Miryam (53) & Franzisca (54): «Weitermachen war für uns eine klare Sache.»

Im kalten Geschäftsviertel zwischen Bahnhof SBB und Aeschenplatz  einen Hauch von Frühling und Mittelmeer erleben? Im Basler «PANE-CON-CARNE» war schon immer genau das möglich. Doch wie schafften die zwei sympathischen Schwestern Franzisca Brugger (54) und Miryam Probst-Brugger (53) es, sogar in der Krisenzeit täglich ein Feuerwerk von «amore e fantasia» zu versprühen? Kurz vor Ostern mitten im Gastro-Lockdown – sprach Gastroseelsorger Bernd Jungen mit ihnen darüber.

Am 04.06.2021 in Von Basel. Für Basel. von Bernhard Jungen

Ihr steht lieber am Bistrotischchen als euch zu setzen. Seid ihr immer «im Schuss»?

Miryam: Wenn ich mich zu lange hinsetze, besteht die Gefahr, dass ich einnicke. Unsere Produktion beginnt jeweils um halb fünf am Morgen!

Franzisca: Uns wurde diese Lebensart in die Wiege gelegt. Die Eltern führten zuerst in Reinach eine kleine, feine Metzgerei. Bis sie dann im Nachbarort Therwil eine Metzgerei und Bäckerei, Wand an Wand stehend, übernehmen konnten. Pane und Carne wurden also schon durch unsere Eltern zusammengebracht.

Ihr habt aber nicht die beiden elterlichen Geschäfte weitergeführt ...

Miryam: Meine Berufslaufbahn begann in der elterlichen Metzgerei, Fränzi machte die Ausbildung zur Bäckerei- und Konditorei-Verkäuferin, arbeitete als Stewardess bei der «Crossair» und kehrte danach wieder in die Bäckerei ihrer Lehrzeit zurück. Sie entdeckte die Welt, ich hatte mein Zuhause in der Nähe unserer Eltern. Es verstrichen mehr als 20 Jahre, bis unser gemeinsames PANE-CON-CARNE Gestalt annahm.

Franzisca, was hast du von deinen Flug- und Reisejahren mitgenommen?

Franzisca: Das Reisevirus steckt mir seit der Jugend im Blut. Ein gemeinsames PANE-CON-CARNE musste darum von Anfang an Ferienstimmung vermitteln. Unsere Kunden und Gäste sollen sich fühlen wie in den Ferien.

Wie vermitteln eure Produkte Ferienstimmung?

Miryam: Auf der Menukarte stehen Namen wie Provolone und Prosciutto di Parma. Feines Olivenbrot, Focacce und Tortas del Fuego wecken Urlaubserinnerungen. Da stehen spanische, italienische und griechische Spezialitäten nebeneinander. Aber auch traditionelle Basler Köstlichkeiten schmecken in der richtigen Umgebung wie in den Ferien.
Der Lockdown im Frühling 2020 war sehr anspruchsvoll, auch für unser Gemüt. Es war ja bald kein Mensch mehr unterwegs. 

Wie kam es zu eurem Taverna Sorella's?

Miryam: Wir eröffneten unser ursprüngliches PANE-CON-CARNE in Liestal. Der Erfolg war zwar durchschlagend, aber das Geschäftslokal so klein, dass zwei Alphatiere wie Fränzi und ich uns gegenseitig in die Quere kamen. Das konnte auf die Dauer nicht gut gehen. Gabriel, Fränzis Lebenspartner, machte uns schon zwei Jahre später auf die jetzige Stadt-Location aufmerksam, mit grosszügigen 240 Quadratmetern, die uns erlauben würde, zu expandieren. Das war genau, was unsere Beziehung brauchte. Taverna Sorella’s unterstreicht die Freude an unserer geschwisterlichen Verbindung. Zuerst versuchten wir noch, beide Geschäfte parallel zu führen. Wir wechselten uns in der Verantwortung im Wochenturnus ab. Beide Geschäfte gediehen so gut, dass an ein Weitermachen in Liestal nicht mehr zu denken war. Man stelle sich nur vor: Unsere Produktion begann um 4.30 Uhr und beide Restaurants blieben täglich bis nach 20 Uhr geöffnet, ausser am Sonntag.

Wer kommt aus dem nahen Geschäftsviertel jeweils abends?

Franzisca: Es gibt ein kleines, nahe gelegenes Wohngebiet. Tatsächlich aber ist die Umgebung geprägt von Büros der Chemie, der Banken, Versicherungen, Anwaltskanzleien und Medizinal-Unternehmen. Deren Mitarbeitende essen am Mittag bei uns und füllen manchmal unsere fast 70 Plätze. Dafür sind sechs Personen im Einsatz. Am Abend kommen die Gäste zu ihrem «Fyyrobebier» und lassen sich richtig verwöhnen mit Prosecco, verschiedenen Weinen, dazu Piatti mit allerlei Köstlichkeiten.

Was sind eure Mittagsmenüs?

Miryam: Wir bieten alles rund ums Mittelmeer plus Schweizerküche. Heute gäbe es Mehlsuppe oder Natura-Rinds-Hackbraten für die Fastnachtsgäste! Gäbe, wenn ... Wir haben einen genialen Steinbackofen. Damit können wir tolle Gratins und spanische Flammkuchen zubereiten. Der Gast wählt auf der Karte, wir haben aber unsere Tagesempfehlungen.

Die Umstellung auf Take-away hat für euch also keine allzu grosse Umstellung bedeutet?

