reform ist eine Verfassungsänderung notwendig, über die das Schweizer Stimmvolk am 28. September 2025 entscheiden wird. Ein Ja zur kantonalen Objektsteuer bedeutet auch ein Ja zur Abschaffung des Eigenmietwerts.

Trotz der potenziellen Vorteile für viele Wohneigentümer gibt es einen breiten Widerstand gegen die Reform. Kritiker aus allen politischen Lagern, von links bis rechts, äussern Bedenken. Die Linke lehnt die Vorlage vor allem bei den aktuellen Zinssätzen ab, da sie mögliche Einbussen für die Staatskasse befürchtet. Sie sieht die Reform in Zeiten finanzieller Unsicherheit, insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung des Bundeshaushalts und der 13. AHV-Rente, als problematisch an. Auch der Gewerbeverband spricht sich klar gegen die Vorlage aus und warnt vor hohen Umsatzeinbussen, insbesondere für die Bauwirtschaft, da Eigentümer künftig keine Unterhaltskosten mehr abziehen könnten.

Dennoch profitieren viele Wohneigentümer von der Reform, vor allem Rentnerinnen und Erstkäufer, die durch den Wegfall des Eigenmietwerts steuerlich entlastet werden. Wird die Vorlage angenommen, bedeutet dies eine grundlegende Änderung des Steuersystems für Wohneigentümer. Sollte sie abgelehnt werden, bleibt der Eigenmietwert bestehen und die bisherigen Regelungen gelten weiter.

Alexandra Müller

Leiterin Finanzplanung

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