Corona-Krise beschleunigt Chinas Aufholjagd

Die Covid-19-Pandemie hat die globale Wirtschaft massiv getroffen. Während China die erste Welle der Gesundheitskrise überstanden hat und seine Volkswirtschaft wieder hochfährt, leidet die US-Ökonomie noch schwer unter den Folgen der Lockdown-Bestimmungen. Zudem könnte eine zweite Welle in den USA stärker ausfallen als in China.
Am 17.08.2020 in N° 2/2020 von Peter Berger, Senior Investment Advisor

China und die USA mit schwachem erstem Quartal 2020

Im Startquartal 2020 legte die US-Wirtschaftsleistung noch um 0,2 % (real, sprich inflationsbereinigt; year-over-year, kurz YoY) zu. Für das zweite Quartal wurde dagegen Ende Juni durchschnittlich mit einem Einbruch des Bruttoinlandprodukts (BIP) von über 10 % (real; YoY) gerechnet. Anders in China: Von Januar bis März 2020 brach die Wirtschaftsleistung Corona-bedingt um 6,8 % (real; YoY) ein. Für das zweite Quartal wurde (Stand 30.06.) wieder ein leichtes Wachstum prognostiziert. Aufgrund der relativen wirtschaftlichen Stabilisierung Chinas, der absehbar schwächeren US-Wirtschaft, der Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise und einer tiefen politischen Krise in Amerika kommen Marktbeobachter wie der «Financial Times»-Kommentator Gideon Rachman zum Schluss: Unbesehen von den zusätzlichen Problemen (Handelskonflikt mit den USA, Hongkong- Demonstrationen, Probleme im Bankensektor) wird China die USA aufgrund der Corona-Krise früher als grösste Volkswirtschaft der Welt ablösen als bisher angenommen.

Überholt China die USA noch in den 2020er-Jahren?

Bislang wurde der Zeitpunkt, wann das chinesische das amerikanische BIP übertrumpft, auf die Jahre zwischen 2030 und 2040 veranschlagt. Mit dem Ausbruch der Covid-19- Pandemie könnte nun die wirtschaftliche Wachablösung noch in den späten 2020er-Jahren erfolgen. Dies für den Fall, dass sich die US-Wirtschaft nicht so rasch erholt wie erhofft und sich die chinesische Ökonomie schneller erholt als erwartet. Ersteres Szenario zeichnet sich derzeit nicht ab. Zumindest nicht gemäss US-Notenbank. Sie liess Mitte Juni verlauten, dass sie die Zinsen so lange nahe der Nullgrenze halten will, bis die Ziele der Vollbeschäftigung und der Preisstabilität «auf dem besten Weg sind, erreicht zu werden». Bis diese Ziele erreicht sind, wird es laut dem Fed noch Jahre dauern. Somit könnte China die USA in der Tat rascher überholen als bislang erwartet.

China hat es selbst in der Hand

In welchem Jahr China die USA als stärkste Wirtschaftsnation der Welt ablöst, hängt von den künftigen Wachstumsraten – insbesondere der chinesischen Volkswirtschaft – sowie den Inflationsraten und Wechselkursbewegungen von US-Dollar und Renminbi (Stichwort: Kaufkraftparität) ab. Angenommen, die USA verzeichnen 2020 ein reales BIP-Minus von 3 %, ab 2021 ein jährliches BIP-Wachstum von 3 % und China eines zwischen 4 % bis 7 %, würde dies den Prozess um bis zu fünf Jahre beschleunigen. Legt man das jeweilige nominale BIP-Wachstum (berücksichtigt Inflation und Wechselkursbewegungen) zugrunde, könnte China die USA noch deutlich schneller überflügeln. Dabei entscheiden nicht nur Covid-19 oder externe Megaprojekte (Neue Seidenstrasse, Afrika-Entwicklungshilfe) über das Wachstumstempo der chinesischen Wirtschaft. Das Land des Drachen verfügt vielmehr über die Möglichkeit, intern zu wachsen. So hat der chinesische Volkskongress im Mai 2020 ein umgerechnet rund CHF 1,3 Bio. schweres Tech- Paket beschlossen. Auch seine Militärausgaben könnte China in den kommenden Jahren deutlich steigern (2019: USD 260 Mia., +5,1 % ggü. 2018). Somit hat es die chinesische Führung selbst in der Hand, in welchem Jahr die USA als weltgrösste Wirtschaftsmacht abgelöst wird.

USA vs. China: Wachstumsszenarien vor der Corona-Krise

Wer ist die grösste Wirtschaftsmacht der Welt? Noch hat China die USA bezüglich der absoluten Höhe des Bruttoinlandprodukts nicht überholt. Anders sieht es aus, wenn man die Kaufkraft (sprich die jeweiligen Entwicklungen von Inflation und Währungen) (mit)berücksichtigt, hier liegt China laut dem Internationalen Währungsfonds bereits seit 2015 vor den USA, und somit an der Weltspitze. Doch auch in absoluten Zahlen ist das Land des Drachen drauf und dran, die USA schon bald zu übertrumpfen. Bis vor der Pandemie galten folgende Szenarien (immer unter der Annahme, dass sich Inflation und Währungen «neutralisieren»): Im Jahr 2018 lag das US-BIP bei USD20,54 Bio., dasjenige von China bei USD 13,61 Bio. Angenommen, die US-Wirtschaft würde jährlich mit 2 % und die chinesische mit 4 % wachsen, dann würde China die USA im Jahr 2041 überholen. Lägen die Wachstumszahlen bei 2 % (USA) respektive 5 % (China), wäre es im Jahr 2034, bei 2 % und 6 % wäre es im Jahr 2030 so weit. Für die Wachstumszahlen 3 % (USA) respektive 5 %, 6 % und 7 % (China), lägen die Jahreszahlen bei 2041, 2034 respektive 2030.

Wichtig: Damit China sein Jahresziel von 9 Millionen neuen Arbeitsplätzen erreichen kann, benötigt das Reich der Mitte ein BIP-Wachstum von rund 3 %. Dieses Wachstum dürfte mittelfristig problemlos erreicht werden. In einer Studie geht McKinsey davon aus, dass die chinesische Mittelschicht von heute rund 450 Millionen bis im Jahr 2022 auf rund 550 Millionen Menschen anwächst. Auch darüber hinaus bleibt das Wachstumspotenzial bei einer Bevölkerung von rund 1,4 Milliarden Menschen (Quelle: Weltbank; Stand 2018) weiterhin riesig. Zum Vergleich: Die USA zählt rund 320 Millionen Einwohner, wovon laut dem US-Forschungsinstitut PEW rund 52 % oder 166 Millionen Menschen der Mittelschicht angehören.

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