FranziscaDer Lockdown im Frühling 2020 war sehr anspruchsvoll, auch für unser Gemüt. Es war ja bald kein Mensch mehr unterwegs. Allmählich wurde fast überall Homeoffice eingeführt, wodurch auch immer mehr Take-away-Gäste am Mittag ausblieben.

Miryam:
 Weitermachen war für uns eine klare Sache. Wir wurden von unseren Eltern nie verhätschelt. Wir wollten Präsenz markieren, selbst als alle ringsum geschlossen hatten.

Das Pane con Carne als Ferieninsel im Meer des Lockdowns.

FranziscaWir machten die Musik lauter, kreierten farbige Verkaufstafeln und beleuchteten das Ladengeschäft mit allen Lampen, die wir zur Verfügung hatten, um die Sternenstrasse strahlen zu lassen, damit alle sahen, dass wir noch da sind. Unsere Kunden und Kundinnen honorierten das mit ihrem Besuch und mit überschwänglichen Echos. Eines Tages stand ein Gast in der Schlange beim Mittags-Take-away und rief für alle laut hörbar: «Schaut mal das an - die Heldinnen der Stadt Basel!» Die Aussage war wiederum eine Ferieninsel für unsere gestresste Seele!
Wir machten die Musik lauter, kreierten farbige Verkaufstafeln und beleuchteten das Ladengeschäft mit allen Lampen, die wir zur Verfügung hatten, um die Sternenstrasse strahlen zu lassen, damit alle sahen, dass wir noch da sind. 
Franzisca Brugger, PANE-CON-CARNE Basel

Habt ihr als Geschäftsinhaberinnen mehr als vorher gearbeitet?

Miryam: So war es. Wir schickten alle Mitarbeiterinnen in die Kurzarbeit und übernahmen ihre Rolle. Ich begann wieder vermehrt in der Küche zu arbeiten. Dazu kam der administrative Marathon.

Franzisca
Der Druck war immens. Ich ertrug es darum schlecht, wenn Menschen, die ihren sicheren Job hatten, einem vorjammerten, dass sie jetzt auf Konzertbesuche oder aufs Fitnessstudio verzichten mussten. Noch schlimmer waren vielleicht gut gemeinte, aber billige Ratschläge wie «ihr müsst halt flexibler werden!».

War die Wiederöffnung im Sommer 2020 erfolgreich?

FranziscaMit viel «Pröbeln» und Messen konnten wir noch knapp ein Drittel unserer ursprünglichen Plätze einrichten.

Miryam: 
Es ist schwierig, gastfreundlich zu sein und gleichzeitig alle Gäste ermahnen zu müssen, sich korrekt in die vorgeschriebene Präsenzliste einzutragen.

Welche finanziellen Lösungen habt ihr gesucht ausser der Kurzarbeit?

FranziscaEs war für uns beklemmend und verletzend, dass bei der Vermieterin, einer Pensionskasse, lange kein Entgegenkommen zu spüren war. Müssten nicht in einer Pandemie die Verluste auf viele Schultern verteilt werden? Eine Körperschaft könnte das doch eigentlich besser leisten als ein Privatbesitzer.

Miryam: 
Eine weinerliche Stimmung hilft aber niemandem. Zu viele Menschen zelebrieren momentan öffentlich ihre Opferrolle, was nur den Aufschwung behindert. Unsere Gäste freuen sich über unsere fröhliche, aufgestellte Bedienung und wollen nicht unsere Sorgen mittragen.

Euer Werbeversprechen ist schliesslich Ferienstimmung.

Miryam: Wir können unsere eigene Stimmung auch deshalb hochhalten, weil wir in einer glücklichen Partnerschaft leben. Unsere Männer lenken uns zu Hause ab und bauen uns auf. Auch die Eltern sind uns eine grosse moralische Stütze, eine richtige Oase!

Franzisca
Den Menschen fehlt ein freundlicher Händedruck, eine Berührung. Vereinsamung ist eine Krankheit, von der ebenso gesprochen werden muss wie von Covid-19. Ich persönlich kann mich aufbauen auf ausgedehnten Spaziergängen mit meinem «Monsieur Max», meinem weltbesten Hund, den ich einmal aus Frankreich mitgenommen habe.

In einem Monat feiern wir Ostern.

Miryam: Alle grossen Feste feiern wir mit farbigen Dekorationen, mit typischen Produkten und originellen Accessoires. Das macht vor allem meine Schwester: «She LOVES shopping!»

Franzisca:
 
Feste wie Weihnachten und Ostern gehören zu unserem Familienerbe. Unsere Eltern sind tiefgläubig und besuchen jeden Sonntag die Kirche. Sie betonen immer wieder, dass sie täglich für uns beten. Wir stehen zu unseren Wurzeln und halten am Guten und Fröhlichen fest.

Bernhard Jungen

Gastroseelsorger & Pfarrer

Bernhard Jungen (64) ist Gastroseelsorger. Seit Jahren ist er als «Seelsorger der Seelsorgenden» unterwegs zu den Menschen, die im Gastgewerbe arbeiten. Hauptberuflich ist er Barkeeper-Pfarrer der Unfassbar, einem Bier-Mobil auf drei Rädern, das während der Krise auch vom Lockdown betroffen ist. Der Autor des Interviews arbeitete während der Pandemie an seinem Buch «Unfassbar – Wie die Basler Gastronomie der Krise trotzt» - einer Sammlung von 25 Interviews mit Basler Gastronomen über ihre Situation in Zeiten der Pandemie.

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