«Helden von Basel» #5: Lukas (47) Wir sagen DANKE!

Während viele in der Corona-Krise von zu Hause aus arbeiten ist Pflegefachmann Lukas (47) weiterhin täglich vor Ort im Einsatz. Denn die Menschen mit psychischen Leiden, die er im Haus Spektrum am Basler Tellplatz begleitet, brauchen ihn. Besonders jetzt.
Am 22.04.2020 in Von Basel. Für Basel. von Ekaterina Cámara

Wenn Lukas jeden Morgen zur Arbeit fährt, weiss er: Es warten Menschen auf ihn, die auf ihn angewiesen sind. Coronavirus und Ansteckungsgefahr hin oder her – er wird täglich vor Ort gebraucht. Elf Bewohnerinnen und Bewohner leben heute im Haus Spektrum am Tellplatz, welches zum Verein Mobile Basel gehört.

Was sind es für Menschen, die im «Spektrum» wohnen? «Es sind Männer und Frauen mit psychischen Beeinträchtigungen. Manche von ihnen haben zusätzlich Probleme mit der körperlichen Gesundheit. Alle haben jedoch eines gemeinsam: Sie benötigen Hilfe bei der Bewältigung des Alltags. Dabei sind manche auf mehr, andere auf weniger Unterstützung angewiesen. Natürlich auch jetzt 
– in der Zeit des Coronavirus.», sagt Lukas. «Zehn unserer elf Bewohnerinnen und Bewohner haben die Diagnose chronische Schizophrenie und nehmen regelmässig Neuroleptika. Die meisten haben jahrelange Psychiatrie-Erfahrung und wurden in ihrem Leben bereits oft hospitalisiert. Einige verwahrlosten zum Teil als sie noch alleine lebten. Es sind definitiv keine Menschen mit einfachen Schicksalen hier.», fasst Lukas zusammen.

Lukas arbeitet seit 2016 hier. Früher leitete er das Haus, doch heute ist er nicht mehr der Chef: «Wir sind nun eine selbstgeführte Organisation. Jetzt bin ich einfach nur noch 'der Luki'.», lacht der Pflegefachmann und zweifacher Familienvater. «Das klappt wunderbar. Es gibt dadurch eigentlich nur Pluspunkte.» 

Hilfe für Menschen mit psychischen Einschränkungen

Im Haus Spektrum wohnen Menschen, die in ein normales Leben zurückfinden wollen. Doch treffen sie hier nicht auf vorgefertigte und einengende Strukturen. «Wir wollen, dass sie lernen, sich selbst ihren eigenen persönlichen Rhythmus zu schaffen. So, wie sie es gerne haben -und so individuell wie möglich.», erklärt Lukas. Die einzigen Fixpunke: Die Mittag- und Nachtessenszeiten. Hierbei werden die Bewohnerinnen und Bewohner nach dem Prinzip 'Du kannst helfen, musst aber nicht.' in die Prozesse involviert: Vom Einkaufen übers Kochen bis hin zum Abwaschen und Aufräumen.

Schweres Los: Schizophrenie

Den Begriff Schizophrenie kennt jeder. Doch was es eigentlich heisst, an dieser Krankheit zu leiden – das können sich nur wenige wirklich vorstellen.

«In der akuten Phase führt Schizophrenie zu einer Verschiebung der Realitätswahrnehmung. Womöglich fängt man an Stimmen zu hören. Zum Teil meint man auch, die Gedanken anderer Menschen lesen zu können. Manchmal hat man Angst, dass die eigenen Gedanken anderen offenstehen oder man denkt, es seien überall Kameras aufgestellt, die einen ständig überwachen. Während psychisch unbelastete Menschen sich zudem von den vielzähligen Informationen und Eindrücken, die auf sie einwirken, distanzieren können, fehlt Menschen mit der Diagnose Schizophrenie diese Fähigkeit. Viele beschreiben deshalb ihren Zustand – vor allem in akuten Psychose-Phasen – als ein 'Zerfliessen des Ichs'. Daraus resultiert schliesslich oft Angst und Panik.»

Leid lindern, Lebenskraft wecken

Wie bei allen schweren körperlichen oder psychischen Krankheiten steht auch hier die ärztlich verordnete medikamentöse Therapie an erster Stelle. Regelmässige Arztbesuche und die Überwachung der allgemeinen Gesundheit gehören hier deshalb zum Standard-Programm. Doch Lukas und sein Team setzen sich für mehr als das ein:

«Wir wollen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner ihr eigenes 'Ich' (wieder-)entdecken und vermeintlich verschwundene Lebenskraft wieder spüren. Schritt für Schritt machen sie dabei Fortschritte und können so mit der Zeit sogar wieder Hobbys nachgehen, arbeiten und auch persönliche Herzenswünsche realisieren.

Träume wahr werden lassen

Die Hilfe, die man im Haus Spektrum erhält, ist äusserst vielfältig. Kleinere Ausflüge und besondere Erlebnisse, die sich die Bewohnerinnen und Bewohner von Zeit zu Zeit wünschen, werden durch Lukas und das Team des Hauses regelmässig ermöglicht. Aber auch grosse Träume können dank ihrer Hilfe wahr werden:

«Wenn bei uns jemand zum Beispiel schon seit Jahren gerne mal eine Reise unternehmen würde, aber nicht weiss wie er es angehen könnte, dann helfen wir. Auf diese Weise waren wir mit verschiedenen Bewohnern schon gemeinsam im Tessin, auf Mallorca, einmal sogar in Kalifornien - dem langjährigen und sehnlichsten Traum eines Bewohners.», sagt Lukas voller Freude. «Das ist selbstverständlich für uns. Wir haben eigentlich ein einziges Ziel: Bei den Bewohnerinnen und Bewohnern das Bewusstsein aufkommen lassen: 'Ja, das oder jenes habe ich jetzt wirklich selbst geschafft. Und ich habe mich gut dabei gefühlt.' Das ist für viele hier nämlich alles andere als selbstverständlich.», ergänzt er.

