Europa macht vorwärts mit der grünen Transformation

Europa will als erster Kontinent die Klimaneutralität erreichen. Das Vorhaben ist ambitioniert, aber erreichbar. Vieles ist seit dem Pariser Klimaabkommen in Bewegung und gewinnt an Fahrt. Die in diesem und im nächsten Jahr in Kraft tretenden Vorschriften nehmen auch die Finanzbranche mit an Bord. Letztere ist in ihrer Eigenschaft als «Schmierstoff der Wirtschaft» ein vielleicht entscheidendes Puzzleteil.
Am 28.08.2021 in N° 2/2021 von Nicolas Hefti, Finanzanalyst, und Daniel Breitenstein, Finanzanalyst

Im Jahr 1995 fand in Berlin die erste Klimakonferenz der Vereinten Nationen statt. Aber erst 2015 wurde mit dem Pariser Klimaabkommen eine breit abgestützte, rechtlich bindende multilaterale Vereinbarung erzielt, die die durchschnittliche  globale Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius begrenzen sollte. 2018 folgte der Sonderbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad Celsius. Spätestens mit dem europäischen Dürresommer und Kundgebungen von Klimaaktivisten scheint es Konsens, dass der Klimawandel eine ernst zu nehmende Bedrohung ist. Doch die Zeit wird knapp. Gemäss jüngstem Bericht der «World Meteorological  Organisation» hat die Erderwärmung bereits 1,2 Grad Celsius erreicht. 

Die «unsichtbare grüne Hand» soll es richten.

Eine erfolgreiche grüne Transformation bedarf neben öffentlicher und politischer Einsicht auch wirkungsvoller regulatorischer Rahmenbedingungen, damit die Privatwirtschaft ihr Handeln an den Umweltzielen ausrichtet. In dem Zusammenhang ist die Terminologie der «unsichtbaren grünen Hand» in Anlehnung an Adam Smith aufgekommen. Mit dem 2019 lancierten Green Deal, einem Aktionsplan für eine nachhaltige Wirtschaft, versucht Europa als erster Kontinent die Klimaneutralität zu erreichen. 

Deutschland drückt bei der Energiewende aufs Tempo

Das Vorhaben ist ambitioniert, aber machbar. So geht Deutschland die Energiewende mit hohem Tempo an. Einige der in der Vergangenheit definierten Zielwerte wurden bereits vorzeitig  erreicht. Der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen am Bruttostromverbrauch¹ betrug im Jahr 2020 rund 45,5 % (Abb. 5). Die Zielmarke von 35 %  übertroffen. Noch im Jahr 2000 lag der Anteil der Erneuerbaren bei nur 6,3 %.  Auch der Zielkorridor für den Ausbau erneuerbarer Energien für das Jahr 2025 (40–45 %) war bereits 2019 erreicht. Mit Beginn des laufenden Jahres ist das neue EEG 2021 in Kraft getreten. Die gesetzlich verankerten Ausbaupfade sind teils ambitionierter als im Klimaschutz-programm 2030. Neu gilt, dass bis 2030 der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch bei 65 % liegen soll. Als Langfristziel soll vor 2050 der gesamte in Deutschland erzeugte und verbrauchte Strom treibhausgasneutral erzeugt werden.

Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Kapazitäten zur Verfügung stehen. Deutschland setzt vor allem auf drei Pfeiler: Windenergie an Land (WaL), Photovoltaik (PV) und Windenergie auf See (WaS). Diese Bereiche machen bereits über 70 % der Bruttostrom-erzeugung aus erneuerbarenEnergien aus. Die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten waren über die vergangenen zehn Jahre zweistellig (WaL: 10,4 %; PV: 15,7 % ; WaS: 65,6 %). Bei der Windenergie an Land gilt neu als Zielmarke eine installierte Leistung in Höhe von 71 Gigawatt (GW), bei der Solarenergie 100 GW. Und bei der Windenergie auf See wurde das Ausbauziel von 15 auf 20 GW Leistung bis 2030 und auf 40 GW bis 2040 installierte Leistung erhöht.

