«Wir sind noch enger mit Basel zusammengewachsen»

Basil Heeb zu 100 Tagen Lockdown

Am 24. Juni sind es genau 100 Tage her, dass der Lockdown in der Schweiz beschlossen wurde. Vieles hat sich geändert, etliches musste neu gedacht und auf den Weg gebracht werden. In unserem Interview analysiert Basil Heeb, CEO der Basler Kantonalbank, diese schwierige Zeit und gibt interessante Aus- und Einblicke. Er schliesst damit unsere Corona-Interview-Serie ab.
Am 24.06.2020 in Die Bank von Christine Gueniat

Der Einfluss der Pandemie für die regionale Wirtschaft – was haben Sie beobachtet?

Kurzfristig gab es während der Stilllegung massive Umsatzeinbussen für sehr viele Unternehmen, hauptsächlich bei den KMU. Grossunternehmen waren eher verzögert oder gar nicht betroffen – ich denke da besonders an die Pharmaindustrie.

Vor einigen Wochen haben wir die KMUs in Basel befragt, wie es ihnen ergangen ist. Mehrheitlich berichten die Unternehmen, dass ihre Lieferketten nicht unterbrochen wurden. Über 80% der Betriebe sind auch der Meinung, dass sich das Konsum- und Investitionsverhalten wieder auf Vor-Krisenniveau einpendeln wird – und zwar innerhalb von 12 Monaten. Nur wenige mussten Mitarbeiter entlassen und konnten auf Kurzarbeit und Investitionsstopp zurückgreifen. Konsolidiert sieht das gar nicht schlecht aus. Zwar gibt es zahlreiche Härtefälle. Ich denke jedoch, sehr viele Unternehmen in vielen Branchen werden glimpflich davonkommen.

Meines Erachtens wird nicht das Konsumverhalten, sondern das Investitionsverhalten zum grossen Problem. Der Konsum wird schnell zurückkommen. Aber Firmen, die Investitionen tätigen müssen, werden vorsichtig sein und die Entscheidung auf später verschieben. Für eine endgültige Schlussfolgerung ist es deshalb noch zu früh. Die Wirtschaft ist so stark vernetzt, dass sich die konkreten Folgen noch nicht realistisch abschätzen lassen.

Die Zeichen stehen auf Erholung. Denken Sie, dass wir das Schlimmste hinter uns haben?

Bei Unternehmen, die Investitionsgüter herstellen, kommt womöglich das Schlimmste noch. Hier gibt es – so vermute ich – noch Auftragsbestände und Bestellungen, die nicht storniert worden sind. Aber ohne neue Aufträge werden die Unternehmen auf dem Trockenen sitzen. Generell sind die Zeichen jedoch tatsächlich auf Erholung gestellt. Die Pandemie hat nicht so einen schlimmen Verlauf genommen, wie befürchtet. Unser Gesundheitssystem ist nie auch nur in der Nähe der Grenzen seiner Belastbarkeit gekommen. Es gab immer eine gute Kontrolle über die Krise. Möglichst schnell zurück in die Normalität ist jetzt der richtige Approach.
Wir als Bank wollen, dass die Stadt wieder in Schwung kommt.

Was ist der Beitrag als Bank, um die Erholung lokal und wirtschaftlich zu unterstützen?

Alle Unternehmen, die das wünschten, wurden mit Überbrückungskrediten unterstützt. Diese waren einer von mehreren betrieblichen Massnahmen von KMUs, um durch die Krise hindurchzukommen. Die Unternehmen haben so überhaupt erst die Chance erhalten, wieder durchzustarten.

Aktuell unterstützen wir «Support your locals», die Initiative von «Pro Innerstadt» mit der klaren Message «Konsumiert wieder, aber konsumiert vor allem lokal». Die lokalen Geschäfte sind nicht nur unsere Kunden – wir haben auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Wir als Bank wollen, dass die Stadt wieder in Schwung kommt. Hierfür haben wir unter anderem Geld umgeleitet – vom Strassenfest «Flaneur», das ja nicht stattfinden kann – zu «Support your locals».

Auch stehen wir unseren lokalen Kunden nach wie vor verlässlich zur Seite, sowohl mit kompetenter Beratung als auch mit konkreten Massnahmen. Nehmen wir als Beispiel die Kreditverträge. Viele sind an Bedingungen geknüpft, die jetzt gelockert werden. Amortisationszahlungen und Parameter wie Verschuldungsgrad oder andere Messgrössen sind oftmals temporär ausgesetzt.

Als Vermieter von Büroräumlichkeiten stunden wir den Mietzins oder offerieren Möglichkeiten innerhalb der Drei-Drittel-Initiative des Kantons: Der Kanton bezahlt ein Drittel, der Mieter und wir bezahlen je ein Drittel. Auch den Gewerbeverband haben wir mit einer Spende unterstützt. Und schliesslich haben unsere Mitarbeitenden zugunsten des lokalen Gewerbes eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Es sind mehr als 20.000 Franken zusammengekommen; darauf bin ich sehr stolz.