Das Teilhabe-Konzept

Das sogenannte «Teilhabe-Konzept», das im Haus gelebt wird, hilft, die Bewohner in die Organisation des Alltags zu involvieren und hat seinen Ursprung in der UNO-Behinderten-Rechtskonvention. Der Verein Mobile, finanziert über einen Leistungsauftrag des Kantons Basel-Stadt sowie durch Spendengelder, bietet schon seit Jahren Hilfe für Menschen mit psychischen Einschränkungen an und sorgt dafür, dass diese wieder möglichst normalisiert am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Jeder der Bewohnerinnen und Bewohner hat hier ein eigenes Zimmer, welches ganz nach den eigenen Vorlieben eingerichtet werden kann. Viele haben einen geschützten Arbeitsplatz in der Schweiz und gehen persönlichen Hobbys nach.

Herausforderung Corona-Krise

Der diesjährige Ausbruch des Coronavirus hat natürlich auch das Haus Spektrum nicht komplett kalt gelassen: «Die Pandemie hat unseren Alltag hier schon etwas verändert.», so Lukas. «Grundsätzlich sind wir ja sehr offen und spielen nicht die 'Chefs'. Doch in der jetzigen Situation mit dem Coronavirus greifen wir des öfteren mal ein und machen immer wieder auf die Hygienevorschriften des Bundesamtes für Gesundheit aufmerksam. Diese gilt es ja immernoch sehr gut einzuhalten. Das ist für manche nicht immer einfach, aber das Verständnis der Problematik ist jedenfalls bei allen da.»

Lukas (47), Basel:

«Menschen zu helfen, wieder Lebensfreude zu spüren, sehe ich als meine Aufgabe.»

Risikogruppe: Besonders schützenswert

Manche Bewohner im Haus gehören als Folge ihrer langjährigen Medikamenteneinnahme bereits zur Risikogruppe. Auch die Diabetiker und starken Raucher unter ihnen müssen gerade besonders aufpassen. Die Aussenkontakte wurden aktuell gänzlich untersagt oder auf ein Minimum reduziert: «Einer unserer Bewohner hat zum Beispiel eine Freundin. Er darf sie aber aktuell nicht treffen - denn beide sind Risikopatienten. Sie managen die Situation jedoch ganz gut und gehen mit der nötigen Portion Geduld an die Sache heran.»

Das Team empfiehlt den Bewohnerinnen und Bewohnern zudem aktuell nicht selbst einkaufen zu gehen: «Alle, die hier leben, dürfen zwar alleine das Haus verlassen. In der jetzigen Situation ist das aber nicht ratsam. Wir übernehmen sehr gerne die nötigen Einkäufe. Und meistens wird unsere Hilfe auch angenommen.», sagt Lukas fürsorglich. Am grossen gemeinsamen Tisch wird aktuell aber nicht gegessen: «Man verteilt sich einfach ein bisschen mehr im Haus – das klappt soweit sehr gut.»

Herausforderung Medienkonsum

Ob es auch schwierige Situationen gibt? Lukas bejaht: «Was mich in letzter Zeit viel Energie kostete: Die negative Grundstimmung, die die Medien oft verbreitet haben, wieder zu neutralisieren. Denn Angst mündet oft in Aggressionen. Und hier versuchte und versuche ich bis heute zu erklären, dass bei uns alles soweit in Ordnung ist und dass es für uns im Haus keinen Grund zur Panik gibt. Und dass man nun einfach etwas vorsichtiger sein muss.»

Da sein – gerade in schwierigen Momenten

Der zweifache Familienvater nimmt sie Situation gelassen. Anstatt wie sonst, jeden Morgen schwimmen zugehen, geht er jetzt joggen. Und die Aussenkontakte – die hat auch Lukas reduziert – soweit, wie dies in seinem Beruf möglich ist. «Ich glaube den jungen Leuten fällt es besonders schwer auf die Nähe zu ihren Freunden – zum Beispiel in der Schule – zu verzichten. Das sehe ich besonders an meiner 15-jährigen Tochter.»

So helfen Lukas und das Team den Bewohnern im Haus «Spektrum»:

  • Einkaufen gehen
  • Kochen
  • Zum Arzt gehen
  • Ausflüge unternehmen
  • Organisatorisches
  • Eigene Stärken entdecken und leben
  • Lebensenergie gewinnen
  • Positive Erlebnisse haben
  • Kleine und grosse Träume wahr werden lassen

«Weil das Leben ein Geschenk ist.»

Lukas wirkt ausgeglichen und gelassen. Und genau so jemanden brauchen die Bewohner im Haus Spektrum - und zwar jetzt noch mehr als in Zeiten vor der Krise. Wo Lukas die Motivation für seinen Job her nimmt? Der Pflegefachmann hat sofort eine Antwort parat: «Ich liebe meine Arbeit. Weil ich Menschen gerne habe. Und weil das Leben ein Geschenk ist. Ich denke, dass eigentlich jeder Freude am Leben haben kann. Nur wissen es manche nicht - oder nicht mehr. Mein Wunsch ist, dass solche Menschen diese Lebensfreude wieder spüren können. Ihnen dabei zu helfen, das zu schaffen, sehe ich als meine aktuelle Aufgabe an. Und ob das Coronavirus währenddessen gerade rum geht oder nicht - das spielt für mich hierbei keine grosse Rolle. Auch, wenn es ohne das Virus natürlich viel schöner war...»

Ekaterina Cámara

Redaktion

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