Abb. 5: Der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Bruttostromverbrauch steigt

Quelle: BKB, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie; * Schätzung

Auch die Massnahmen bei der Energieeffizienz werden verschärft. Die Energieeffizienzstrategie 2050 der Bundesregierung stellt dafür die Weichen. So soll der Primärenergieverbrauch gegenüber 2008 um 30 % gesenkt werden. Allein für die Effizienz-Förderprogramme stehen in der derzeit geltenden Finanzplanung in den Jahren 2021 bis 2024 durchschnittlich jährlich Bundesmittel in Höhe von EUR 6,3 Mia. bereit. Auch das marktwirtschaftliche Instrument der CO₂- Bepreisung soll in den Bereichen Verkehr und Wärme Anreize für mehr Energie-effizienz schaffen. Sämtliche Einnahmen aus dem Brennstoffemissions-handel werden für Massnahmen zum Klimaschutz (bspw. Kaufprämie für EAutos, Förderung der energetischen Gebäudesanierung), zur Entlastung der Wirtschaft und zum sozialen Ausgleich verwendet.

Ein zentrales Vorhaben für den Erfolg der Energiewende ist der Aus- bzw. Umbau der Netzinfrastruktur. Die Stromverteilernetze dienen der Verteilung von elektrischem Strominnerhalb einer Region. Es kommen zunehmend Herausforderungen auf diese Netze zu. So steigt die Stromeinspeisung im Verteilernetz. Denn über 90 % der in Erneuerbare-Energien-Anlagen installierten Leistung sind an das Verteilernetz angeschlossen und immer mehr Strom-  verbraucher sind zugleich Produzenten. Da die Verteilernetze jedoch bisher nicht für die Aufnahme einer entsprechenden Stromeinspeisung ausgelegt sind, entsteht Investitionsbedarf. Bei der Modernisierung der Verteilernetze kommt dem Einsatz digitaler Technologien eine entscheidende Rolle zu. Damit die Verteilernetze die beschriebenen Herausforderungen bewältigen können, müssen sie zu intelligenten  Netzen (Smart Grids) weiterentwickelt werden. Konventionelle Elektrizitätsnetze werden zu Smart Grids, wenn sie mit Kommunikations-, Steuer- und Regeltechnik sowie IT-Komponenten ausgerüstet werden. Auf diese Weise können die Netze intelligent miteinander sowie mit Stromerzeugung und -verbrauch verknüpft werden.

Bild: Ein zentrales Vorhaben für den Erfolg der Energiewende ist der Aus- bzw. Umbau der Netzinfrastruktur. Das gilt auch für die Schweiz. Auf dem Gotthard-Pass wurde im letzten Jahr ein Windpark mit den grössten Windrädern im Alpenraum eingeweiht.

 

Einbindung der Finanzindustrie als Doping für die grüne Transformation

Zur Erreichung der Klimaneutralität ist es wichtig, die Investoren mit ins Boot zu holen. Bislang war für Anlegerinnen und Anleger eine objektive Beurteilung der Nachhaltigkeit von Finanzprodukten nur schwer möglich. Es fehlte an einer einheitlichen Definition der Nachhaltigkeit, aber auch an der nötigen Transparenz. Mit den ab diesem Jahr im Rahmen des Green Deals schrittweise in Kraft tretenden Verordnungen wird dies adressiert:

• Die Taxonomie schafft ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Aktivitäten.

• Die Sustainable Finance Disclosure Regulation regelt die obligatorische Offenlegungspflicht für Finanzprodukte.

Ziel ist es, mittels Investitionsströmen aus dem Finanzsektor Unternehmen zu fördern, die sich mit nachhaltigen Aktivitäten beschäftigen. In der Schweiz geht es in eine ähnliche Richtung. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht hat ihr Rundschreiben «Offenlegung Banken und Versicherer» hinsichtlich der Transparenzpflichten zu Klimarisiken angepasst. Weitere Verschärfungen sind zu erwarten. Diese Meilensteine dürften die Spielregeln nachhaltig verändern. Entsprechend ging ein Ruck durch die europäische Investmentindustrie. Anbieter von Anlagefonds haben begonnen, auch nicht explizit nachhaltig verwaltete Portfolios auf mehr Nachhaltigkeit auszurichten. Dies ist ein Vorgeschmack darauf, wie die neuen Vorschriften förderlich auf die Kapitalströme im Sinn der grünen Transformation wirken können. Früher war mit nachhaltigen Anlagen oft das Ziel verbunden, nicht schlechter als der Markt zu sein. Neu dürfte sich nachhaltiges Anlegen mittel- bis langfristig als Vorteil erweisen.

Quelle:
1 Der Bruttostromverbrauch bezeichnet die gesamte Strommenge, die in einem Land verbraucht wird. Brutto ist deshalb wichtig, weil es auch die Strommengen enthält, die gar nicht an der Steckdose beim Endverbraucher ankommen, sondern unter anderem beim Transport verloren gehen (https://www.bmwinergiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2016/01/Meldung/direkt-erklaert.html).
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