Was denken Sie über eventuelle langfristige Verhaltensänderungen, bedingt durch die Corona-Krise?

Ein spannendes Thema. Was jetzt im Arbeitsumfeld und im Privatleben passiert, ändert das Verhalten meiner Meinung nach mittel- und langfristig, kurzfristig sogar ganz offensichtlich. Das sehe ich an mir. Ich fahre momentan coronabedingt weniger Zug, sondern mehr mit dem Auto. Das werde ich ändern, wenn sich alles wieder entspannt. Gerade beim ÖV stelle ich mir die Frage: Wird dieser nach Corona so wie früher genutzt werden oder wird aus Sicherheitsüberlegungen vermehrt individuelle Mobilität gesucht?

Die relevanten Themen verschieben sich gerade: Noch vor einem halben Jahr war das Klima unser grosses Thema. Wird dieses Thema wiederkommen in voller Grösse – oder Gesundheit, Mobilität oder etwas ganz anderes? Auch hier gilt: Für Spekulationen ist es viel zu früh.

Die relevanten Themen verschieben sich gerade.

Was war für Ihre Kunden in den letzten Monaten wichtig?

Dass sie ganz persönlich merken: Wir als ihre Bank unterstützen sie, wo immer wir können – mit den gewohnten Services, mit finanzieller Hilfe in Form von Krediten, kompetenter Beratung und mehr. Der Kontakt zu unseren Kunden ist niemals abgebrochen, wir waren immer erreichbar.

Unsere Kunden haben nicht nur offene Filialen bekommen, Videoberatung und Conference Calls, sondern Vertrauen, Orientierung und Sicherheit. Das war und ist sehr wichtig.

Und was wird für Ihre Kunden in Zukunft wichtig sein?

Wir merken es jetzt schon: Die Kunden werden wieder den persönlichen Kontakt suchen und Beratungsleistungen nachfragen. Ich könnte mir vorstellen, dass eine umfassendere Betrachtung der Lebenssituation und eine zielorientiertere Beratung gewünscht wird. Das gibt Sicherheit – und das werden wir unseren Kunden verstärkt anbieten.
Es wird eine umfassendere und zielorientiertere Betrachtung der Lebenssituation gewünscht.

Wie sind Sie als Bank durch die Krise gekommen?

Den Umständen entsprechend sehr gut. Wir konnten den Betrieb zu jedem Zeitpunkt aufrechterhalten. Wir haben an verschiedenen Stellen sogar dazugelernt und beispielsweise papiergebundene Prozesse digitalisiert oder virtuelle Meeting-Formen durchgeprobt, so dass wir jetzt pragmatischer und vernetzter zusammenarbeiten können.

Operativ haben wir also alles reibungslos geschafft. Auch finanziell sind wir gut durch die Krise gekommen. Wir waren immer kapital- und liquiditätsstark. Mit einigen Kunden haben wir die Beziehung vertieft. Mit der Videoberatung konnten wir zeigen, dass wir in Krisenzeiten neue Wege finden, um an ihrer Seite zu sein. Mit den KMU-Kunden waren wir über die COVID-Kredite in einem engen Dialog.

Die Belegschaft hat sehr gut miteinander gearbeitet. Und was das Wichtigste ist: wir konnten die Mitarbeitenden und ihre Gesundheit schützen. Niemand ist krank geworden, weil er oder sie sich in der Bank angesteckt hat. Unsere Schutzmassnahmen haben funktioniert.

Was nehmen Sie als Bank aus der Krise mit?

Viel Selbstvertrauen. Wir haben gute Lösungen gefunden und diese mit Mut und Engagement umgesetzt. Wir haben festgestellt: Unsere Zusammenarbeit funktioniert auch, wenn wir keinen festen Arbeitsplatz haben. Wir werden das mit in die Zukunft tragen und haben bereits neue Regelungen zum Thema Home-Office definiert. Es wird künftig möglich sein, bis zu 50% von zuhause aus zu arbeiten.

Was wir noch mitnehmen, ist die Erfahrung der guten Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen in der Stadt. Wir haben hervorragend mit der Regierung und unseren Partnern kooperiert. Ein Beispiel dafür ist das KMU-Programm oder unser Engagement für «Support your locals». Da wird es noch einige Aktionen geben, um den lokalen Geschäften unter die Arme zu greifen.

Den lokalen Geschäften unter die Arme greifen.

Glauben Sie, dass eine zweite Welle kommen wird?

Es zeichnet sich ab, dass das Virus nicht ganz verschwinden wird. Wir müssen die gelernten Verhaltensmuster beibehalten und dürfen nicht gedankenlos werden. Ich finde es weniger wichtig, vorherzusagen, was passieren könnte – ich finde es viel wichtiger, alles dafür zu tun, um eine zweite Welle zu verhindern. Das hätte wohl verheerende Auswirkungen. Wir haben es selbst in der Hand.

Christine Gueniat

Fachspezialistin Kommunikation

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